Die digitale Überwachung durch Spionage-Apps wirft einen dunklen Schatten auf den technologischen Fortschritt. Ursprünglich als Werkzeuge für besorgte Eltern beworben, die das Online-Verhalten ihrer Kinder im Blick behalten möchten, hat sich ein lukrativer Markt für heimliche Überwachung entwickelt – häufig mit verheerenden Folgen für Opfer, insbesondere Frauen in Beziehungen. Netzpolitik konnte einen Blick auf das konkrete Geschäftsmodell werfen – und es sollte eine Mahnung für alle sein, ihre Smartphones besser im Griff zu haben (dazu auch der Bericht bei Tagesschau).
Mechanik digitaler Überwachung
Spionage-Apps wie mSpy werben mit einer beeindruckenden Bandbreite an Funktionen: Von der Überwachung von Chatnachrichten und der Standortverfolgung bis hin zur Fernsteuerung von Mikrofon und Kamera – ein Smartphone wird so zur perfekten Wanze. Ein geleakter Datensatz, der 3,6 Millionen Kundenanfragen umfasst, belegt die massive Nutzung solcher Tools, darunter Tausende Anfragen aus Deutschland. Die meisten davon drehen sich nicht um die Überwachung von Kindern, sondern um die heimliche Kontrolle von Partner:innen.
Die Installation ist zwar technisch anspruchsvoll, da sie direkten Zugriff auf das Zielgerät erfordert, aber auch hierbei bieten die Anbieter umfassende Unterstützung – trotz der illegalen Natur vieler dieser Überwachungsaktivitäten. Der Kundenservice gibt offen Tipps, wie man Spuren der App verwischt und Überwachung unbemerkt durchführt. Dies unterstreicht, wie wenig Skrupel diese Branche zeigt.
Was ist Spyware?
Spyware ist eine Form von Malware, die heimlich auf Geräten installiert wird, um persönliche Informationen auszuspähen und an Dritte weiterzugeben. Diese Software kann Kennwörter, Bankdaten, Standortdaten und andere sensible Informationen sammeln. Besonders perfide ist die sogenannte Stalkerware, eine Unterkategorie von Spyware, die speziell dafür entwickelt wurde, Personen heimlich zu überwachen. Diese Software findet häufig in Beziehungen Anwendung, um Partner:innen auszuspionieren, und nutzt dafür Funktionen wie Standortverfolgung, Zugriff auf Nachrichten und Fernaktivierung von Mikrofonen oder Kameras.
Die Verbreitung von Spyware erfolgt oft über manipulierte App-Installationen, Phishing-E-Mails oder Sicherheitslücken in Betriebssystemen. Besonders Smartphones sind Ziel solcher Angriffe, da sie eine Fülle sensibler Daten enthalten und für viele Menschen unverzichtbar sind. Die Auswirkungen reichen von finanziellen Schäden bis hin zu massiven Eingriffen in die Privatsphäre.
So erkennt man Spionage-Apps
Auch wenn Spionage-Apps oft als unsichtbar beworben werden, gibt es einige Anzeichen, die auf eine mögliche Überwachung hinweisen können:
- Höherer Datenverbrauch: Eine Überwachungs-App sendet Daten an den Spionierenden. Ein unerklärlich hoher Datenverbrauch kann ein Warnsignal sein.
- Schneller leer werdender Akku: Spionage-Apps nutzen Ressourcen im Hintergrund, was zu einer deutlich kürzeren Akkulaufzeit führen kann.
- Ungewöhnliche App-Berechtigungen: Überprüfe die Datenschutz– und Berechtigungseinstellungen. Besonders Apps, die Zugriff auf Kamera, Mikrofon oder Standort haben, ohne dass dies offensichtlich erforderlich ist, können verdächtig sein.
- Unbekannte Apps: Spionage-Apps tarnen sich oft mit unverfänglichen Namen. Eine regelmäßige Überprüfung der installierten Apps kann helfen, solche Programme zu identifizieren.
- Manipulierte Geräte-Software: Manche Spionage-Apps benötigen „Root“- oder „Jailbreak“-Zugriffe. Eine App wie „Root Checker“ kann dabei helfen, dies zu erkennen. Zudem kann eine Banking-App anzeigen, ob das Betriebssystem verändert wurde.
Schutzmaßnahmen gegen Spionage-Apps
Um sich vor Überwachungs-Apps zu schützen, sollten folgende Schritte unternommen werden:
- Software und Betriebssystem aktualisieren: Sicherheitsupdates können Schwachstellen schließen, die Spionage-Apps ausnutzen.
- Zugangsdaten sicher verwahren: PIN-Codes, Passwörter und Entsperrmuster niemals teilen.
- Barrierefreiheitseinstellungen überprüfen: Stalkerware nutzt oft diese Funktionen. Entziehe allen unbekannten Apps entsprechende Berechtigungen.
