Schadensersatzberechnung nach Urheberrechtsverletzung

Schadensersatzberechnung bei Urheberrechtsverletzung wie Fotoklau: Wenn jemand ohne entsprechende Erlaubnis ein Foto eines anderen benutzt stellt sich schnell die Frage, ob Schadensersatz zu zahlen ist und in welcher Höhe. Hier ergibt sich inzwischen eine interessante Entwicklung in der Rechtsprechung, die einige Änderungen für die althergebrachte Abmahnpraxis mitbringen.

Schadensersatzberechnung nach Urheberrechtsverletung: Wenn ein urheberrechtlich geschütztes Werk ohne Nutzungslizenz eingesetzt wird, kann der Rechteinhaber eine Vergütung im Zuge des (fiktiv) erlittenen Lizenzschadensersatzes verlangen. Mangels vertraglicher Abrede wird hierbei regelmässig im Urheberrecht die zur Schadensersatzberechnung herangezogen um zu bestimmen, was bei einer Urheberrechtsverletzung eine angemessene Vergütung ist.

An diesem Punkt gehen die Auffassungen der Parteien regelmässig auseinander: Während der Rechteinhaber möglichst hohen Schadensersatz begehrt, sieht der Rechteverletzer gar nicht die Grundlage für einen hohen Schadensersatz. Das OLG München (29 U 3773/17) konnte insoweit klarstellen, dass für die im Rahmen der Lizenzanalogie zu stellende Frage, was vernünftige Vertragspartner als Vergütung für die vom Verletzer vorgenommenen Benutzungshandlungen vereinbart hätten, gerade nicht auf die teuerste Lizenzmöglichkeit abzustellen ist. Insbesondere fliesst nicht mit ein, was – etwa im Zuge von Vergleichen – von anderen Rechtsverletzern gezahlt worden ist. Es verbleibt dabei, dass auf eine marktgerechte Bewertung der tatsächlich vorgenommenen Nutzung abzustellen ist.

Es verbleibt aber dabei, dass ein Schadensersatzanspruch grundsätzlich im Raum steht.

Schadensberechnung bei Urheberrechtsverletzungen

Bei einer Urheberrechtsverletzung steht dem Verletzten ein Schadensersatz zu, das ist im Regelfall bekannt. Streitig ist nur immer wieder die Höhe des Schadensersatzes, wobei die Positionen klar sind: Der Verletzer möchte so wenig wie möglich zahlen, der Verletzte so viel wie möglich erhalten. Mit dem Gesetz (§97 II UrhG) stehen dem Verletzten drei Optionen der Schadensersatzberechnung nach einer Urheberrechtsverletzung zu, zwischen denen er die Wahl hat:

  1. Ersatz des konkret entstandenen Schadens
  2. Zahlung des durch den Verletzer erzielten Gewinns
  3. Zahlung einer fiktiven Lizenzgebühr im Zuge der Lizenzanalogie

Die Positionen 1 und 2 sind im Regelfall wertlos: Bei Nr.1 scheitert es daran, dass regelmässig ein konkret entstandener Schaden beim Verletzten nicht beziffert werden kann, bei Nr.2 stellt sich das gleiche Problem (welchen Gewinn hat der Shop-Betreiber erzielt, der bei hunderten Artikeln nur an einer Stelle ein Bild verwendet hat?). Die Variante drei ist daher regelmässig die Standard-Wahl.

Die Lizenzanalogie im Urheberrecht

Bei dieser Schadensberechnung (dazu auch hier bei uns) fingiert man eine , die der Verletzer erwirbt. Nach dieser gewählten Berechnungsart entsprechend § 97 Abs. 2 S. 3 UrhG kann der Verletzte nach einer Urheberrechtsverletzung das ansetzen, was verständige Vertragsparteien vereinbart hätten und zwar bei Kenntnis der aktuellen Sachlage (siehe zusammenfassend BGH MDR 1990, 968). Zu einer eigenen Lizensierungspraxis muss man ausreichend vortragen, wenn dies berücksichtigt werden soll.

