Das Landgericht Bonn (9 O 163/14) hat sich – überraschend Lebensnah – mit der Frage der Schuld bei der Verwendung einer Fotografie auseinandergesetzt. Dabei erkannte das Landgericht, dass der Beklagte ohne Schuld eine Portraitfotografie zur Werbung genutzt hat und somit kein Schadensersatzanspruch im Raum steht.
Sachverhalt
Das Szenario ist bei mir Alltag: Ein Händler bekommt Werbematerial vom Hersteller zur Verfügung gestellt und (oh Wunder) benutzt das auch. Irgendwann später dann meldet sich der Fotograf oder – wie hier – das abgebildete Model und verlangt Geld weil das Bild ohne Nutzungsrecht verwendet wurde. Im vorliegenden Fall waren dabei ursprünglich Rechte an den Hersteller, auch zur Unterlizenzierung, eingeräumt wurden. Diese waren aber zeitlich befristet und die Frist war zwischenzeitlich abgelaufen.
Hohe Anforderungen
Das Gericht verweist auf die hohen Anforderungen die grundsätzlich gelten:
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entfällt ein Verschulden des unberechtigten Verwenders eines Fotos nur unter ganz besonderen Umständen (BGH, Urteil vom 14.04.1992, VI ZR 285/91). Grundsätzlich muss jemand, der das Bildnis einer anderen Person eigennützig veröffentlichen bzw. verwenden will besonders gründlich prüfen, ob und inwieweit er dazu befugt ist (vgl. BGH aaO, m.w.N.). Dieser Prüfungspflicht genügt er im Regelfall nicht schon dadurch, dass er das Foto von einem Berufsfotografen oder einer Presse bzw. Werbeagentur erwirbt; gerade in solchen Fällen kann vielmehr Anlass zu besonderer Nachfrage bestehen.
Grundsätzlich muss man mit der Annahme eines mangelnden Verschuldens sehr zurückhaltend sein.
Aber: Ausnahme
Diese hohen Anforderungen existieren tatsächlich, werden von den Landgerichten aber gerne etwas überzogen. So weist das LG Bonn zu Recht darauf hin, dass der BGH hier Brücken baut:
Der Bundesgerichtshof hat aber in der genannten Entscheidung für einen Fall, in welchem der Beklagte das Bild des Klägers nicht von dem Fotografen oder von einer Agentur, sondern von ihrem Einkaufsverband zu gesandt bekommen hatte, ein Verschulden verneint. Im vorliegenden Fall geht es sogar nicht einmal um die Verwendung eines bisher nicht vom Berechtigten lizenzierten Bildes, sondern lediglich um die Weiterverwendung eines ursprünglich mit Zustimmung des Berechtigten gemäß § 22 KUG verwendeten Bildes nach Ablauf der Lizenzierungszeit, ohne dass der Verwender positiv die Lizenzierungszeit gekannt hat. Insoweit besteht ein erheblicher Unterschied zu den bisher von der Rechtsprechung entschiedenen „Standardfällen“, in denen der Verwender von Anfang an keine Zustimmung zur gewerblichen Nutzung des Bildes gab und dies der Verwender auch wissen musste bzw. ohne Weiteres konnte.
Und hier setzt das Landgericht an: Es sieht gerade kein Verschulden, denn der Vertrauenstatbestand für den Händler war ausreichend. Darüber hinaus kommt zu Gute, dass der Händler als Schuhhändler gar keine Ahnung vom Urheberrecht und Model-geschäft hat:
Dass die Beklagte als Betreiberin eines einzelnen Schuhgeschäfts die im Model- bzw. Werbegeschäft übliche Praxis nicht kannte bzw. aus der jährlichen Übersendung bzw. möglichen Übersendung von neuem Werbematerial nicht den Schluss zog, dass die Firma N die entsprechenden Modelbildnisse immer nur begrenzt auf ein Jahr lizenzierte, war nach dem Maßstab der im Verkehr objektiv gebotenen Sorgfalt nicht fahrlässig, auch nicht leicht fahrlässig.
Somit fiel dann am Ende die Grundlage für Schadensersatz weg. Aber meine Einschätzung: Das Landgericht Köln hätte diesen Fall anders entschieden – ich denke, die meisten Landgerichte würden den üblichen sehr hohen Maßstab anlegen.
Kein Bereicherungsanspruch
Sehr interessant wird es auch, wenn es um den Bereicherungsanspruch geht: So könnte man (wie üblich) die Auffassung vertreten, dass der Händler hinsichtlich der werbemäßigen Verwendung der Fotografie des Models ja um die üblichen Honorarsätze bereichert war. Auch das lehnt das Gericht ab:
Die Beklagte ist durch die Verwendung des Bildes des Klägers nach Ablauf der Lizenzierungszeit nicht objektiv bereichert worden, weil derselbe Werbeeffekt, der zugunsten der Beklagten durch die Verwendung des Bildes des Klägers eingetreten ist, alternativ kostenfrei durch Verwendung neueren Werbematerials mit den Bildern anderer Fotomodelle möglich gewesen wäre und hypothetisch auch erfolgt wäre, wenn die Beklagte Kenntnis von der fehlenden (Weiter-)Nutzungsberechtigung gehabt hätte.
Das liest sich zwar nett, allerdings ist die Frage ob der Händler ein alternatives Foto hätte verwenden können ohne Bedeutung für die Frage, ob er konkret durch die Verwendung dieses speziellen Fotos bereichert war. An der Stelle fällt es mir doch recht schwer, dem Landgericht Bonn zu folgen.
Fazit: Es gibt nichts, was es nicht gibt. Die Entscheidung ist m.E. dem Einzelfall geschuldet und sollte auf keinen Fall als allgemeine Richtschnur aufgefasst werden.
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