IT-Forensik bei Cybervorfällen: Leitfaden für das Management

Cybervorfälle, sei es durch externe Angreifer oder durch eigene Mitarbeiter, stellen Unternehmen vor immense Herausforderungen. Neben der Sicherstellung der Geschäftsprozesse ist insbesondere die forensische Aufarbeitung solcher Vorfälle essentiell, um Schäden zu minimieren, Täter zu identifizieren und rechtssichere Beweise zu sammeln. Die bewegt sich jedoch in einem hochkomplexen rechtlichen Umfeld. Unternehmen müssen rechtliche Anforderungen und technische Möglichkeiten eng verzahnen, um nicht nur Sicherheitslücken zu schließen, sondern auch in möglichen gerichtlichen Auseinandersetzungen bestehen zu können.

Die drängenden Fragen lauten: Wie können Vorfälle aufgeklärt, Täter identifiziert und gleichzeitig alle rechtlichen Anforderungen erfüllt werden? Die IT-Forensik bietet hier wesentliche Werkzeuge, ist aber keine rein technische Disziplin. Vielmehr erfordert sie ein präzises Zusammenspiel von Technik, Recht und organisatorischen Maßnahmen. Vor allem das Management steht in der Verantwortung, ein Umfeld zu schaffen, in dem IT-forensische Maßnahmen effektiv und rechtssicher umgesetzt werden können – idealerweise bevor der Ernstfall eintritt. Dieser Beitrag beleuchtet die rechtlichen Aspekte der IT-Forensik von der Bedrohungsanalyse bis zur gerichtsfesten Beweissicherung.

Bedrohungsszenarien: Externe Bedrohungen und Innentäter

Die Bedrohungen, denen Unternehmen ausgesetzt sind, lassen sich grob in zwei Kategorien einteilen: Angriffe von außen und Aktionen von innen. Externe Angriffe wie Ransomware, -Kampagnen oder die gezielte Infiltration durch Advanced Persistent Threats (APTs) sind besonders spektakulär, da sie meist auf die Zerstörung oder den kritischer Daten abzielen. Hier ist es Aufgabe der IT-Forensik, die Täter zu identifizieren und die Angriffsmuster zu analysieren, um zukünftige Angriffe abwehren zu können.

Nicht weniger gefährlich sind aber auch Innentäter. Unzufriedene Mitarbeiter, ausscheidende Führungskräfte oder externe Dienstleister mit Zugang zu sensiblen Systemen können ebenso großen Schaden anrichten. Untersuchungen zeigen, dass ein erheblicher Teil aller wirtschaftskriminellen Vorfälle auf das Konto von Innentätern geht. Das Spektrum reicht dabei von bewusster Sabotage über Datendiebstahl bis hin zu fahrlässigem Verhalten, das Sicherheitslücken schafft. Während externe Angriffe häufig technische Gegenmaßnahmen erfordern, sind bei Innentätern auch psychologische und organisatorische Aspekte von großer Bedeutung.

IT-Forensik bei Cybervorfällen: Leitfaden für das Management - Rechtsanwalt Ferner

Ich bin in diesem Bereich beratend tätig und halte regelmäßig Vorträge, um den Umgang mit digitalen Beweismitteln im geschäftlichen Umfeld zu erläutern – dazu kommen meine Publikationen. Dabei spielt die Thematik nicht nur mit Blick auf Hacker eine Rolle: gute digitale Beweismittel braucht man im Streit mit der nichtzahlenden ebenso wie bei Streit zwischen und Arbeitgeber.

Detaillierte rechtliche Voraussetzungen IT-forensischen Arbeitens im Betrieb

Die rechtlichen Rahmenbedingungen für die IT-Forensik sind streng. Unternehmen bewegen sich in einem Spannungsfeld zwischen , Grundrechten und arbeitsrechtlichen Vorgaben. Jede Maßnahme muss dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen: Forensische Untersuchungen dürfen nur in dem Umfang durchgeführt werden, der zur Aufklärung des Vorfalls erforderlich ist.

Der Datenschutz, insbesondere die , stellt klare Anforderungen an den Umgang mit personenbezogenen Daten. Die Verarbeitung dieser Daten muss auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen, z.B. auf der Einwilligung der Betroffenen oder der Notwendigkeit zur Wahrung berechtigter Interessen. Gleichzeitig darf die Maßnahme nicht unverhältnismäßig in die Rechte der Beschäftigten eingreifen. Heimliche Ermittlungen wie die Überwachung von IT-Nutzungsdaten sind nur ausnahmsweise zulässig, wenn ein konkreter Verdacht einer schweren Straftat besteht. Die Beschäftigten sind daher über mögliche Überwachungsmaßnahmen zu informieren, soweit dies rechtlich und tatsächlich möglich ist (Art. 13 DSGVO). Ausnahme: Der Verdacht einer Straftat rechtfertigt eng begrenzte heimliche Maßnahmen.