Man fragt sich also: Wie viel hätte der Verletzer zahlen müssen, um eine Lizenz für das jeweilige Bild zu erhalten?

Vereinbarung einer Objektiven Lizenz

Abzustellen ist dabei mit dem BGH auf die Frage, was ein vernünftiger Lizenzgeber gefordert, ein vernünftiger Lizenznehmer gezahlt hätte. Um das so objektiv wie möglich zu halten, fragt man nicht die beiden konkrekt Beteiligten (Siehe oben: Der eine will so viel, der andere so wenig, wie möglich) sondern stellt auf das branchenübliche ab. Das OLG Hamm (22 U 98/13) formuliert das so:

Wird – wie vorliegend – Schadensersatz im Wege der Lizenzanalogie verlangt, gilt die Lizenzgebühr als angemessen, die bei vertraglicher Einräumung ein vernünftiger Lizenzgeber gefordert und ein vernünftiger Lizenznehmer gewährt hätte, wenn beide die im Zeitpunkt der Entscheidung gegebene Sachlage gekannt hätten (BGHZ 44, 372, 380 f. – Messmer-Tee II; BGH, GRUR 1990, 1008, 1009 f. [BGH 22.03.1990 – I ZR 59/88] – Lizenzanalogie).

Branchenübliche Lizenz

Was nun branchenüblich ist, lässt sich heute relativ leicht ermitteln, da es branchenspezifische Honorarempfehlungen bzw. ähnliche Vergütungsregeln gibt. Man kann etwa an die Kosten der Wahrnehmungsgesellschaften (GEMA, VG Wort etc.) denken. Oder eben bei Bildern an die Honorarempfehlungen der Mittelstandsgemeinschaft Fotomarketing (MfM). Bei letzterem ist das ein kleines, jährlich erscheinendes, Heftchen in dem je nach Medium, Verwendungsart- und Dauer unterschiedliche Kosten aufgeschlüsselt sind. Und in der Ausgabe 2012 findet man dann z.B. die Verwendung für Online-Nutzungen, Internet etc. in einer Tabelle.

In der Praxis kann man dann in die Tabelle blicken und sehen: Das wurde auf einer Webseite verwendet (damit Tabelle auf Seite 69, man muss unterscheiden ob Startseite, Unterseite oder als Banner verwendet und fragen, wie lange(1 Woche, 1 Monat, 3 Monate etc.). Damit findet man in der Tabelle einen Preis, der dann noch Auf- oder Abschläge erhalten kann (kleines Bild: 30% Abschlag; Nutzung im Shop: 50% Aufschlag). Damit entdeckt man schnell einen konkreten Preis, der im Zuge der Lizenzanalogie eingefordert werden kann.

Erläuternder Hinweis: Die hier zu Stande kommende Summe wird regelmässig schon recht stattlich, meistens um die 200-300 Euro liegen in den Standardfällen. Das ist aber nicht alles! Die Rechtsprechung gewährt mitunter einen „Verletzeraufschlag“ um nochmals 50%-100%, wodurch die Zahl sich teilweise verdoppeln kann. Dem Verletzeraufschlag wird noch ein eigener Artikel gewidmet.

Doch Vorsicht: Es hängt am Einzelfall. Gerade bei einer umfangreichen Verwendung von Fotografien wird man darauf verweisen können, dass hier unter objektiven Vertragspartnern eine gesonderte Abrede getroffen worden wäre.

Berücksichtigung sonstiger Lizenzsätze

Das OLG München (29 U 3773/17) führte schon früh nachvollziehbar aus, dass eine im Zuge eines Vergleichs mit anderen Rechtsverletzern getroffene Vereinbarung über eine (nachträgliche) Lizenz keine Basis darstellen kann, um bei anderen Rechtsverletzern die Kosten einer Lizenz zu bemessen. Das Druckmoment ist bei den anderen Zahlungen schlicht zu hoch, so dass letztlich nicht von markttauglichen Tarifen gesprochen werden kann:

