OLG Köln zu Innenraumfotos des Kölner Doms

Urheberrecht, Eigentum und Schadensersatz im Lizenzrahmen: Die kommerzielle Verwertung von Fotografien aus dem Inneren des Kölner Doms durch eine Fotoagentur war Anlass für eine differenzierte Entscheidung des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln (Urt. v. 23.5.2025 – 6 U 61/24). Die Entscheidung präzisiert dogmatisch tragfähige Maßstäbe zur Abgrenzung von urheberrechtlichen und eigentumsrechtlichen Positionen, zur Berechnung von Schadensersatz nach der Lizenzanalogie und zur Haftung von Plattformbetreibern bei struktureller Rechtsverletzung.

Sachverhalt

Fotografien, Eigentum und digitale Vermarktung: Die Klägerin, Eigentümerin des Kölner Doms, stellte fest, dass auf der Website einer von den Beklagten betriebenen Bildagentur 236 Lichtbilder zur gewerblichen Lizenzierung angeboten wurden, die ohne ihre Zustimmung im Innenraum der Kathedrale aufgenommen worden waren. Die Fotografien entstanden teilweise anlässlich besonderer Veranstaltungen und zeigten u.a. das sogenannte „B.-Fenster“, ein von Prof. B. gestaltetes Glasfenster. Bereits in einem vorangegangenen Urteil (siehe unten) war den Beklagten die Lizenzierung dieser Bilder untersagt worden.

Im Folgeprozess verlangte die Klägerin:

  • Schadensersatz von mindestens 100.000 EUR für die kommerzielle Verwertung der 236 Lichtbilder aus dem Vorverfahren,
  • zusätzlichen Schadensersatz für 9 neue Bilder, die 2023 entdeckt worden waren,
  • Ersatz für die rechtswidrige Verwertung der Darstellung des „B.-Fensters“ im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft für Prof. B.,
  • Auskunft über die Dauer der Verwertung,
  • sowie vorgerichtliche Anwaltskosten.

Die Beklagten gaben nur eingeschränkt Auskunft, sprachen von minimalen Umsätzen und bestritten das Vorliegen einer Rechtsverletzung. Das Landgericht Köln gab der Klage im Wesentlichen statt, korrigierte jedoch die Schadenshöhe nach unten. Beide Seiten legten Berufung ein.

Rechtliche Würdigung des OLG Köln

I. Anspruchsgrundlagen: Eigentumsrecht und Urheberrecht

Das OLG bestätigte zunächst die Aktivlegitimation der Klägerin: Als Eigentümerin des Doms könne sie bei unbefugter gewerblicher Nutzung von im Dom angefertigten Bildern auf § 823 Abs. 1 BGB gestützte Schadensersatzansprüche geltend machen. Dies gelte auch für neue, erst 2023 entdeckte Bilder.

Hinsichtlich der Darstellung des „B.-Fensters“ erkannte der Senat eine Verletzung des Vervielfältigungs- und öffentlichen Zugänglichmachungsrechts nach §§ 15, 16, 19a UrhG an. Die Klägerin war auf Grundlage eines Nutzungsrechtsvertrags sowie einer Prozessstandschaftserklärung berechtigt, für Prof. B. vorzugehen. Dass es sich beim „B.-Fenster“ um ein schutzfähiges Werk i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG handelt, war zwischen den Parteien unstreitig. Auch der Versuch der Beklagten, sich auf § 57 UrhG (unwesentliches Beiwerk) zu berufen, scheiterte: Das Fenster sei auch im Hintergrund prägend und inhaltlich bezogen auf das Motiv der Fotografie.

II. Was gefordert wurde – und was zugesprochen wurde

Die Klägerin forderte für die bereits 2022 verurteilten 236 Bilder sowie drei neue Lichtbilder zusammen einen Mindestschadensersatz von 102.414 EUR. Für die neun Bilder des „B.-Fensters“ machte sie zusätzlich 104.500 EUR geltend. Zusammengerechnet belief sich die Klageforderung somit auf rund 206.914 EUR zuzüglich Zinsen und Nebenforderungen.

