Es ist keine Seltenheit, dass Urheberrecht und Strafrecht gerne einmal genutzt werden, um unliebsame Meinungen zu unterbinden. Ein Paradebeispiel findet sich beim Landgericht Dortmund (34 Qs 79/14), wo man beides ins Feld führt, um ein unliebsames Wahlplakat zu unterbinden.
Sachverhalt
Der Sachverhalt ist ein klassischer kommunalpolitischer Knaller:
Hiergegen ging man vor: Die betroffene Politikerin sah sich in Ihrem Persönlichkeitsrecht durch die Abbildung betroffen sowie beleidigt. Der Fotograf des ursprünglichen Fotos sah eine unerlaubte Verwendung seiner Bilder.
Staatsanwaltschaft
Es ist bereits bezeichnend, dass die Staatsanwaltschaft Dortmund allen ernstes einen Strafbefehl beantragte:
Die Staatsanwaltschaft Dortmund hat am 10.07.2014 beim Amtsgericht Hamm den Erlass eines Strafbefehls gegen den Beschuldigten wegen Vergehen nach §§ 187, 194, 52, 59 StGB, §§ 106, 109 UrhG beantragt. Er sollte verwarnt und seine Verurteilung zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 30,00 Euro sollte vorbehalten werden. Ferner beantragte die Staatsanwaltschaft, eine Bewährungszeit von einem Jahr zu bestimmen und als Auflage die Zahlung von 300 Euro anzuordnen.
Dass hier vorliegend Wahlkampf mit Meinungen betrieben wurde lag auf der Hand, gleichwohl konnte und wollte man hier offensichtlich bei der Staatsanwaltschaft eine Strafbarkeit erkennen (und sich in einen laufenden Wahlkampf einmischen). Glücklicherweise sah schon das Amtsgericht das anders und lehnte den Antrag ab. Es folgte die Beschwerde, das Landgericht Dortmund führte nunmehr aus, dass es sich um kein strafbares Verhalten gehandelt hat.
Entscheidung des Landgerichts
Beleidigung
Zum einen führt das Landgericht zu Recht aus, dass hier die Meinungsfreiheit zu berücksichtigen ist. Insoweit sei hier das kurze Zitat ausreichend (weiter unter später mehr):
Auch wenn – wie im Folgenden auszuführen sein wird – die Einstellung der Fotomontage auf seiner Facebook-Seite im Hinblick auf die Verwirklichung der oben aufgeführten Straftatbestände der Beleidigung und der üblen Nachrede bzw. der Verleumdung sowie der Verletzung des Rechts am eigenen Bild grenzwertig ist, hat der Beschuldigte die im Lichte von Artikel 5 Abs. 2 GG nach den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen großzügig auszulegenden Spielraum der rechtlich zulässigen Meinungsäußerungsfreiheit noch nicht überschritten.
Da gibt es auch für mich keinen Spielraum: Man muss das weder gut noch toll finden, aber es ist eindeutig eine Meinungsäußerung in einem höchst sensiblen Kontext und gerade im Wahlkampf ist es – übrigens auch mit dem BVerfG! – vollkommen normal, dass auch mal polemisch, derb und aggressiv Meinungen ausgetauscht werden. Eben dies ist auch der Tatsache geschuldet, dass der Staat sich aus dem Wahlkampf rauszuhalten hat, da man inzwischen gelernt haben sollte, was heraus kommt, wenn man sich anmaßt zu entscheiden, wie Wahlkampf stattfinden darf und wie nicht (selbiges Argument bei der Presse, darum wird ja auch nicht gewichtet, ob eine Zeitung inhaltlich wertvoll ist oder nicht!).
Urheberrechtsverletzung durch Fotomontage des Wahlplakats
Die urheberrechtliche Seite geht erfreulich schnell:
Ein Verstoß gegen § 24 Abs.1 des Urheberrechtsgesetzes liegt aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung ebenfalls nicht vor, da durch die Bearbeitung ein selbständiges Werk geschaffen worden ist.