Die betriebliche Forensik darf nicht gegen arbeitsrechtliche Vorschriften und die gegenseitige Rücksichtnahme im Arbeitsverhältnis verstoßen. Eine klare Regelung im Arbeitsvertrag oder in Betriebsvereinbarungen ist unerlässlich, um rechtliche Konflikte zu vermeiden. Hinzu kommt die Abwägung im Einzelfall hinsichtlich konkreter Maßnahmen. Strafprozessuale Vorschriften wie § 100a können relevant werden, wenn forensische Maßnahmen strafrechtliche Ermittlungen berühren. Unternehmen sollten sich bewusst sein, dass Fehler bei der Beweissicherung, etwa durch unzureichende Dokumentation oder unrechtmäßige Zugriffe, die Verwertbarkeit von Beweisen erheblich beeinträchtigen können.

Besonderheiten bei internen Ermittlungen gegenüber Arbeitnehmern

Die IT-Forensik bei internen Ermittlungen erfordert besondere Sensibilität. Das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ist rechtlich geschützt und von gegenseitigem Vertrauen geprägt. Maßnahmen, die als Generalverdacht wahrgenommen werden, können nicht nur rechtliche Probleme verursachen, sondern auch das Betriebsklima nachhaltig schädigen.

Die heimliche Überwachung von Mitarbeitern ist rechtlich besonders heikel. Ohne konkrete Verdachtsmomente sind solche Maßnahmen unzulässig. Selbst bei einem gerechtfertigten Verdacht müssen die Eingriffe minimalinvasiv und dokumentiert sein. Der Betriebsrat spielt hierbei eine wichtige Rolle: Für viele Maßnahmen ist seine Mitbestimmung erforderlich, und Unternehmen sollten von Anfang an auf eine enge Zusammenarbeit setzen, um rechtliche und organisatorische Konflikte zu vermeiden.


Ein weiteres Problemfeld sind ehemalige Mitarbeiter, die oft Zugang zu sensiblen Informationen hatten. Hier ist ein strukturiertes Exit-Management essenziell, um sicherzustellen, dass Zugriffsrechte widerrufen und mitgenommene Daten kontrolliert werden.

Arbeitgeber haben jedenfalls ein berechtigtes Interesse, Straftaten und -Verstöße aufzuklären. Dieses Interesse muss jedoch gegen die Grundrechte der Arbeitnehmer abgewogen werden, insbesondere hinsichtlich Persönlichkeitsrechten und Datenschutz:

  1. Zulässigkeit heimlicher Maßnahmen: Diese sind nur unter engen Voraussetzungen zulässig, etwa bei einem konkreten Verdacht auf eine schwerwiegende Straftat.
  2. Beteiligung des Betriebsrats: Bei größeren Ermittlungen oder der Einführung neuer forensischer Tools ist der Betriebsrat nach § 87 BetrVG einzubeziehen.
  3. Exit-Management: Ehemalige Mitarbeiter stellen ein erhöhtes Risiko dar. Ein geregelter Umgang mit sensiblen Daten beim Austritt ist daher essenziell.

Rechtliche Hintergründe zur Chain of Custody und warum Dokumentation wichtig ist

Die Chain of Custody, also die lückenlose Nachverfolgbarkeit von Beweismitteln, ist ein unverzichtbarer Bestandteil der IT-Forensik. Sie stellt sicher, dass Beweise vor Gericht Bestand haben, indem jede Veränderung und jeder Zugriff dokumentiert wird. Ohne diese Nachvollziehbarkeit könnten Beweise als unzuverlässig oder manipuliert angefochten werden.

Im deutschen Recht gibt es keine explizite Regelung zur Chain of Custody, doch Gerichte legen großen Wert auf deren Einhaltung. Jede Maßnahme, sei es die Sicherung eines Datenträgers oder der Zugriff auf Log-Dateien, muss protokolliert werden. Unternehmen sollten hier auf standardisierte Prozesse setzen, die den Einsatz zertifizierter Tools beinhalten und die Integrität der Daten durch kryptografische Verfahren wie Prüfsummen gewährleisten.

