Mit Urteil vom 19. Dezember 2024 (Az. 2-03 O 578/23) hat das Landgericht Frankfurt am Main eine bemerkenswerte Entscheidung zur zivilrechtlichen Sanktionierung von Markenverletzungen getroffen, die sich zugleich tief in das markenstrafrechtliche Koordinatensystem einfügt. Im Mittelpunkt standen importierte Nachbauten historischer Porsche-Modelle, die mit geschützten Kennzeichen („Porsche“, „Spyder“, „Porsche-Wappen“) versehen waren. Neben umfassenden Auskunfts-, Unterlassungs- und Zahlungsansprüchen erkannte das Gericht auch auf die Pflicht zur Vernichtung – trotz des hohen Werts der Fahrzeuge.
Sachverhalt
Die Beklagten – ein Vater-Sohn-Duo mit Geschäftskontakten nach Brasilien – importierten mehrere Oldtimer-Repliken, die in verschiedenen Onlineangeboten mit den eingetragenen Marken der Klägerin, der Porsche AG, gekennzeichnet waren. Bereits in der Vergangenheit war es zu Abmahnungen und Unterlassungserklärungen gekommen. Dennoch fanden sich bei erneut importierten Fahrzeugen die geschützten Zeichen erneut – teilweise noch als „Schmutzabdrücke“. Die Klägerin machte ihre Ansprüche geltend und forderte insbesondere Zustimmung zur Vernichtung zweier beim Zoll angehaltener Fahrzeuge.
Rechtliche Würdigung
1. Wiederholte Markenverletzung trotz Unterlassungserklärungen
Das Gericht stellte in aller Deutlichkeit fest, dass es sich um wiederholte, grob fahrlässige Markenverletzungen handelte. Die Beklagten hätten das Risiko aufgrund ihrer Vorgeschichte und bestehender Unterlassungsverpflichtungen kennen müssen. Hinweise wie lose WhatsApp-Zusicherungen brasilianischer Händler, man werde „die Logos entfernen“, genügten der Kammer nicht – vielmehr sei der Importeur verpflichtet, sich aktiv um eine markenrechtskonforme Ausführung zu kümmern.
2. Vernichtung trotz hoher wirtschaftlicher Werte
Besonders bedeutsam ist die Klarstellung zur Verhältnismäßigkeit von Vernichtungsansprüchen nach § 18 MarkenG: Die bloße Möglichkeit der Kennzeichenentfernung genügt nicht, um eine Vernichtung auszuschließen. Die Kammer erkannte explizit den Abschreckungs- und Sanktionscharakter des Vernichtungsanspruchs an – gerade bei hochpreisigen Produkten mit emotionaler oder sammelwürdiger Komponente. Die Verantwortung liege vollständig beim Anspruchsschuldner, der die Unverhältnismäßigkeit darzulegen und zu beweisen habe.
3. Markenrechtlicher Schutz vor mittelbaren Herkunftshinweisen
Ein weiterer innovativer Aspekt betrifft die Anerkennung sogenannter „Schmutzabdrücke“ – also verbliebener Konturen früher angebrachter Marken – als markenrechtsverletzend. Dies zeige, dass die Rechtsprechung auch indirekte Herkunftshinweise als relevant erachtet, sofern sie im geschäftlichen Verkehr gezielt eingesetzt oder zumindest in Kauf genommen werden. Hier schließt das LG Frankfurt ausdrücklich an die „Audi/GQ“-Entscheidung des EuGH an.
4. Konvergenz zum Markenstrafrecht
Das Urteil bewegt sich im Grenzbereich zwischen Zivil- und Markenstrafrecht. Zwar handelt es sich nicht um ein strafrechtliches Erkenntnisverfahren – die Kammer stellt aber ausdrücklich fest, dass es sich bei den Ansprüchen auf Abmahn- und Detektivkosten um Forderungen aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung handelt. Diese Formulierung zielt auf § 302 Nr. 1 InsO und zeigt eine zunehmende Tendenz, markenrechtliche Verstöße auch insolvenzrechtlich zu qualifizieren und faktisch mit strafrechtlichem Gewicht zu belegen.
Das Urteil ist ein starkes Signal gegen kreative Ausflüchte bei Markenrechtsverletzungen im Fahrzeughandel. Die faktische Verwendung geschützter Zeichen – auch in abgeschwächter oder verdeckter Form – bleibt verboten. Wer trotz Kenntnis und Abmahnung weiter importiert, riskiert nicht nur Vertragsstrafen, sondern auch die vollständige Vernichtung seiner Waren und eine insolvenzfeste Schadenshaftung. Die Gerichte machen damit klar: Das Markenrecht ist kein zahnloser Tiger, sondern ein scharfes Schwert – auch im Grenzbereich zum Strafrecht.
Kontext zum Markenstrafrecht
Mit Blick auf die weiteren gerichtlichen Entscheidungen zum Markenstrafrecht sind folgende Aspekte besonders hervorzuheben:
- Beweisbarkeit markenrechtlicher Nutzungshandlungen, auch durch Fotos, Onlineanzeigen und verdeckte Ermittlungen.
- Die Bedeutung vorsätzlicher Zuwiderhandlungen nach Unterlassungserklärungen für die Verwirklichung von Vertragsstrafen und möglicherweise auch strafrechtlicher Tatbestände.
- Die zivilrechtliche Sanktionierung als Baustein präventiver Markenverteidigung, die strafprozessuale Maßnahmen flankieren oder gar überholen kann.
Diese aktuelle Entscheidung des LG Frankfurt fügt sich als besonders konsequenter Beitrag in die Judikatur zur wirtschaftsbezogenen Markenverteidigung ein.
- OLG Hamm zur Verwirkung einer Vertragsstrafe - 12. Mai 2025
- Einziehung: Zurückhaltende Prüfung der Einlassung reicht nicht - 12. Mai 2025
- OLG Köln zur Einziehung bei unerlaubtem Zahlungsdienst - 12. Mai 2025