Zugesprochen wurden hingegen:

  • 24.772 EUR für die unbefugte Verwertung der 236 plus 3 neuen Lichtbilder (Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB),
  • 9.960 EUR für die Nutzung der neun Lichtbilder mit dem „B.-Fenster“ (Anspruch aus § 97 UrhG),
  • sowie 2.176,27 EUR an vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten,
  • und ein differenzierter Auskunftsanspruch.

III. Schadenshöhe: Anwendung der Lizenzanalogie

Das Gericht schätzte die Höhe des zu ersetzenden Schadens unter Anwendung der Grundsätze der Lizenzanalogie nach § 287 ZPO. Maßgeblich war nicht, ob eine tatsächliche Lizenzierung stattgefunden hätte, sondern welche objektiv angemessene Vergütung bei rechtmäßigem Verhalten vereinbart worden wäre.

Statt auf die Gruppe A der Tarife der VG Bild-Kunst („Werbliche Nutzung“) zurückzugreifen, die die Klägerin präferierte, stellte das Gericht auf die Gruppe D ab („Nutzung durch Informationsdienste, Zeitungen, Verlage“). Diese sei strukturell näher an dem Geschäftsmodell der Beklagten, das auf die pauschale Weiterlizenzierung über Bilddatenbanken angelegt ist. Zwar bilde auch Gruppe D das Modell nicht exakt ab, sie liege jedoch am nächsten – weshalb der Senat den so ermittelten Wert verdoppelte.

Für die 9 Lichtbilder des „B.-Fensters“ ergab sich damit ein Schadensersatz von 9.960 EUR, bezogen auf Anzahl und Dauer der Nutzung (sechs Jahre bzw. ein Jahr Nutzung je nach Bild). Für die übrigen 219 Lichtbilder errechnete der Senat einen Schadensersatz von 24.772 EUR, gestützt auf einen angenommenen Zeitraum von 22 Monaten, in dem die Bilder in der Datenbank zur Lizenzierung eingestellt waren.

IV. Weitere Einwendungen

Die Beklagten wandten sich gegen die Höhe der angenommenen Lizenzgebühren und argumentierten, dass eine wirtschaftlich realistische Lizenzvereinbarung auf Grundlage der Tarife der VG Bild-Kunst gar nicht zustande gekommen wäre. Der Umsatz mit allen 236 Bildern habe sich in 19 Jahren auf lediglich 863,71 EUR belaufen. Daraus ergebe sich kein wirtschaftlich tragfähiger Wert.

Das Gericht wies diesen Einwand mit nachvollziehbarer Begründung zurück. Es betonte, dass die Schadensberechnung nach Lizenzanalogie nicht an tatsächliche Gewinne, sondern an den hypothetischen objektiven Wert der Nutzung anknüpft. Dass die Bilder tatsächlich kaum nachgefragt wurden, ändere nichts an der Exklusivität und Schutzwürdigkeit der Rechte der Klägerin bzw. von Prof. B. Zudem habe die Agentur gerade durch das Geschäftsmodell, das eine breite Unterlizenzierung ermögliche, potenziell besonders intensiv in fremde Rechte eingegriffen.

Auch das Argument, es handle sich bei den Bildern mit Dombaumeisterin C. im Vordergrund um reine redaktionelle Nutzung, die durch frühere Zustimmung gedeckt gewesen sei, ließ der Senat nicht gelten: Die ursprünglich erteilte Zustimmung habe sich nur auf redaktionelle Nutzung bezogen, nicht auf kommerzielle Lizenzierung durch Dritte.

