Strafbarkeit von Ketamin

In seinem Beschluss vom 20. Februar 2025 (Az. 5 StR 134/24) hat der (BGH) zentrale Fragen zum materiellen Betäubungsmittelstrafrecht, zur Qualifikation von Stoffen wie Ketamin und sowie zur von Taterträgen einer vertieften Prüfung unterzogen.

Der Fall berührt nicht nur die aktuelle Rechtslage nach der Cannabisreform, sondern auch die komplexe Abgrenzung zwischen dem Betäubungsmittelgesetz (), dem Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz () und dem (AMG). Darüber hinaus thematisiert der Beschluss in bemerkenswerter Weise Defizite bei der richterlichen Begründung von Vermögensabschöpfungen.

Sachverhalt

Drei Angeklagte waren vom Landgericht Berlin wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln – insbesondere , Cannabis und Ketamin – zu mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt worden. Der Schuldspruch stützte sich dabei teilweise auf das BtMG, teilweise auf das NpSG. Zudem war gegen die Angeklagten die Einziehung des Wertes von Taterträgen in beträchtlicher Höhe angeordnet worden. Die gegen dieses Urteil gerichteten Revisionen führten zu einer weitreichenden Korrektur durch den BGH. Im Zentrum standen dabei zwei Problemkreise: die richtige Einordnung des Stoffes Ketamin und die rechtlichen Anforderungen an die Einziehung erlangter Vermögenswerte.

Die rechtliche Einordnung von Ketamin: Arzneimittel oder Betäubungsmittel?

Besonders vielschichtig ist die Frage der rechtlichen Behandlung von Ketamin. Zwar wurde dieser Stoff 2021 ausdrücklich in die Anlage des NpSG aufgenommen, um dessen Missbrauch zu unterbinden. Gleichzeitig jedoch steht das NpSG unter einem Vorrangvorbehalt zugunsten des Arzneimittelgesetzes (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 NpSG). Der BGH hebt hervor, dass Ketamin grundsätzlich als im Sinne des AMG zu qualifizieren ist – unabhängig davon, ob es legal oder illegal in Verkehr gebracht wird.

Maßgeblich ist, ob ein Stoff im oder am menschlichen Körper angewendet werden kann, um physiologische Funktionen zu beeinflussen. Ketamin, das in der Human- und Veterinärmedizin eingesetzt wird, erfüllt diese Voraussetzungen nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2a AMG. Der Umstand, dass es sich bei dem sichergestellten Produkt nicht um ein zugelassenes Arzneimittel handelte, steht dem nicht entgegen. Auch die Vorstellung des Gesetzgebers, wonach illegales Ketamin dem NpSG und nur medizinisch eingesetztes Ketamin dem AMG unterfallen solle, findet im Gesetz keinen Ausdruck. Damit kommt dem AMG nach der Vorrangregelung Geltung zu, was eine Strafbarkeit nach § 4 NpSG ausschließt.

Der BGH stellt hierzu fest, dass es sich beim sichergestellten Ketamin – soweit keine spezifischen stoffspezifischen Besonderheiten vorlagen – um ein Arzneimittel gehandelt haben dürfte. Die ursprünglich vom Landgericht vorgenommene rechtliche Qualifikation des Stoffes als dem NpSG unterliegend war daher unhaltbar. Aus prozessökonomischen Gründen beschränkte der BGH die Strafverfolgung auf die einschlägigen Delikte des BtMG und des Konsumcannabisgesetzes (KCanG) und hob die entsprechenden Teile des Urteils auf.

Auswirkungen der Cannabisreform: Anwendung des KCanG

Ein weiterer Schwerpunkt der Entscheidung betrifft den Umgang mit Cannabisharz. Der BGH musste infolge der Gesetzesänderung vom 1. April 2024 prüfen, ob die neue Rechtslage zu einer für die Angeklagten milderen Bewertung führt. Die Regelungen des KCanG verdrängen seither die Anwendung des BtMG für den Umgang mit Cannabis. Der BGH stellte klar, dass im konkreten Fall – trotz bandenmäßigen Handels – der mildere Rechtsrahmen des KCanG Anwendung findet. In einem Fall führte dies zur Aufhebung der Einzel- und Gesamtstrafe, da nicht ausgeschlossen werden konnte, dass das Gericht bei Anwendung des KCanG zu einem milderen Strafmaß gelangt wäre.

