4. Senat: Handeltreiben verklammert nicht Einfuhr

Inzwischen ganz erheblich umstritten beim ist die Frage, ob mehrere Taten der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge durch eine einheitliche, in ihren Ausführungshandlungen jeweils teilidentische Tat des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Tat verbunden werden.

Hier haben sich die Strafsenate des Bundesgerichtshofs bislang unterschiedlich postiert:

  • 1., 2. und 4. Strafsenat haben eine Tateinheit durch Klammerwirkung angenommen;
  • der 3. Strafsenat hat sich dem entgegen gestellt.

Nunmehr hat der 4. Strafsenat angekündigt, seine Meinung ändern zu wollen. Die Frage dürfte dann „bald“ ein Thema für den grossen Senat werden.

So führt der 4. Senat nunmehr in einer Entscheidung Ende 2020 aus:

Hinsichtlich der strittigen Rechtsfrage neigt der Senat dazu, seine bisherige Rechtsprechung aufzugeben und eine Verbindung von mehreren Einfuhrtaten von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge durch eine jeweils teilidentische Tat des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Tat im Wege der Verklammerung zu verneinen. Die dahingehende Rechtsansicht kann sich zum einen darauf berufen, dass für die unerlaubte Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG angesichts der Mindeststrafe von zwei Jahren gegenüber einem Jahr in § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG auch bei gleichen Strafrahmenobergrenzen eine im Verhältnis zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schärfere Strafandrohung vorgesehen ist und sich daher das Verbrechen der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge grundsätzlich als das schwerer wiegende Delikt darstellt (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Februar 2014 ‒ 3 ARs 7/13, aaO). Zum anderen eröffnet sie in der Anwendungspraxis dem Tatrichter die Möglichkeit, in Fällen des grenzüberschreitenden Rauschgifthandels bei der konkurrenzrechtlichen Beurteilung an die jeweiligen Einfuhrtaten anzuknüpfen.

Die Einfuhrhandlungen als punktuelle, in zeitlicher und situativer Hinsicht eng begrenzte Geschehen werden in aller Regel einfacher aufzuklären sein als die Vorgänge um die Beschaffung und Lagerung der Betäubungsmittel, die für die Annahme von auf denselben Güterumsatz gerichteten Bewertungseinheiten von Bedeutung sind. Diesem Praktikabilitätsgesichtspunkt kommt nach Ansicht des Senats erhebliches Gewicht zu, weil nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Unrechts- und Schuldgehalt eines strafbaren Verhaltens durch dessen konkurrenzrechtliche Bewertung grundsätzlich nicht berührt wird (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 30. November 1995 ‒ 5 StR 465/95, BGHSt 41, 368, 373; vom 17. Juni 2004 ‒ 3 StR 344/03, BGHSt 49, 177, 184 mwN; Beschluss vom 19. November 2014 ‒ 4 StR 284/14 Rn. 7 mwN; vgl. Rissingvan Saan in LK-StGB, 13. Aufl., § 52 Rn. 55 mwN). 

BGH, 4 StR 213/20
Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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