Höhe des Selbstbehalts des Vaters bei Unterhaltsanspruch der nicht verheirateten Mutter
BGH, Urteil vom 15.12.2004, XII ZR 26/03
a) Der Selbstbehalt des Vaters im Rahmen des Unterhaltsanspruchs der
nicht verheirateten Mutter nach § 1615 l Abs. 2 BGB ist in der Regel
mit einem Betrag zu bemessen, der zwischen dem angemessenen
Selbstbehalt nach § 1603 Abs. 1 BGB und dem notwendigen Selbstbehalt
nach § 1603 Abs. 2 BGB liegt (im Anschluß an Senatsurteil vom 1.
Dezember 2004 – XII ZR 3/03 – zur Veröffentlichung bestimmt).
b) Die Väter mehrerer – nicht aus einer Ehe hervorgegangener – Kinder
haften für den Unterhaltsbedarf der nicht verheirateten Mutter gemäß
§ 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB anteilig nach ihren Erwerbs- und
Vermögensverhältnissen (im Anschluß an Senatsurteil vom 21. Januar
1998 – XII ZR 85/96 – FamRZ 1998, 541 ff.).
Aus der Entscheidung:
II.
Die Entscheidung des Berufungsgerichts hält den Angriffen der Revision nicht stand.
1. Zwar unterliegt eine vom Tatrichter nach Billigkeitsgesichtspunkten getroffene Entscheidung – wie hier über die Frage, ab wann der eigene angemessene Unterhalt des nach § 1615 l Abs. 2 BGB unterhaltspflichtigen Vaters gefährdet wäre – nur in eingeschränktem Umfang der revisionsrechtlichen Überprüfung. Eine solche ist aber dann eröffnet, wenn die tatrichterliche Entscheidung den gesetzlich vorgegebenen Ermessensspielraum nicht ausschöpft oder gesetzlich vorgegebene Wertungen außer Betracht läßt (Senatsurteil vom 18. Oktober 1989 – IVb ZR 89/88 – BGHZ 109, 72, 88 = FamRZ 1990, 262, 266). Das ist hier schon deshalb der Fall, weil das Berufungsgericht die gesetzlich vorgeschriebene individuelle Billigkeitsabwägung durch den Hinweis auf einen einheitlichen Selbstbehalt für den Verwandtenunterhalt ersetzt hat, ohne dem besonderen Schutzzweck des Unterhaltsanspruchs aus § 1615 l Abs. 2 BGB Rechnung zu tragen. Insoweit ist es verfehlt, sich auch dann an feste Tabellen und Leitlinien zu halten, wenn andere Lebensverhältnisse zu beurteilen sind als diejenigen, auf die sie für den Regelfall abstellen (vgl. Senatsurteil vom 26. Februar 1992 – XII ZR 93/91 – FamRZ 1992, 795, 797).
2. Der Senat hat – nach Erlaß des angefochtenen Urteils – entschieden, daß auch der Selbstbehalt des unterhaltspflichtigen Vaters gegenüber dem Unterhaltsanspruch der nicht verheirateten Mutter nicht mit einem starren Betrag bemessen werden darf, sondern die besonderen Umstände des zu entscheidenden Falles zu berücksichtigen sind. Dabei hat der Tatrichter einen Selbstbehalt festzulegen, der jedenfalls nicht den notwendigen Selbstbehalt von gegenwärtig 840 ¤ unterschreitet. Andererseits muß im Mangelfall der Selbstbehalt im Rahmen des Unterhaltsanspruchs nach § 1615 l Abs. 2 BGB regelmäßig hinter dem angemessenen Selbstbehalt, der gegenüber dem Unterhaltsanspruch volljähriger Kinder gilt und gegenwärtig 1.000 ¤ beträgt, zurückbleiben. Deswegen wird es nicht zu beanstanden sein, wenn der Tatrichter im Regelfall von einem etwa hälftig zwischen diesen beiden Beträgen liegenden Selbstbehalt ausgeht (Senatsurteil vom 1. Dezember 2004 – XII ZR 3/03 – m.w.N., zur Veröffentlichung bestimmt).
III.
Im Rahmen der erneuten Verhandlung wird das Oberlandesgericht den Berufungsantrag der Klägerin – gegebenenfalls nach Anhörung der Parteien – ergänzend auszulegen haben. Dabei wird es zu berücksichtigen haben, daß die Klägerin in der mündlichen Verhandlung erster Instanz Prozeßkostenhilfe ausdrücklich auch für einen Unterhaltsantrag ohne zeitliche Begrenzung begehrt hatte, die ihr mit Beschluß vom 14. April 2002 rückwirkend bewilligt worden ist. Entsprechend erfassen sowohl der Berufungsantrag der Klägerin als auch der Beschluß des Berufungsgerichts vom 31. Oktober 2002 über die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe nach ihrem Wortlaut den laufenden monatlichen Unterhalt ohne eine ausdrückliche zeitliche Begrenzung auf die Dauer von drei Jahren seit der Geburt des Kindes. Das hat das Berufungsgericht nicht hinreichend berücksichtigt, wenn es meint, der Antrag der Klägerin sei „wie im ersten Rechtszug auf die Zeit bis einschließlich Mai 2004 begrenzt“. Allerdings sind bislang weder Umstände festgestellt noch sonst ersichtlich, die gemäß § 1615 l Abs. 2 Satz 3 Hs. 2 BGB unter besonderer Berücksichtigung der Belange des Kindes einen Wegfall der Unterhaltspflicht nach Ablauf von drei Jahren seit der Geburt als grob unbillig darstellen könnten.
Das Berufungsgericht wird weiter zu berücksichtigen haben, daß mehrere unterhaltspflichtige Väter nach der Rechtsprechung des Senats, die auch auf die vorliegende Fallgestaltung anzuwenden ist, für den Unterhaltsbedarf der Mutter regelmäßig anteilig haften (vgl. Senatsurteil vom 21. Januar 1998 – XII ZR 85/96 – FamRZ 1998, 541, 543 f.). Für mehrere nach § 1615 l Abs. 2 BGB unterhaltspflichtige Väter folgt dieses schon aus einer unmittelbaren Anwendung der §§ 1615 l Abs. 3 S. 1, 1606 Abs. 3 S. 1 BGB. Deswegen wird es den Ausgang des Verfahrens vor dem Oberlandesgericht Hamm (5 UF 262/04) zu berücksichtigen haben, in dem die Klägerin Unterhalt gemäß § 1615 l Abs. 2 BGB von dem Vater ihres am 18. April 1997 geborenen weiteren Kindes über die Vollendung dessen dritten Lebensjahres hinaus begehrt.
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