- Gerät zurücksetzen: Bei Verdacht auf eine Infektion kann das Zurücksetzen auf Werkseinstellungen helfen, allerdings gehen dabei alle Daten verloren.
- Vertrauenswürdige Sicherheitssoftware nutzen: Tools wie das „Mobile Verification Toolkit“ von Amnesty International können Spionage-Apps aufspüren.
Der Einsatz von Spionage-Apps als strafrechtlich relevante Handlung
Der Einsatz von Spionage-Apps wie mSpy ist nicht nur ein massiver Eingriff in die Privatsphäre der betroffenen Personen, sondern in vielen Fällen auch eine strafrechtlich relevante Handlung. Bereits die Installation einer solchen App ohne das Wissen oder die Zustimmung des betroffenen Geräteeigentümers kann mehrere Straftatbestände erfüllen:
- Ausspähen von Daten (§ 202a StGB): Wenn Spionage-Apps durch unbefugte Nutzung von Zugangsdaten installiert werden, liegt eine Strafbarkeit nach § 202a StGB vor. Dieser Tatbestand erfasst das Verschaffen von Zugang zu besonders gesicherten Daten, die gegen unberechtigten Zugriff geschützt sind.
- Datenveränderung (§ 303a StGB): Selbst wenn keine Zugangssicherung im Sinne von § 202a StGB überwunden werden muss, erfüllt das heimliche Installieren einer Spionage-App regelmäßig den Straftatbestand der Datenveränderung. Nach § 303a StGB ist es strafbar, Daten unbefugt zu verändern, zu löschen oder unbrauchbar zu machen. Die Installation einer App, die das Gerät ohne Zustimmung des Nutzers manipuliert, fällt klar unter diesen Tatbestand.
- Stalking und Verletzung der Privatsphäre: Abhängig von der Nutzung der durch die App erlangten Daten können auch weitere Straftatbestände wie Stalking (§ 238 StGB) oder die Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes (§ 201 StGB) erfüllt sein. Dabei ist zu sehen, dass im Jahr 2021 der §238 StGB geändert wurde gerade um Cyberstalking besser zu erfassen.
- Beihilfe durch Anbieter: Auch die Anbieter solcher Apps können strafrechtlich belangt werden, wenn sie wissentlich dabei helfen, die App für illegale Zwecke einzusetzen. Nach § 27 StGB (Beihilfe) machen sich Personen oder Unternehmen strafbar, die eine Haupttat fördern oder ermöglichen.
Überwachung am Arbeitsplatz und arbeitsrechtliche Aspekte
Auch im Arbeitsrecht ist der Einsatz von Überwachungssoftware wie Spionage-Apps hochproblematisch und potenziell rechtswidrig. Nach der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) und dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) ist die Verarbeitung personenbezogener Daten von Beschäftigten nur unter bestimmten Bedingungen erlaubt. Arbeitgeber müssen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren und dürfen nur solche Maßnahmen einsetzen, die für einen legitimen Zweck erforderlich sind.
- Anlassbezogene Überwachung: Die Überwachung von Beschäftigten ist nur dann zulässig, wenn ein konkreter Verdacht auf eine Straftat oder eine schwerwiegende Pflichtverletzung vorliegt. Eine anlasslose Überwachung, wie sie durch Keylogger oder umfassende Spionage-Apps möglich wäre, stellt einen unzulässigen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer dar. So hat beispielsweise das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden, dass der Einsatz eines Keyloggers ohne konkreten Verdacht rechtswidrig ist.
- Transparenz und Information: Beschäftigte müssen über jede Form der Überwachung informiert werden. Heimliche Maßnahmen sind in der Regel unzulässig. Dies gilt insbesondere für Software, die umfangreiche Daten wie Tastatureingaben, Browserverläufe oder private Kommunikationsinhalte erfasst.
- Grenzen der Überwachung: Selbst bei berechtigtem Interesse des Arbeitgebers dürfen nicht mehr Daten erfasst werden, als zur Erreichung des Zwecks erforderlich ist. Eine umfassende Überwachung, die ein vollständiges Profil der Aktivitäten eines Arbeitnehmers erstellt, ist unverhältnismäßig und rechtswidrig.
- Verbot privater Nutzung und Einschränkungen: Arbeitgeber können die private Nutzung von Betriebsmitteln wie Computern oder Smartphones untersagen. In solchen Fällen kann eine Überwachung zulässig sein, jedoch nur in einem klar definierten und verhältnismäßigen Rahmen. Auch hier müssen die Grundrechte der Beschäftigten gewahrt bleiben.
Die Missachtung dieser Grundsätze kann schwerwiegende Konsequenzen nach sich ziehen – sowohl zivilrechtliche als auch strafrechtliche. Arbeitgeber sollten daher sorgfältig prüfen, ob mildere Mittel zur Verfügung stehen, bevor sie Überwachungssoftware einsetzen.