V. Prüfpflichten und Störerhaftung

Das OLG nahm eine fahrlässige Verletzungshandlung an und betonte die eigenverantwortliche Stellung der Fotoagentur als unmittelbare Handlungsstörerin. Die Beklagte sei nicht nur technische Plattformbetreiberin, sondern gestalte durch eigenständige Lizenzierungspraxis aktiv die wirtschaftliche Verwertung der Lichtbilder. Damit greife die Haftungsprivilegierung für Host-Provider nicht. Vielmehr hätten der Agentur zumutbare Prüfpflichten oblegen, deren Verletzung zur Haftung führe. Dass ein Geschäftsmodell wirtschaftlich nur funktioniert, wenn keine Prüfpflichten existieren, könne keine Rechtfertigung bieten – vielmehr müsse die technische Ausgestaltung so erfolgen, dass Rechtsverletzungen verhindert werden können.

VI. Auskunfts- und Kostenerstattungsansprüche

Die Klägerin erhielt zudem einen Auskunftsanspruch über die Dauer der Veröffentlichung jedes einzelnen Lichtbilds – differenziert nach Kenntnisstand der jeweiligen Beklagten. Auch der Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten wurde zugesprochen, gestützt auf §§ 823 Abs. 1 BGB sowie §§ 677, 683 Satz 1, 670 BGB.

Rechtsanwalt Jens Ferner, TOP-Strafverteidiger und IT-Rechts-Experte - Fachanwalt für Strafrecht und Fachanwalt für IT-Recht

Die Rechtsprechung des OLG Köln zeigt, dass Eigentum und geistiges Eigentum im digitalen Raum keineswegs schutzlos sind. Wer fremde Räume oder Werke wirtschaftlich nutzt, muss sich auf eine Lizenzverpflichtung und sorgfältige Rechteklärung einstellen – auch dann, wenn die Nutzung in einer riesigen Bilddatenbank nur einen kleinen Teil betrifft. Andererseits muss man sehr genau auf realistischen Schadensersatz achten – wer krass zu viel fordert und am Ende nur einen Teil erhält, hat so viele Verfahrenskosten am Bein, dass sich die ganze Nummer nicht mehr rechnet (für beide Seiten).

Ergebnis

Mit seinem Urteil hat das OLG Köln einen differenzierten und rechtlich sauberen Rahmen für den Umgang mit unautorisierten Fotografien aus dem Inneren eines denkmalgeschützten Bauwerks gesetzt. Die Entscheidung überzeugt durch die klare dogmatische Herleitung von Schadensersatzansprüchen aus Eigentum und Urheberrecht, die methodisch stringente Anwendung der Lizenzanalogie sowie die Ablehnung verkürzender Argumentationslinien der Plattformbetreiber.

Fachanwalt für Strafrecht & IT-Recht bei Anwaltskanzlei Ferner Alsdorf
Rechtsanwalt Jens Ferner ist Fachanwalt für Strafrecht sowie Fachanwalt für IT-Recht und widmet sich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht - mit Schwerpunkten in Cybercrime, Cybersecurity, Softwarerecht und Managerhaftung. Er ist zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht sowie zur EU-Staatsanwaltschaft. Als Softwareentwickler ist er in Python zertifiziert und hat IT-Handbücher geschrieben.

Erreichbarkeit: Per Mail, Rückruf, Threema oder Whatsapp.

Unsere Kanzlei ist spezialisiert auf Starke Strafverteidigung, seriöses Wirtschaftsstrafrecht und anspruchsvolles IT-Recht inkl. IT-Sicherheitsrecht - ergänzt um Arbeitsrecht mit Fokus auf Managerhaftung. Von Verbrauchern werden allein Strafverteidigungen und im Einzelfall Fälle im Arbeitsrecht übernommen!
Rechtsanwalt Jens Ferner

Von Rechtsanwalt Jens Ferner

Rechtsanwalt Jens Ferner ist Fachanwalt für Strafrecht sowie Fachanwalt für IT-Recht und widmet sich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht - mit Schwerpunkten in Cybercrime, Cybersecurity, Softwarerecht und Managerhaftung. Er ist zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht sowie zur EU-Staatsanwaltschaft. Als Softwareentwickler ist er in Python zertifiziert und hat IT-Handbücher geschrieben.

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