So ist es. Wer nicht mag, dass man sich mit seinem Werk inhaltlich auseinandersetzt, der soll es nicht publizieren. Man darf fremde Werke aufgreifen und im Rahmen eigener gedanklicher Auseinandersetzung verwenden.
Persönlichkeitsrecht
Zu guter Letzt wird auch zu Recht eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts durch die Abbildung verneint:
Letztlich liegt auch noch kein Verstoß gegen §§ 33, 22 KUG vor.
Soweit sich die Anzeigeerstatterin gegen die Veröffentlichung ihres Bildes wendet, beruht ihr Begehren auf § 22 KUG, nach dem Bildnisse nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden dürfen. Das dort gewährleistete Recht am eigenen Bild – eine besondere Erscheinungsform des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (vgl. BGH Urteil vom 12.10.1993, Az.: VI ZR 23/93) – ist indes nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG für Personen der Zeitgeschichte, zu denen die Anzeigeerstatterin jedenfalls während des Hammer Kommunalwahlkampfes zählt, eingeschränkt. Diese Einschränkung tritt allerdings nach § 23 Abs. 2 KUG u.a. dann zurück, wenn durch die Verbreitung des Bildnisses ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten verletzt wird. Ob dies der Fall ist, bestimmt sich nach einer Abwägung, in der darüber zu befinden ist, ob dem Stellenwert des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Abgebildeten, das die Rechte aus §§ 22 KUG umfasst, gegenüber der mit der Abbildung in Anspruch genommenen Rechtsposition der Vorrang gebührt.
Fazit
Die Entscheidung ist ebenso richtig wie wichtig, man kann nur hoffen, dass sie vor Ort ausreichend publiziert und kommuniziert wurde: Es ist unfassbar, dass man sich ernsthaft herablässt, in einem Wahlkampf durch Urheberrecht und Strafrecht unliebsame Meinungen von Konkurrenten verhindern zu wollen. Umso schlimmer noch, dass die Staatsanwaltschaft vor Ort sich auch noch hierzu hat instrumentalisieren lassen. Wie gesagt: Man muss es nicht gut oder schön finden, aber es ist wesentliches Element des Wahlkampfes dass man auch mal scharf polemisch agiert. Der Versuch, die Meinungsäußerungsfreiheit – gerade im Wahlkampf – auf das zu reduzieren, was der Form nach „Höflich“ und „Angenehm“ ist, ist unerträglich.
Die Entscheidung zur Meinungsäusserung
Im Folgenden noch der Rest der Entscheidung zum Thema Meinungsäußerung:
Der Beschuldigte ist weder eines Vergehens der Beleidigung gemäß § 185 StGB, der üblen Nachrede gemäß § 186 StGB, der Verleumdung gemäß § 187 StGB noch der Verletzung des Rechts am eigenen Bild gemäß §§ 22, 33 Kunsterhberrechtsgesetzn (KUG) zum Nachteil der Anzeigeerstatterin, noch eines Vergehens gegen Strafvorschriften des Urheberrechtsgesetzes zum Nachteil des Herrn X hinreichend verdächtig.
Auch wenn – wie im Folgenden auszuführen sein wird – die Einstellung der Fotomontage auf seiner Facebook-Seite im Hinblick auf die Verwirklichung der oben aufgeführten Straftatbestände der Beleidigung und der üblen Nachrede bzw. der Verleumdung sowie der Verletzung des Rechts am eigenen Bild grenzwertig ist, hat der Beschuldigte die im Lichte von Artikel 5 Abs. 2 GG nach den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen großzügig auszulegenden Spielraum der rechtlich zulässigen Meinungsäußerungsfreiheit noch nicht überschritten.
