Stehen einem stillen Gesellschafter nur gewinnabhängige Auszahlungen zu, so sind Auszahlungen, die der stille Gesellschafter, der ein Geschäftsmodell nach Art eines Schneeballsystems betreibt, trotz Kenntnis von in Wirklichkeit eingetretenen Verlusten leistet, unentgeltlich im Sinne des § 134 InsO, wie das OLG Frankfurt (4 U 158/22) entschieden hat.
Insoweit gilt, dass bei rechtsgrundlosen Leistungen die Vermögensminderung des Schuldners dadurch kompensiert werden kann, dass anstelle des aufgegebenen Vermögensbestandteils ein auf dessen Rückgewähr gerichteter Bereicherungsanspruch in das Vermögen des Schuldners gelangt, mit der Folge, dass keine Unentgeltlichkeit im Sinne des § 134 InsO vorliegt. Ein solcher Ausgleich ist bei den Ausschüttungen in dem hier betroffenen Schneeballsystem jedoch nicht erfolgt.
Insbesondere ist nach Auffassung des OLG durch die Ausschüttungen kein bereicherungsrechtlicher Anspruch in das Vermögen der Insolvenzschuldnerin gelangt. Ein solcher Anspruch sei nach § 814 BGB ausgeschlossen, weil die Insolvenzschuldnerin im Zeitpunkt der Auszahlung Kenntnis von der Nichtschuld gehabt habe.
Für die Kenntnis der Nichtschuld genügt es nicht, dass dem Leistenden die Tatsachen bekannt sind, aus denen sich das Fehlen einer rechtlichen Verpflichtung ergibt; vielmehr muss der Leistende aus diesen Tatsachen nach der maßgeblichen Parallelwertung in der Laiensphäre auch einen im Ergebnis zutreffenden rechtlichen Schluss gezogen haben. Wird die Leistung, deren Rückabwicklung im Streit ist, von einem Vertreter erbracht, so kommt es für die Kenntnis vom Fehlen des Rechtsgrundes auf die Kenntnis des die Leistung bewirkenden Vertreters an. Scheitert ein Anspruch des Schuldners an § 814 BGB, ist auch ein Bereicherungsanspruch des Insolvenzverwalters zu verneinen. Dies führte im vorliegenden Fall des Schneeballsystems zu folgendem Ergebnis:
Nach diesen Maßstäben hat ein Schuldner Kenntnis vom fehlenden Rechtsgrund, wenn er weiß, dass er keine Gewinne, sondern im Gegenteil Verluste erwirtschaftet und ein betrügerisches Schneeballsystem betreibt, er also weiß, dass er an die Anleger lediglich Scheingewinne aus den Einzahlungen von ihm getäuschter Geldgeber auszahlt. Denn dann weiß er, dass die vereinbarten Voraussetzungen für die Ausschüttung von Gewinnbeteiligung nicht vorliegen und die Anleger keine Ansprüche auf die Ausschüttungen gegen ihn haben. Dagegen spricht nicht, dass die festgestellten Jahresabschlüsse fälschlich Gewinne und keine Jahresfehlbeträge ausweisen und gegebenenfalls von einem Wirtschaftsprüfer bestätigt worden sind. Denn der Schuldner hat aufgrund seiner Kenntnis, dass er nur noch Verluste erwirtschaftet und das eingeworbene Kapital ganz oder aber zu einem großen Teil benutzen muss, um die alten Anleger zu bezahlen, auch Kenntnis davon, dass die streitgegenständlichen Jahresabschlüsse fehlerhaft sind und keine Grundlage für die vereinbarten Ausschüttungen darstellen können (BGH, Urteil vom 1. Oktober 2020 – IX ZR 247/19 -, Rn. 30 f. m.w.N., zitiert nach juris).
Für die maßgebliche Parallelwertung in der Laiensphäre reicht etwa das Wissen aus, dass verschiedene bilanzielle Wertansätze aufgrund der bekannten Tatsachen überhöht waren. Wenn etwa Lebensversicherungen schon nach kurzer Zeit gekündigt und Goldsparverträge nach kurzer Zeit aufgelöst werden sollten, kann ein Bewusstsein bestehen, dass die mit den hohen Anschaffungskosten bilanzierten Vermögensgegenstände nicht den bilanzierten Wert besaßen (BGH, Urteil vom 22. Juli 2021 – IX ZR 26/20 -, Rn. 22 und 25 ff., zitiert nach juris; BGH, Urteil vom 2. Dezember 2021 – IX ZR 111/20 -, Rn. 21 und 23 ff., zitiert nach juris). Die Aufgabe des ursprünglichen Konzepts, mit dem Gewinne erwirtschaftet werden sollten, reicht für die Kenntnis der Unrichtigkeit einer auf der Basis dieses Konzepts erstellten Bilanz aus (BGH, Urteil vom 22. Juli 2021 – IX ZR 26/20 -, Rn. 28, zitiert nach juris).
OLG Frankfurt, 4 U 158/22
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