Denn wegen der jeweils vorangegangenen Urheberrechtsverletzungen konnte die Klägerin bei den Verhandlungen über diese Verträge mit der Geltendmachung der ihr daraus erwachsenen Ansprüche drohen und hatte deshalb eine erheblich stärkere Position als bei gewöhnlichen Verhandlungen, bei denen der Nachfragende sich auch für einen anderen Anbieter entscheiden könnte, ohne ihm nachteilige Maßnahmen befürchten zu müssen. Deshalb kommt dem Ergebnis von Vertragsverhandlungen nach vorangegangener Urheberrechtsverletzung keine Indizwirkung für andere Verträge zu (vgl. auch Senat, Urt. v. 31. März 2011 – 29 U 2629/10, – Pumuckl-Verwertung, juris, dort Rn. 112).

Der Senat schließt sich nicht der vom Oberlandesgericht Karlsruhe in dessen Urteil vom 13. Januar 2013 – 6 U 93/09 (…) und vom Oberlandesgericht Frankfurt a. M. in dessen Urteil vom 11. Dezember 2018 – 11 U 88/17 (…) vertretenen Auffassung an, dass auch derartige Verträge im Rahmen der Lizenzanalogie berücksichtigt werden könnten, weil sie freiwillig abgeschlossen worden seien. Der Begriff der Freiwilligkeit ist für die Frage der Durchsetzung des klägerischen Vergütungsmodells auf dem Markt ohne Belang. Selbstverständlich stellt das Inaussichtstellen der Geltendmachung von Ansprüchen wegen der Verletzung urheberrechtlicher Nutzungsrechte – sei es formlos, sei es durch eine die Anforderungen des § 97a UrhG erfüllende – keine die Freiwilligkeit ausschließende unzulässige Einwirkung auf den Verletzer dar.

Wer aber als Verletzer einen Lizenzvertrag abschließt, um der Geltendmachung von Ansprüchen wegen der Verletzung zu entgehen, erbringt die Lizenzzahlungen nicht nur für die künftige Nutzung des lizenzierten Werks, sondern auch dafür, dass der Lizenzgeber auf die Geltendmachung von Verletzungsansprüchen verzichtet. Damit ist ein derartiger Vertragsschluss ungeeignet, den objektiven Wert der bloßen Nutzung – ohne Verzicht auf davon unabhängige Ansprüche – zu belegen, wie ihn vernünftige Vertragspartner bemessen würden und wie er für die Schadensbemessung nach der Lizenzanalogie heranzuziehen ist.

OLG München, 29 U 3773/17

Diese Rechtsprechung wurde vom (I ZR 93/19) später dann ausdrücklich bestätigt, der klarstellte, dass eine Lizenzierung nach einer Verletzungshandlung nicht ohne weiteres geeignet ist, den objektiven Wert der bloßen (zukünftigen) Nutzung zu belegen. Denn entgolten wird damit regelmäßig mehr als nur die einfache Nutzung. Die nach einer Verletzung vereinbarten „Lizenzgebühren“ stellen mit dem BGH nicht nur die Vergütung dar, die vernünftige Parteien als Gegenleistung für den Wert der künftigen legalen Benutzungshandlung vereinbart hätten; vielmehr bilden sie darüber hinaus regelmäßig eine Gegenleistung für die einvernehmliche Einigung über mögliche Ansprüche aus der vorangegangenen Rechtsverletzung.

Dieser bei einem Nachlizenzierungsvertrag gegenüber einer freihändigen Lizenz vergütete „Mehrwert“ steht typischerweise der Annahme entgegen, ein solcher Lizenzvertrag habe eine Indizwirkung für den objektiven Wert der angemaßten Benutzungsberechtigung.


Berechnung der Lizenzgebühr über die MFM-Tabellen

Wie ich bereits zu den MFM-Tabellen dargestellt habe: Jedenfalls bei (semi-)professionellen Fotografen wird eine Berechnung des Schadensersatzes über die MFM-Tabellen mit dem Bundesgerichtshof keinen durchgreifenden Bedenken begegnen, sofern nicht besondere Einzelfälle vorliegen. Zur konkreten Berechnung verweise ich auf meinen Artikel zu den MFM-Tabellen.

