OLG Hamm zur Begrenzung persönlicher Haftung bei Auftreten ohne Rechtsformzusatz: Die persönliche Inanspruchnahme von Geschäftsführern haftungsbeschränkter Gesellschaften gehört zu den umstrittensten Fragen im Wirtschaftsrecht. Der Beschluss des OLG Hamm vom 25. Januar 2025 (Az. 7 U 47/24) bietet in diesem Zusammenhang eine bedeutsame Klärung:
Ein Geschäftsführer einer Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt), der in einem Vertragsverhältnis auftritt, ohne den gesetzlich gebotenen Rechtsformzusatz zu führen, haftet nicht allein wegen dieser Formabweichung deliktisch für ein Fehlverhalten eines Mitarbeiters der Gesellschaft. Eine analoge Anwendung der Grundsätze der Rechtsscheinhaftung auf deliktischer Grundlage lehnt der Senat entschieden ab.
Der Fall
Gegenstand des Rechtsstreits war die Frage, ob der Geschäftsführer einer UG persönlich für einen durch einen Mitarbeiter der Gesellschaft verursachten Schaden haftet, obwohl der Vertragspartner der geschädigten Partei formal allein die Gesellschaft war. Der Geschäftsführer hatte den Untermietvertrag unterzeichnet, ohne den Zusatz „haftungsbeschränkt“ zu verwenden. Die Klägerin, ein Versicherer, machte nun geltend, der Geschäftsführer habe durch das unvollständige Auftreten die persönliche Haftung nach Rechtsscheinsgrundsätzen ausgelöst.
Das Landgericht hatte die Klage zunächst für schlüssig erachtet und den Geschäftsführer dem Grunde nach haften lassen. Das OLG Hamm erteilt dieser Argumentation jedoch eine deutliche Absage.
Rechtliche Würdigung
Zentral für die Entscheidung ist die Abgrenzung zwischen vertraglicher und deliktischer Rechtsscheinhaftung. Die Rechtsprechung erkennt an, dass ein Vertreter einer GmbH oder UG persönlich nach § 179 BGB analog haften kann, wenn er bei Vertragsschluss die beschränkte Haftung der Gesellschaft nicht kenntlich macht – etwa durch das Weglassen des Rechtsformzusatzes. Diese Form der Rechtsscheinhaftung ist jedoch auf vertragliche Beziehungen beschränkt, wie das OLG Hamm unter Rückgriff auf die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung des BGH betont (u. a. BGH, Urt. v. 13.01.2022 – III ZR 210/20).
Für deliktische Ansprüche – also etwa solche aus § 823 oder § 831 BGB – besteht keine Grundlage für eine analoge Heranziehung dieser Rechtsscheinhaftung. Der Umstand, dass ein Handelnder formwidrig auftritt, begründet allein keine Garantenstellung oder Verletzung eines deliktsrechtlich geschützten Vertrauens. Damit verweist das Gericht die Versuche einer deliktsrechtlichen Durchgriffshaftung auf ihre legitimen Schranken.
Der Schaden wurde zudem unstreitig nicht durch den Geschäftsführer selbst, sondern durch einen Mitarbeiter der Gesellschaft verursacht. Eine Zurechnung über § 831 BGB scheiterte daran, dass kein Auswahl- oder Überwachungsverschulden des Geschäftsführers dargetan war.
Kein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter
Auch eine Inanspruchnahme über die Figur des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter schloss das OLG aus. Die Klägerin, vertreten durch ihren Versicherungsnehmer (den Vermieter), berief sich auf einen Untermietvertrag, in dem die UG als Mieterin auftrat. Sie sah sich als Dritte in den Schutzbereich dieses Vertrags einbezogen, da der durch den Mitarbeiter verursachte Schaden im Mietobjekt eingetreten war.
Das OLG Hamm stellte klar, dass ein Vermieter grundsätzlich nicht in den Schutzbereich eines Untermietvertrags einbezogen wird. Maßgeblich ist dabei, dass weder eine hinreichende Leistungsnähe noch ein erkennbares Einbeziehungsinteresse gegeben war. Die Versicherung des Vermieters hatte mit dem Mietverhältnis der Unterparteien weder rechtlich noch faktisch einen Bezug, der einen Schutzbedarf begründen könnte. Vielmehr hätte der Vermieter (bzw. seine Versicherung) eigene vertragliche Regelungen mit dem Hauptmieter oder zusätzliche Sicherheiten vereinbaren müssen, wenn ein solches Schutzbedürfnis bestanden hätte.
Die Entscheidung hat erhebliche Bedeutung für die Praxis, da sie einer zunehmenden Tendenz entgegenwirkt, Geschäftsführer durch weite Auslegung zivilrechtlicher Haftungskonstruktionen persönlich in Anspruch zu nehmen. Zugleich zeigt sie, dass formale Mängel im Rechtsverkehr – wie das Weglassen des Rechtsformzusatzes – nur dort haftungsrechtliche Folgen haben dürfen, wo tatsächlich ein schutzwürdiges Vertrauen auf persönliche Haftung entstanden ist. Im Bereich deliktischer Ansprüche reicht der Rechtsschein dafür nicht aus.
Resümee
Der Beschluss des OLG Hamm markiert eine konsequente dogmatische Trennung zwischen vertraglicher und deliktischer Sphäre. Er lehnt es ab, Rechtsscheinhaftung auf bloßer deliktischer Grundlage zu bejahen, und stellt klar, dass das bloße Fehlen des Rechtsformzusatzes bei Unterzeichnung eines Vertrages nicht zur persönlichen Haftung des Vertreters führt – jedenfalls nicht im Deliktsrecht. Damit bewahrt das Gericht die funktionale Eigenständigkeit der Unternehmergesellschaft als haftungsbeschränkte Kapitalgesellschaft und schützt deren Vertreter vor einer unzulässigen Durchgriffshaftung.
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