Im digitalen Zeitalter sind es oft nur wenige Zeilen, die über den guten Ruf eines Unternehmens entscheiden. So genannte „Snippets“ – automatisch von Google generierte Vorschautexte – spielen dabei eine zentrale Rolle. Das Landgericht Köln (Urteil vom 05.02.2025, Az. 28 O 252/24) hat nun entschieden, dass Verlage auch für Inhalte in diesen Snippets haften können. Die Entscheidung reiht sich in die zunehmend differenzierte Rechtsprechung zur Verantwortlichkeit für Suchmaschinenanzeigen ein – und hat erhebliche Implikationen für die mediale Berichterstattung im Internet.
Sachverhalt
Die Verfügungsklägerin betreibt unter einem Franchise-System zahlreiche Filialen in Deutschland. Nach routinemäßigen Kontrollen der Lebensmittelüberwachung in zwei Filialen veröffentlichte die zuständige Behörde entsprechende Ergebnisse auf ihrer Webseite zur Lebensmitteltransparenz. Die Verfügungsbeklagte, ein Zeitungsverlag mit bundesweitem Online-Angebot, griff diese behördliche Information journalistisch auf und veröffentlichte einen Artikel. Dieser wurde – wie üblich – von der Suchmaschine Google indiziert und mit einem sogenannten Snippet versehen. Der Text des Snippets stammte nicht von der Verfügungsbeklagten selbst, sondern wurde durch den Google-Algorithmus automatisiert aus dem Artikelinhalt generiert.
Der Verlag wurde abgemahnt, weigerte sich jedoch, eine Unterlassungserklärung abzugeben. Daraufhin begehrte die Franchisegeberin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes unter anderem die Untersagung der in Google angezeigten Snippet-Darstellung.
Rechtliche Würdigung
Das Landgericht Köln stellt klar, dass sich die Verantwortlichkeit des Verlags nicht auf die eigene Domain beschränkt. Vielmehr sei auch die Darstellung in Suchmaschinen dem Anbieter der journalistischen Inhalte zuzurechnen – selbst wenn dieser keinen unmittelbaren Einfluss auf die Snippet-Gestaltung habe. Ausschlaggebend sei die faktische Kausalität zwischen Veröffentlichung des Artikels und der darauf basierenden Snippet-Erstellung durch Google.
Bemerkenswert ist die Argumentation des Gerichts hinsichtlich des Schutzbereichs: Das Snippet richte sich – unabhängig von der primären Leserschaft des Artikels – an einen eigenständigen Rezipientenkreis, nämlich jene, die gezielt nach dem Namen des Unternehmens suchen. Gerade für diesen Personenkreis sei die Vorschau in den Suchergebnissen häufig der erste und möglicherweise entscheidende Eindruck. Der Verlag könne sich daher nicht mit dem Hinweis auf fehlende Steuerungsmöglichkeit enthaften.
Besonders differenziert analysiert das Gericht auch den Umstand, dass es sich um eine vermeintliche Regionalmeldung handelte. Die weite technische Verbreitung des Beitrags – auch durch bundesweit abrufbare Suchdienste – führe dazu, dass von einer bundesweiten Wirkung der Berichterstattung auszugehen sei. Damit unterfalle die Veröffentlichung nicht mehr dem Schutzbereich lokaler Meinungsbildung, sondern müsse sich einem gesteigerten Maßstab der Sorgfalt unterwerfen.
Schlussbetrachtung
Diese Entscheidung des Landgerichts Köln ist richtungsweisend – nicht nur für Verlage, sondern für die gesamte digitale Medienlandschaft. Sie verdeutlicht, dass sich Anbieter journalistischer Inhalte nicht aus der Verantwortung stehlen können, wenn Suchmaschinen automatisierte Vorschautexte aus ihren Beiträgen erzeugen. Die gerichtliche Anerkennung eines eigenständigen „Suchmaschinen-Rezipientenkreises“ hebt die Bedeutung der Snippet-Darstellung auf ein neues haftungsrechtliches Niveau.
Die Essenz dieser Entscheidung liegt darin, dass der mediale Einfluss nicht an der Domaingrenze endet. Wer Inhalte ins Netz stellt, haftet auch für deren algorithmisch erzeugte Repräsentationen – insbesondere, wenn diese geschäftsschädigend wirken können. Verlage sind daher gut beraten, nicht nur die Inhalte ihrer Artikel, sondern auch deren potenzielle Auffindbarkeit im Netz zu berücksichtigen. Die digitale Außenwirkung verlangt nach rechtlicher Weitsicht.
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