Cum/Ex-Geschäfte stellen einen der größten Finanz- und Steuerskandale der deutschen Nachkriegsgeschichte dar. Diese Geschäfte basieren auf einer komplexen Abfolge von Transaktionen, die es den beteiligten Akteuren ermöglichen, mehrfache Rückerstattungen von Kapitalertragsteuer zu beantragen, obwohl diese Steuer nur einmal gezahlt wurde.
Um zu verstehen, wie Cum/Ex funktioniert, ist es wichtig, die grundlegenden Mechanismen und die beteiligten Akteure zu kennen.
Der Grundmechanismus
Cum/Ex-Geschäfte drehen sich um die Ausnutzung von Kapitalertragsteuer-Rückerstattungen auf Dividenden. Der Begriff „Cum/Ex“ leitet sich von den lateinischen Wörtern „cum“ (mit) und „ex“ (ohne) ab und bezieht sich darauf, ob eine Aktie mit (cum) oder ohne (ex) Dividendenanspruch gehandelt wird.
Der Kern des Cum/Ex-Geschäfts ist ein Leerverkauf, bei dem ein Verkäufer eine Aktie verkauft, die er gar nicht besitzt. Dies geschieht kurz vor dem Dividendenstichtag, dem Tag, an dem die Aktie „ex Dividende“ gehandelt wird, also ohne den Anspruch auf die Dividende. Der Verkäufer leiht sich diese Aktie, um die Verpflichtung aus dem Leerverkauf zu erfüllen. Der Käufer der Aktie erwirbt diese cum Dividende, das heißt, er hat noch Anspruch auf die Dividende, auch wenn er diese erst nach dem Stichtag erhält.
Der Clou liegt nun darin, dass sowohl der Leerverkäufer als auch der tatsächliche Besitzer der Aktie eine Kapitalertragsteuerbescheinigung erhalten, obwohl nur einmal Kapitalertragsteuer gezahlt wurde. Diese Bescheinigung berechtigt den Inhaber, die Kapitalertragsteuer beim Finanzamt zurückzufordern. So können durch den gezielten Handel mit diesen Aktien mehrfach Steuererstattungen beantragt werden, obwohl die Steuer nur einmal entrichtet wurde.
Ablauf eines typischen Cum/Ex-Geschäfts
- Leerverkauf der Aktie: Ein Verkäufer, der die Aktie nicht besitzt, verkauft diese kurz vor dem Dividendenstichtag an einen Käufer. Dieser Verkauf erfolgt cum Dividende.
- Aktienleihe: Um seine Verpflichtung aus dem Leerverkauf zu erfüllen, leiht sich der Verkäufer die Aktie von einem Dritten, der tatsächlich die Dividende erhält.
- Lieferung der Aktie ex Dividende: Der Verkäufer liefert die Aktie, nunmehr ex Dividende, an den Käufer. Weil die Aktie ex Dividende geliefert wird, erhält der Käufer eine Dividendenkompensation in Höhe der Netto-Dividende.
- Kapitalertragsteuerbescheinigung: Sowohl der tatsächliche Besitzer der Aktie als auch der Käufer erhalten jeweils eine Kapitalertragsteuerbescheinigung, obwohl nur einmal Kapitalertragsteuer gezahlt wurde.
- Rückabwicklung: Nach Erhalt der Kapitalertragsteuerbescheinigung geben die beteiligten Akteure die Aktien zurück, wodurch der ursprüngliche Zustand wiederhergestellt wird. Die Kapitalertragsteuer wird jedoch mehrfach erstattet.
Beteiligte Akteure
Die Akteure in Cum/Ex-Geschäften sind typischerweise:
- Leerverkäufer: Verkauft eine Aktie, die er nicht besitzt, und organisiert die Transaktion so, dass mehrfach Steuerbescheinigungen generiert werden.
- Stückgeber: Der Eigentümer der Aktie, der diese dem Leerverkäufer leiht.
- Käufer: Erwirbt die Aktie und erhält eine Steuerbescheinigung, obwohl keine Steuer gezahlt wurde.
- Clearingstelle (z.B. Clearstream): Führt die Abwicklung der Transaktionen durch und sorgt für die entsprechende Verbuchung der Dividendenkompensation.
Steuerrechtliche und juristische Bewertung
Cum/Ex-Geschäfte haben zu erheblichen Steuerausfällen geführt und wurden daher als illegal eingestuft. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat klar festgestellt, dass diese Geschäfte steuerstrafrechtlich relevant sind, da sie darauf abzielen, ungerechtfertigte Steuererstattungen zu generieren. Sie verstoßen gegen die Prinzipien der Besteuerung und stellen einen erheblichen Eingriff in das Steueraufkommen dar.
In kapitalmarktrechtlicher Hinsicht sind Cum/Ex-Geschäfte umstritten. Während die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) Cum/Ex-Transaktionen als mögliche Marktmanipulation einstuft, gibt es wissenschaftliche Stimmen, die argumentieren, dass diese Transaktionen nicht unbedingt die Marktpreise beeinflussen und daher nicht pauschal als Marktmanipulation betrachtet werden können.
Conclusio
Cum/Ex-Geschäfte basieren auf einer systematischen Ausnutzung der Mechanismen zur Kapitalertragsteuererstattung. Sie sind komplex, involvieren mehrere Akteure und zielen darauf ab, durch mehrfache Steuerbescheinigungen ungerechtfertigte Erstattungen zu erlangen. Die rechtliche Bewertung dieser Geschäfte ist eindeutig: Sie sind illegal und haben erhebliche strafrechtliche Konsequenzen. Dennoch zeigt die Diskussion um Cum/Ex auch, wie komplex die Abgrenzung zwischen legaler Steuergestaltung und illegaler Steuerhinterziehung sein kann.
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