Digitale Gewalt als Teil eines größeren Gewaltkreislaufs
Die heimliche Überwachung mittels Apps wird häufig als digitale Gewalt oder „Tech Abuse“ bezeichnet und steht oft im Zusammenhang mit anderen Formen häuslicher Gewalt. Studien zeigen, dass Täter:innen diese Form der Kontrolle nicht isoliert ausüben, sondern sie mit physischer, psychischer oder sexueller Gewalt kombinieren. Leonie Tanczer, Forscherin am University College London, beschreibt digitale Gewalt als Erweiterung eines bereits bestehenden Machtgefälles.
Erschreckend ist, wie stark die Betroffenen in ihrem Alltag eingeschränkt werden. Beispiele aus den Recherchen belegen, dass Überwachte oft völlig im Dunkeln tappen, wie ihre Bewegungen oder Gespräche bekannt werden konnten. In Fällen wie dem von Ulla*, die jahrelang von ihrem Partner kontrolliert wurde, verstärken solche Maßnahmen die Isolation und das Gefühl der Machtlosigkeit.
Rechtliche Grauzonen und gesellschaftliche Herausforderungen
Die Rechtslage ist klar: Das Ausspähen von Daten, das Abhören von Gesprächen oder das Überwachen von Standorten ohne Zustimmung der Betroffenen ist strafbar. Dennoch bleibt die Aufklärung solcher Fälle schwierig. Täter:innen nutzen oft technische Tricks, um Spuren zu verwischen, oder üben Druck auf die Opfer aus, keine rechtlichen Schritte einzuleiten. Hinzu kommt, dass Betroffene, die sich wehren wollen, oft vor der Hürde stehen, ihre Geräte zur Beweissicherung abzugeben – ein schmerzhafter Eingriff in den Alltag, der viele davon abhält, Anzeige zu erstatten.
Eine weitere Herausforderung ist der vermeintlich „legale“ Einsatz solcher Apps durch Eltern. Zwar wird häufig argumentiert, die Überwachung diene dem Schutz der Kinder, doch auch hier geraten grundlegende Rechte wie das auf informationelle Selbstbestimmung in Gefahr. Zudem riskieren Eltern, durch die Überwachung ihrer Kinder auch die Kommunikation unbeteiligter Dritter zu erfassen – was wiederum strafrechtliche Konsequenzen haben kann.
Die Schattenseite der Industrie
Neben den moralischen und rechtlichen Problemen zeigt der Fall mSpy auch die strukturellen Schwächen dieser Branche. Die Anbieter agieren oft aus undurchsichtigen Netzwerken heraus, hinter denen Briefkastenfirmen und Tarnidentitäten stecken. Gleichzeitig sind die Apps selbst häufig schlecht gesichert, wodurch Kundendaten und Überwachungsinformationen immer wieder Opfer von Hacks werden. Die Datenlecks der vergangenen Jahre – darunter drei schwere Sicherheitsvorfälle bei mSpy – zeigen, wie wenig Wert auf den Schutz der Nutzer:innen und ihrer „Zielpersonen“ gelegt wird.
Der Einsatz von Spionage-Apps mag auf den ersten Blick verlockend erscheinen, um Kontrolle auszuüben oder vermeintliche Gewissheit zu erlangen – doch die rechtlichen Konsequenzen sind gravierend. Bereits die Installation ohne Zustimmung des Betroffenen erfüllt Straftatbestände wie das Ausspähen von Daten (§ 202a StGB) oder die Datenveränderung (§ 303a StGB). Solche Taten können nicht nur zu empfindlichen Strafen führen, sondern auch die persönlichen und beruflichen Existenzen zerstören. Als Strafverteidiger im Bereich Cybercrime rate ich dringend davon ab, diesen Weg zu gehen. Was als vermeintlicher Vorteil erscheint, endet oft in einer strafrechtlichen Sackgasse.
Fazit: Dringender Bedarf an Aufklärung – und Regulierung (?)
Die Enthüllungen rund um mSpy verdeutlichen, wie dringend eine gesellschaftliche Debatte über digitale Gewalt und den Missbrauch von Technologie ist. Es braucht stärkere Regulierungen, die nicht nur den Vertrieb solcher Apps eindämmen, sondern auch präventiv wirken. Ebenso wichtig ist es, Opfer zu ermutigen, sich zu wehren, und ihnen dabei die notwendige Unterstützung zukommen zu lassen.
Gleichzeitig stellt sich eine tiefere Frage: Welche Rolle spielt Vertrauen in einer digitalen Welt? Der Missbrauch von Spionage-Apps zeigt, wie fragil es ist – und wie gefährlich es wird, wenn technologische Macht in die falschen Hände gerät.
- Urheberrecht und Werknachahmung: Künstler imitiert anderen Künstler - 6. Februar 2025
- Kein Schadensersatz für beschädigtes Gemälde – Kunstmarkt und Haftungsfragen im Fokus - 6. Februar 2025
- Generative KI als Waffe: Wie Staaten GenAI für Cyberkriminalität nutzen - 5. Februar 2025