Im Spannungsfeld der konkurrierenden Individualrechte des Persönlichkeitsschutzes und der Meinungsäußerungsfreiheit hat der Rechtsstaat die Pflicht, beide Rechte gleichermaßen zu achten, denn sowohl der Persönlichkeitsschutz (Achtung der körperlichen, geistigen und sozialen Integrität) als auch die Meinungsäußerungsfreiheit sind Grundpfeiler eines demokratischen Gemeinwesens. Dieser Pflicht wird der Staat dadurch gerecht, dass er selbst in die Persönlichkeits- und Freiheitsrechte von Individuen nur aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigung unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes eingreifen darf. Für Grundrechtsbeeinträchtigungen, die Individuen einander zufügen, hat er rechtsstaatliche Normen und Verfahren zur Verfügung zu stellen, um die daraus resultierenden Konflikte rechtsverbindlich zu regeln. Die Vorschriften zum zivil- und strafrechtlichen Schutz der Ehre, das Urheberrecht und das Recht am eigenen Bild sind solche Instrumente.
Zwar findet das Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit nach Artikel 5 Absatz 2 GG grundsätzlich seine Schranke in den allgemeinen Gesetzen, u.a. den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der persönlichen Ehre und von Urheberrechten. Die entsprechenden grundrechtsbeschränkenden Strafvorschriften müssen ihrerseits allerdings im Lichte des beschränkten Grundrechts ausgelegt und angewandt werden, damit dessen wertsetzende Bedeutung auch auf der Rechtsanwendungsebene zur Geltung kommen kann (vgl. BVerfG Beschluss vom 26.06.1990 – 1 BvR 1165/89).
Bei der Beurteilung von nicht in jeder Hinsicht eindeutigen „Äußerungen/Veröffentlichungen“ sind zunächst alle möglichen Bedeutungen durch Auslegung der Aussage unter Berücksichtigung des Kontextes zu ermitteln.
„Maßgeblich für die Deutung ist weder die subjektive Absicht des sich Äußernden noch das subjektive Verständnis der von der Äußerung Betroffenen, sondern der Sinn, den sie nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Durchschnittspublikums hat.“ (BVerfG, Beschluss vom 25.10.2005 – 1 BvR 1696/98 für einen zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch).
Zunächst einmal steht bei der hier vorzunehmenden Gesamtbetrachtung fest, dass der Beschuldigte die Facebook-Seite in ihrer Gesamtheit erstellt hat – entweder indem er ein bereits von Dritten in der dargestellten Art verfremdetes Plakat fotografiert und dieses dann kommentiert hat oder indem er auch die Verfremdung des Plakats selbst vorgenommen hat. Jedenfalls offenbart er sich selbst, wenn auch nicht namentlich, als Urheber der gesamten Facebook-Seite. Vor diesem Hintergrund erschließt sich die Facebook-Seite dem Betrachter als vom Beschuldigten erstelltes Werk: „Fake“, „Provokation“, „Satire“ – wie man es auch nennen will. Dies gilt umso mehr, wenn der Nutzer weiß, dass Beschuldigte Geschäftsführer des Hammer Kreisverbandes der Partei Die Linke ist, wie die Nutzerin N.
Betrachtet nun ein unvoreingenommener Betrachter die Facebook-Seite, erkennt er, dass sich ein Tierfreund – eventuell aus parteipolitischem Wahlkampfkalkül und vielleicht auch nur scheinbar – über den Antrag der Jungen Liberalen aufregt und sich mit der Anzeigeerstatterin einen üblen Scherz erlaubt, indem er sie mit dieser weder bei den Jungen Liberalen noch in der FDP diskussionswürdigen Außenseiterforderung in Verbindung bringt und das alles auch noch unter Benutzung ihres Bildes. Primär bezieht sich die Aussage allerdings nicht auf die Anzeigeerstatterin, sondern soll wohl die Meinung des Beschuldigten ausdrücken, dass die FDP als Partei nicht ernst zu nehmen ist.