Auch die Bedeutung der Dokumentation ist für die Beweislage nicht zu unterschätzen, insbesondere ist nach meiner Bewertung zu beachten:

  • Integrität sicherstellen: Beweise müssen manipulationsfrei bleiben.
  • Nachvollziehbarkeit: Jede Veränderung an den Beweismitteln, inklusive Zugriffen und Transfers, muss dokumentiert werden.
  • Gerichtsfeste Standards: Beweismittel können als unzulässig verworfen werden, wenn die Nachverfolgbarkeit nicht gewährleistet ist.

Wie sieht die Beweissituation in einem Gerichtssaal aus

Im Gerichtssaal zeigt sich die Qualität der IT-forensischen Arbeit. Digitale Beweise sind oft schwer zu interpretieren und können leicht manipuliert wirken, wenn die Dokumentation lückenhaft ist. Hier spielen die Aussagen von IT-Forensikern eine entscheidende Rolle. Ihre Expertise und die Nachvollziehbarkeit ihrer Arbeit sind oft ausschlaggebend dafür, ob ein Beweis als glaubwürdig angesehen wird.

Gerichte legen großen Wert auf die Wahrung von Grundrechten. Beweise, die ohne rechtliche Grundlage erhoben wurden, sind im Regelfall nicht verwertbar. Im Besonderen kann die Verwertung bestimmter Beweise problematisch sein, wenn heimliche Überwachungen ohne ausreichende Rechtsgrundlage durchgeführt wurden. Gleichzeitig wird erwartet, dass Unternehmen alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, um Beweise ordnungsgemäß zu sichern. Dies erfordert nicht nur technisches Know-how, sondern auch ein Verständnis für die rechtlichen Anforderungen. Technische Beweise sind an diesem Punkt oft komplex und für Laien schwer verständlich. Daher spielt die Aussage des IT-Forensikers als eine zentrale Rolle. Die Qualität der Dokumentation ist dabei ausschlaggebend für die Glaubwürdigkeit der Analyse.


Welche Vorbereitung sollte das Management angehen, um Beweise sicher zu erheben

Die beste Vorbereitung auf Cybervorfälle beginnt lange vor einem Angriff: Unternehmen sollten klare Prozesse definieren, die den rechtlichen und technischen Anforderungen gerecht werden. Digitale Beweise sind zudem anfällig für Manipulationsvorwürfe. Um dies zu vermeiden sollten folgende Schritte angedacht werden:

  • Einsatz von Prüfsummen und kryptografischen Methoden zur Sicherung der Beweismittel.
  • Lückenlose Protokollierung der Chain of Custody.
  • Unabhängige Gutachter, die die forensische Untersuchung validieren.

Dazu gehört, dass alle potenziellen Szenarien im Vorfeld durchgespielt und entsprechende Maßnahmen festgelegt werden. Ein Incident-Response-Plan, der auch IT-forensische Maßnahmen umfasst, ist essenziell. Regelmäßige Schulungen für Mitarbeiter und die Implementierung von Sicherheitsrichtlinien tragen dazu bei, Risiken zu minimieren. Gleichzeitig sollten Unternehmen sicherstellen, dass ihre IT-Forensik-Teams mit zertifizierten Tools und klaren Vorgaben arbeiten. Eine enge Zusammenarbeit mit juristischen Experten ist entscheidend, um sicherzustellen, dass alle Maßnahmen rechtlich abgesichert sind.

Durch diese proaktive Herangehensweise können Unternehmen nicht nur Schäden begrenzen, sondern auch sicherstellen, dass sie im Ernstfall über die notwendigen Beweise verfügen, um rechtlich und operativ handlungsfähig zu bleiben. Dabei steht ganz oben auf der Liste:

  • Einsatz zertifizierter Tools zur Beweissicherung.
  • Protokollierung aller Schritte durch ein unabhängiges Team, um Vorwürfe der Manipulation zu entkräften.

Die IT-Forensik ist ein unverzichtbares Instrument zur Aufklärung von Cyberincidents, steht jedoch vor einer Vielzahl rechtlicher Herausforderungen. Unternehmen müssen präventiv handeln, indem sie klare Richtlinien, Schulungen und technische Standards implementieren. Nur so können Beweise rechtssicher erhoben und in einem gerichtlichen Verfahren verwertet werden. Ein durchdachtes Sicherheitskonzept schützt nicht nur vor Schäden, sondern stärkt auch die rechtliche Position eines Unternehmens im Ernstfall.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften. Dabei bin ich fortgebildet in Krisenkommunikation und Compliance.

Erreichbarkeit: Per Mail, Rückruf, Threema oder Whatsapp.

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