OneCoin war ein komplexes, global operierendes Schneeballsystem, das sich als Kryptowährungs- und Schulungsunternehmen präsentierte, tatsächlich jedoch auf systematischem Betrug basierte. Das
Landgericht Münster, 7 KLs-6 Js 167/16-2/20, hatte sich mit den strafrechtlichen Aspekten dieses Wirtschaftskrimis zu beschäftigen.
Die Hauptverantwortliche (CA) schuf das OneCoin-Konzept zusammen mit einem Partner (CB), während sie sich diverser Firmen in Gibraltar, Dubai und auf den Seychellen bediente, die vordergründig für die Strukturierung und Verwaltung von OneCoin genutzt wurden. Zahlreiche Beteiligte, darunter die Angeklagten B., L., und D., waren auf verschiedenen Ebenen in das betrügerische System involviert und wurden nun verurteilt.
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Gerichtliche Entscheidungen und Verurteilungen
- Angeklagte B.: Beihilfe zum Betrug in 12.815 Fällen, davon 12.790 Versuche, sowie das Erbringen von Zahlungsdiensten ohne Erlaubnis. Strafe: vier Jahre Freiheitsstrafe und Einziehung von 43.504,51 Euro.
- Angeklagter L.: Beihilfe zum Betrug in 12.815 Fällen, ebenfalls mit 12.790 Versuchen, und Beihilfe zum Erbringen von Zahlungsdiensten ohne Erlaubnis. Strafe: fünf Jahre Freiheitsstrafe und Einziehung von 1.164.575,66 Euro.
- Angeklagter D.: Leichtfertige Geldwäsche in zwei Fällen. Strafe: zwei Jahre und neun Monate Freiheitsstrafe sowie Einziehung von 627.217,95 Euro.
Zusätzlich wurde die Einziehung von über 41 Millionen Euro bei der Firma V. angeordnet.
Die Struktur des Betrugsmodells OneCoin
OneCoin präsentierte sich als eine auf Blockchain-Technologie basierende Kryptowährung, die laut Darstellung eine stabile und wachsende Währung darstellen sollte. Die Wahrheit sah jedoch anders aus:
- Täuschung über Kryptowährungs-Mechanismen: Kunden wurde suggeriert, dass OneCoin auf einer funktionierenden Blockchain-Technologie basiere und „gemint“ werden könne, ähnlich wie Bitcoin. Tatsächlich existierte jedoch keine voll funktionsfähige Blockchain. Die Coins und ihre Wertentwicklung wurden lediglich auf den Dashboards der Kunden simuliert und waren in der Realität wertlos.
- Schulungspakete als Vorwand: Der eigentliche Vertrieb von OneCoin erfolgte durch den Verkauf von „Schulungspaketen“, die angeblich Wissen über Finanzmärkte vermittelten und jeweils mit „kostenlosen“ Token ausgestattet waren. Diese Token berechtigten laut der Werbeaussagen zur Teilnahme am „Mining“ von OneCoin, was sich jedoch als reiner Vorwand herausstellte, um regulatorische Hürden zu umgehen und das Finanzprodukt zu verschleiern.
- Network-Marketing-System: Ein Empfehlungs- und Provisionssystem, das einem klassischen Schneeballsystem glich, incentivierte Nutzer, weitere Investoren anzuwerben. Provisionen wurden in Form eines Direktbonus (10 % des Umsatzes) und eines Netzwerkbonus (10 % des schwächeren Zweigs im Netzwerk) gezahlt, oft jedoch nur in Form von weiteren Token und Dashboardsalden statt in echter Währung.
- Gefälschte Wertentwicklung: Auf den Dashboards der Kunden wurde eine stetig steigende Wertentwicklung von OneCoin vorgegaukelt. Scheinbar verdoppelte sich der Wert kontinuierlich, ohne dass dies durch eine reale Blockchain oder Marktmechanismen gedeckt war. Sogar das „Mining“ selbst war ein simuliertes Verfahren ohne realen Aufwand oder energieintensive Rechnerleistungen.
Technische Details und Irreführung der Kunden
Die Untersuchung ergab, dass die von OneCoin betriebene Blockchain nicht die versprochene Kryptowährung abbildete. Die verwendeten „Blockchains“ (Versionen 1 und 2) waren rudimentär und fehlerhaft, mit minimalem Aufwand und ohne die vertragliche Absicherung und Authentizität einer echten Kryptowährung. Die Token und Miningpools, die als Zugangsmechanismus zu OneCoin dargestellt wurden, spielten in der Blockchain keine Rolle. Der Schwierigkeitsgrad und die angebliche Wertentwicklung wurden willkürlich manipuliert.
CA. und CB. verfolgten das Ziel, den Kunden eine scheinbare, aber fiktive Währung zu suggerieren, deren steigender Wert auf reinen Annahmen basierte. Tatsächlich bestanden die geschaffenen Coins nur aus digitalen Einträgen auf einem Dashboard und besaßen keinerlei inneren Wert. Die Investitionen der Kunden dienten lediglich der Finanzierung des luxuriösen Lebensstils der Verantwortlichen.
Verbleib der Verantwortlichen
CA. ist seit 2017 verschwunden und wird international gesucht. CB. wurde in Thailand festgenommen und an die USA ausgeliefert.