Probleme der Vermögensabschöpfung: Einziehungsentscheidungen unter Druck

Von besonderer praktischer Relevanz ist die Auseinandersetzung des BGH mit den Einziehungsentscheidungen des Landgerichts. Die Vorinstanz hatte beträchtliche Geldbeträge als Taterträge eingezogen, ohne jedoch hinreichend festzustellen, ob die Gelder tatsächlich aus den verfahrensgegenständlichen Taten stammten und von welchem Angeklagten sie erlangt worden waren.

Im Fall des Angeklagten K. wurde beispielsweise übersehen, dass bereits 500 Euro Bargeld sichergestellt worden waren, welches durchaus Teil seines Erlöses gewesen sein könnte. Dieser Umstand wurde im Urteil nicht berücksichtigt, was nach Auffassung des BGH einen erheblichen Erörterungsmangel darstellt. Auch bei den weiteren Angeklagten wurde nicht nachvollziehbar dargelegt, ob der festgestellte Ankauf von Drogen auch zu einem tatsächlichen Verkauf führte und wer die Erlöse tatsächlich vereinnahmt hatte.

Besonders gravierend erscheint, dass das Landgericht sich nicht zur möglichen Anrechnung von insgesamt 30.000 Euro äußerte, die in einem Lüftungsschacht gefunden und offenbar als aufgegebene Vermögenswerte behandelt worden waren. Der BGH betonte, dass ein solcher Betrag jedenfalls dann in Abzug zu bringen sei, wenn er aus den verfahrensgegenständlichen Taten stammte.


Fazit

Die Entscheidung des BGH ist vielschichtig und rechtsdogmatisch bedeutsam. Sie illustriert die Schwierigkeiten, die sich aus der Überschneidung verschiedener spezialgesetzlicher Regelungen im Betäubungsmittel- und Arzneimittelrecht ergeben. Die Vorrangwirkung des AMG vor dem NpSG wird klar betont, was in der Strafrechtsanwendung zwingend zu berücksichtigen ist. Auch die Cannabisreform wirkt sich strafmildernd aus, sofern keine weiteren, schwerwiegenden Betäubungsmitteldelikte vorliegen.

In der Schlussfolgerung bleibt festzuhalten: Die genaue rechtliche Einordnung der gehandelten Substanzen ist entscheidend für die Strafbarkeit. Gerichtliche Entscheidungen müssen diesbezüglich differenziert und fundiert erfolgen. Auch bei der Einziehung von Vermögenswerten sind hohe Anforderungen an die Feststellungen zu stellen. Dass der BGH die Vermögensabschöpfung wiederholt aufhebt und zur neuen Verhandlung verweist, zeigt den bestehenden Bedarf an methodischer Sorgfalt – sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht.

Fachanwalt für Strafrecht & IT-Recht bei Anwaltskanzlei Ferner Alsdorf
Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht mit Schwerpunkt Cybersecurity & Softwarerecht. Ich bin zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht und zur EU-Staatsanwaltschaft.Als Softwareentwickler bin ich in Python zertifiziert und habe IT-Handbücher geschrieben.

Erreichbarkeit: Per Mail, Rückruf, Threema oder Whatsapp.

Unsere Kanzlei ist spezialisiert auf Starke Strafverteidigung, seriöses Wirtschaftsstrafrecht und anspruchsvolles IT-Recht inkl. IT-Sicherheitsrecht - ergänzt um Arbeitsrecht mit Fokus auf Managerhaftung.
Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht - zertifizierter Experte in Krisenkommunikation & Cybersecurity)
Letzte Artikel von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht - zertifizierter Experte in Krisenkommunikation & Cybersecurity) (Alle anzeigen)

Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht - zertifizierter Experte in Krisenkommunikation & Cybersecurity)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht mit Schwerpunkt Cybersecurity & Softwarerecht. Ich bin zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht und zur EU-Staatsanwaltschaft.Als Softwareentwickler bin ich in Python zertifiziert und habe IT-Handbücher geschrieben.

Erreichbarkeit: Per Mail, Rückruf, Threema oder Whatsapp.

Unsere Kanzlei ist spezialisiert auf Starke Strafverteidigung, seriöses Wirtschaftsstrafrecht und anspruchsvolles IT-Recht inkl. IT-Sicherheitsrecht - ergänzt um Arbeitsrecht mit Fokus auf Managerhaftung.