Anders ist es dagegen, wenn es sich um Fotografien handelt, die gerade nicht professionell genutzt werden, etwa im Bereich des Fotoklaus auf . Hier ist regelmäßig eine erhebliche Kürzung des Schadensersatzes angezeigt, Raum für die Anwendung der MFM-Tabellen verbleibt hier wohl nur selten, etwa wenn es sich um professionelle Fotografien handelt, die zweckentfremdet wurden.

Ausnahme: Erlaubnis kostenloser Nutzung

Das OLG Köln (6 U 60/14) hatte eine Ausnahme gemacht bei Bildern, die zur kostenlosen Nutzung unter der Bedingung der Namensnennung, hier unter einer Creative-Commons-Lizenz, angeboten werden. Dazu führte das OLG aus:

Im vorliegenden Fall ist aber zu berücksichtigen, dass der Kläger sein für nicht-kommerzielle Nutzungen – und die hier streitgegenständliche Nutzung durch die Beklagte ist nach der zugrundezulegenden Auslegung der Creative Commons-Lizenz als nicht-kommerziell einzustufen – unentgeltlich zur Verfügung stellt. Eine Berechnung in Anlehnung an die MFM-Empfehlungen scheidet daher aus. Der „objektive Wert“ der nicht-kommerziellen Nutzung eines unter der Creative Commons-Lizenz angebotenen geschützten Inhalts kann nur mit Null angesetzt werden (vgl. Rechtbank Amsterdam, Urt. v. 9. 3. 2006 – KG 06-176 SR – ECLI:NL:RBAMS:2006:AV4204 – uitspraken.rechtspraak.nl; dazu Mantz, GRUR Int. 2008, 20, 22).

Dies wurde durch den Bundesgerichtshof (I ZR 76/13) in einer diesbezüglich bisher kaum beachteten Entscheidung ausdrücklich bestätigt:

Sollte der Kläger, wie das Landgericht angenommen hat, für den Fall eines elektronischen Verweises auf seine Internetseite eine kostenlose Lizenz für die Nutzung der Fotografien angeboten haben, wäre es rechtlich unbedenklich, im Rahmen der Schadensschätzung, wie es das Land- gericht getan hat, maßgeblich auf den wirtschaftlichen Wert der durch einen elektronischen Verweis bewirkten Werbung für die Internetseite des Klägers abzustellen.

Auch wenn es hier nicht um eine Kürzung „auf 0“ ging, so wurde doch ganz empfindlich gekürzt, nämlich auf einen Wert von 10 Euro. Das bedeutet aber nicht, dass jedes „kostenlos“ angebotene Bild so zu bemessen ist. Vielmehr kommt es auf den Einzelfall an. Wenn es etwa verschiedene Lizenz-Varianten gibt und eine Verwendung ohne Namensnennung mit einem gesonderten Preis ausgewiesen ist, bietet sich hier ein erneuter Ansatz für einen höheren Schadensersatz.

Fehlende Namensnennung: Verdopplung des Schadensersatzes?

Es gibt hier je nach Einzelfall immer wieder Gerichte, die von einem nur 50%igen Aufschlag ausgehen, das OLG Köln hielt aktuell aber auch nochmals fest:

Im Fall der fehlenden Urheberbenennung eines Fotografen wird zwar üblicherweise ein 100%iger Aufschlag auf den nach der Lizenzanalogie berechneten Schaden gewährt (OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2006, 393, 394 – Informationsbroschüre; v. Wolff, in: Wandtke/Bullinger, UrhG, 4. Aufl. 2014, § 97 Rn. 76).

Grundsätzlich wird man daher einen Aufschlag bei fehlender Nennung des Urhebers in Höhe von 100% annehmen können. Eine wichtige Ausnahme sind Produktbilder, da diese üblicherweise in Katalogen eben ohne jeweilige Benennung des Urhebers verwendet werden.

Dazu auch bei uns:

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Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften. Dabei bin ich fortgebildet in Krisenkommunikation und Compliance.

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