Einzelne Kundenfälle und Urteile
Das Urteil enthält auch Einzelheiten zu mehreren Kunden, die durch das betrügerische Modell von OneCoin zu Investitionen verleitet wurden:
- Zeuge BA: Dieser Zeuge wurde durch YouTube-Videos und Informationen eines Bekannten auf OneCoin aufmerksam. Er glaubte an die Seriosität der Plattform und nahm an, OneCoin sei vergleichbar mit Bitcoin, da er meinte, Mining-Operationen und eine begrenzte Anzahl an Coins könnten eine Wertsteigerung bewirken. BA investierte 530 Euro, erkannte jedoch später den Verlust als Lehrgeld an.
- Zeuge BX: BX war bereits in verschiedenen Bereichen finanziell engagiert und interessierte sich für Investitionen. Nach Gesprächen und eigener Recherche, auch über den möglichen Scam-Charakter, entschied er sich dennoch für eine Investition von 7.640 Euro in sogenannte Schulungspakete. Provisionen erhielt er lediglich auf seinem Dashboard gutgeschrieben, ohne dass eine tatsächliche Auszahlung erfolgte.
- Ehepaar BS: Auf der Suche nach einer Möglichkeit, den Hausbau zu finanzieren, wurden die Zeugen BS durch einen Verwandten an OneCoin herangeführt. Sie investierten insgesamt 13.230 Euro, gingen jedoch davon aus, dass die Schulungspakete nur ein formales Mittel waren, um an die Token zu gelangen. Die finanziellen Verluste waren erheblich, aber dank einer ausgezahlten Lebensversicherung konnte das Paar den Hausbau letztlich anderweitig finanzieren.
- Zeuge BT: BT wurde durch seine Mutter und die Online-Recherche auf Kryptowährungen aufmerksam. Nach weiteren Gesprächen entschied er sich, 1.030 Euro zu investieren, wobei ihm die Token für das Mining von Coins wichtig waren. Er erwartete dabei eine wertsteigernde Entwicklung und hoffte langfristig auf Gewinne. Der Verlust war für ihn zwar ärgerlich, jedoch nicht existenzbedrohend.
- Zeuge BW: BW erfuhr von OneCoin durch seine Schwester und recherchierte eigenständig. Mit den Erwartungen, die steigende Schwierigkeit und die limitierte Anzahl der Coins könnten zu einer Wertsteigerung führen, investierte er 12.630 Euro. Die Gelder stammten aus einer Lebensversicherung und waren für ihn von erheblichem Wert, wenngleich sie seine Altersvorsorge nicht beeinträchtigten.
Das Urteil dokumentiert sehr anschaulich, wie viele Kunden auf die Glaubwürdigkeit des vorgegebenen Systems vertrauten und annahmen, OneCoin wäre eine ähnliche oder gar überlegene Kryptowährung im Vergleich zu Bitcoin. Die Vermittlung durch Familienmitglieder, Freunde und offizielle OneCoin-Veranstaltungen verstärkte diese Überzeugungen.
Beihilfe zum (versuchten) Betrug sowie Verstoß gegen das Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG)
Das Gericht stellte fest, dass die Angeklagten B. und L. durch ihre Tätigkeiten für die Firma V. Beihilfe zum (versuchten) Betrug leisteten und gleichzeitig gegen das Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG) verstießen:
- Beihilfe zum Betrug: Die Angeklagte B., als Geschäftsführerin der Firma V., eröffnete und verwaltete Konten, über die Zahlungen von Kunden entgegengenommen und für den Erwerb sogenannter OneCoin-Schulungspakete weitergeleitet wurden. Dabei förderte sie durch die Bereitstellung dieser Konten bewusst die betrügerischen Handlungen der Hauptverantwortlichen CA., obwohl sie keine Tatherrschaft hatte. Der Angeklagte L. war ebenfalls beteiligt, indem er das Service Agreement mit OneCoin aushandelte und gemeinsam mit B. die Konten einrichtete und verwaltete. Beide Angeklagte waren sich bewusst, dass ihre Handlungen zur Unterstützung der OneCoin-Betrugstaten beitrugen.
- Verstoß gegen das Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG): Die Firma V. führte umfangreiche Finanztransfergeschäfte ohne die notwendige Erlaubnis durch, da die Gelder der Kunden auf Konten der Firma V. entgegen genommen und gemäß dem Service Agreement mit OneCoin weitergeleitet wurden. Diese Tätigkeiten erfüllten die Kriterien eines Zahlungsinstituts nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 ZAG a.F., jedoch verfügte die Firma V. nicht über die erforderlichen internen Kontrollverfahren und riskoüberwachenden Maßnahmen nach dem Geldwäschegesetz. Diese regulatorischen Mängel führten dazu, dass keine Lizenz gemäß ZAG hätte erteilt werden können, wodurch die Zahlungsdienste ohne Erlaubnis rechtswidrig waren. Beide Angeklagte handelten vorsätzlich, da sie sich der regulatorischen Anforderungen bewusst waren, aber die Vorgaben ignorierten.
Fazit des Onecoin-Urteils
Das Gericht erkannte das gesamte System von OneCoin als geplanten, umfangreichen Betrug an, der unter dem Deckmantel einer Kryptowährung mit Schulungscharakter geführt wurde. Die verhängten Strafen und Einziehungen signalisieren eine klare Haltung der deutschen Rechtsprechung gegen betrügerische Finanzprodukte und unterstreichen den Willen, Investoren und die Öffentlichkeit vor solchen Konstruktionen zu schützen.
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