Diese Einbindung der Anzeigeerstatterin in die Gesamtdarstellung stellt indes noch keine Beleidigung dar.
Auch wenn die durch das Bundesverfassungsgericht zur unzulässigen und damit strafbaren Schmähkritik entwickelten Grundsätze hier wohl nicht direkt Anwendung finden, weil es sich bei dem vom Beschuldigten ausgewählten Thema mangels Relevanz nicht wirklich um eine die Öffentlichkeit wesentlich berührende Frage handelt, ist der Sachverhalt doch im kommunalpolitischen Wahlkampf zu verorten und nicht losgelöst von politscher Auseinandersetzung zu betrachten. Bei Würdigung dieser Gesamtumstände liegt insgesamt gesehen noch keine Herabwürdigung der Anzeigeerstatterin gemäß § 185 StGB vor. In der politischen und öffentlichen Auseinandersetzung ist eine Schmähkritik oder Beleidigung dadurch gekennzeichnet, dass nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache sondern die Herabwürdigung der Person im Vordergrund steht (BVerfG Beschluss vom 26.06.1990 – 1 BvR 1165/89).
Unter diesem Gesichtspunkt wird die Zeugin P durch die Facebook-Seite nicht beleidigt. Es soll in der Sache provoziert und die Konkurrenzpartei kritisiert werden. Die Anzeigeerstatterin als Person wird nicht direkt angesprochen.
So hat der Beschuldigte ihren Namen aus der Collage entfernt, ihr Gesicht mit dem beschriebenen Balken versehen und damit die Aussage weitgehend von der Person der Anzeigeerstatterin entkoppelt und alle Aussagen auf die Partei „FDP“ bezogen, deren Logo in der Collage erhalten blieb, indem er die Worte „Wir treten dafür ein…“ verwandt hat.
Die Veröffentlichung ist stellt aber auch noch keine Verleumdung oder üble Nachrede dar.
Sie enthält zwar objektiv gesehen durch Mitteilungen von Halbwahrheiten und durch willkürliche Zusammenstellung dieser Informationen, auch unzutreffende Tatsachen, was sich durch die Aussage „Das ist kein Witz. […]“ und die dann folgenden Ausführungen ergibt. Diese Aussagen sind einerseits, dass die FDP als Partei das Schlachtverbot für Hunde und Katzen aufheben will, aber auch, dass auch die Anzeigeerstatterin als Spitzenkandidatin diese Position vertritt, was durch ihre durch den schwarzen Balken gerade nicht unkenntlich gemachte Abbildung auf dem Wahlplakat und den Text „Wir treten dafür ein…“ verdeutlicht wird.
Vor diesem Hintergrund lässt sich auch nicht mit der für eine Eröffnung des Hauptverfahrens erforderlichen Sicherheit feststellen, dass der Beschuldigte bezüglich einer Beleidigung oder Verleumdung der Anzeigeerstatterin vorsätzlich – bedingter Vorsatz reicht aus – gehandelt hat.
Sollten sich mehrere – sowohl strafrechtlich zu beanstandende als auch strafrechtlich nicht zu beanstandende Verständnismöglichkeiten ergeben, kann ein strafbarer Inhalt nur dann festgestellt werden, wenn eindeutig festgestellt werden kann, dass mit der Abgabe der Äußerung, zumindest auch die strafrechtlich relevante Variante bewusst verwirklicht werden sollte. Ein Indiz dafür, dass der Beschuldigte die Anzeigeerstatterin mit seiner Facebook-Seite nicht beleidigen wollte, ist das Nachtatverhalten des Beschuldigten – nämlich die Herausnahme der Fotomontage noch am selben Tag, an dem er das Schreiben von Rechtsanwalt E vom 22.04.2014 erhalten hat – auch wenn dieses Indiz natürlich aussagekräftiger gewesen wäre, wenn er die geforderte Unterlassungsverpflichtungserklärung abgegeben hätte.
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