Übersicht zur Panopramafreiheit (§59 UrhG): Im Urheberrecht gibt es die sogenannte „Panoramafreiheit„, festgelegt in §59 I UrhG:
Zulässig ist, Werke, die sich bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinden, mit Mitteln der Malerei oder Graphik, durch Lichtbild oder durch Film zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich wiederzugeben.
Was dort zur Panoramafreiheit steht (dazu auch bei Wikipedia), ist letztlich eine Selbstverständlichkeit für die meisten von uns, gleichwohl muss es offenkundig gesetzlich geregelt sein: Das, was man an öffentlichen Plätzen sieht, darf man fotografisch festhalten – somit ist es möglich, dass auch urheberrechtlich geschützte Werke, wie etwa besondere Hausansichten oder Kunstwerke, frei fotografiert werden und die Fotografien frei verwendet („verwertet“) werden. Andernfalls wären Fotos vom Reichstag vielleicht plötzlich problematisch – oder eben auch von Häusern. Insbesondere wäre es ohne diese „Panoramafreiheit“ auch kaum möglich, derartige Fotos „frei“ zu nutzen, etwa in sozialen Netzwerken.
Aber was so einfach klingt, ist es leider – nicht zuletzt dank des BGH – nicht. Ein kleiner Überblick.
Der Gesetzestext ist einfach: Was sich an öffentlichen Plätzen befindet, darf scheinbar problemlos fotografiert und als Fotografie verbreitet werden:
§59 Abs.1 UrhG: Zulässig ist, Werke, die sich bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinden, mit Mitteln der Malerei oder Graphik, durch Lichtbild oder durch Film zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich wiederzugeben. Bei Bauwerken erstrecken sich diese Befugnisse nur auf die äußere Ansicht.
Leider macht es wie immer die genaue Beachtung des Wortlautes aus:
1. Werke an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen
Das „Werk“, also z.B. eine Skulptur oder ein Haus, dessen Erscheinungsbild geschützt werden soll, muss sich an einem öffentlichen Weg etc. befinden, damit die Panoramafreiheit berührt ist. Im Umkehrschluss bedeutet dies zunächst, dass es sich nicht auf einem öffentlichen Platz befinden muss. Ein Werk befindet sich „an“ öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen, wenn es von öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen aus wahrgenommen werden kann – es kommt nicht darauf an, ob das Werk selbst öffentlich zugänglich ist (BGH, I ZR 247/15).
Es genügt also, dass es vom öffentlichen Weg aus sichtbar ist. Öffentlicher Weg ist nicht nur das, was der Öffentlichkeit gewidmet ist (also z.B. der städtische Bürgersteig), sondern manchmal auch der frei zugängliche Privatweg. Wege, Straßen oder Plätze sind also „öffentlich“ im Sinne des § 59 Abs. 1 Satz 1 UrhG, wenn sie für jedermann frei zugänglich sind, unabhängig davon, ob sie in öffentlichem oder privatem Eigentum stehen!
Die Nennung von „Wegen, Straßen oder Plätzen“ in § 59 Abs. 1 Satz 1 UrhG ist dabei mit dem BGH nur beispielhaft und nicht abschließend. Die Vorschrift erfasst jedenfalls alle Orte, die sich – wie Wege, Straßen oder Plätze – unter freiem Himmel befinden. Ein Werk befindet sich auch dann im Sinne des § 59 Abs. 1 Satz 1 UrhG „an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen“, wenn es seinen Standort wechselt und die verschiedenen Orte, an oder auf denen sich das Werk befindet, öffentliche Orte sind; hier ging es um ein Kreuzfahrtschiff.
Die Öffentlichkeit im Sinne der Panoramafreiheit endet jedoch (noch) dort, wo Hilfsmittel benötigt werden: Hubschrauber, Leitern, Flugdrohnen usw., insoweit gilt noch die Hundertwasserhaus-Entscheidung des BGH. Diese Einschränkung klingt selbstverständlich, aber der BGH geht noch einen Schritt weiter: Geschützt ist wirklich nur, was vom öffentlichen Grund aus sichtbar ist. Damit ist auch die konkrete Sicht gemeint. Fotografiert man z.B. mit Erlaubnis eines Wohnungseigentümers von dessen Balkon aus ein Haus in einer Ansicht, die es vom öffentlichen Grund aus nicht gibt, fällt dies nicht mehr unter die Panoramafreiheit. Dies hat der Bundesgerichtshof in der Entscheidung „Hundertwasserhaus“ entschieden (BGH, I ZR 192/00).
Allerdings zeichnet sich hier langsam ein Wandel ab, da zunehmend die Frage gestellt wird, ob z.B. der gesetzlich geregelte und erlaubte Einsatz von Flugdrohnen nicht doch erlaubt sein müsse (so LG Frankfurt, ablehnend OLG Hamm).
Die Panoramafreiheit im Urheberrecht, §59 UrhG, ist ein wesentliches Hilfsmittel, dass die fotografische Nutzung der Allgemeinheit ermöglicht – aber: Es ist mit viel Streit verbunden.
2. Panoramafreiheit: Wann liegt ein bleibendes Werk vor?
Das Werk muss bleibend im Sinne der Panoramafreiheit an der öffentlichen Straße etc. liegen. Bei Häusern und Skulpturen ist das nicht schwer – und auch wenn der Künstler irgendwann einmal die Entfernung des Werkes erwirkt, wirkt sich das nicht aus, sofern es zu Beginn des Aufstellens bleibend sein sollte.
Ein Beispiel für ein nicht bleibendes Werk ist die Reichstags-Verhüllung durch Christo: Diese war nicht bleibend (BGH, I ZR 102/99). Eine klare Linie ließ sich aber lange nicht erkennen, Lüft im Wandtke/Bullinger-UrhG-Kommentar verweist etwa zu Recht darauf, dass letztlich eine Wertung der Gesamtumstände und nicht alleine der Wille des Ausstellers heranzuziehen ist (so auch der BGH, I ZR 102/99, der gerade nicht auf den Willen abstellt). Inzwischen gilt mit dem BGH (I ZR 247/15): Ein Werk befindet sich nach § 59 Abs. 1 Satz 1 UrhG „bleibend“ an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen, wenn es sich dauerhaft und nicht nur vorübergehend an öffentlichen Orten befindet.
Dies ist der Fall, wenn das Werk aus der Sicht der Allgemeinheit dazu bestimmt ist, für längere, in der Regel unbestimmte Zeit an öffentlichen Orten zu verbleiben.
Grenzfälle sind angebrachte Grafiken: einmal Pflastermalerei oder anders Graffiti. Jedenfalls bei Graffiti wird man wohl von einem dauerhaften Anbringen ausgehen können, schwieriger ist die Pflastermalerei, die auch umstritten ist. Ich tendiere hier mit Lüft im Wandtke/Bullinger eher zu einem bleibenden Werk.
Keine Rolle spielt es übrigens für die Panoramafreiheit, ob sich der Künstler vorbehalten hat, später einmal sein Kunstwerk wieder zu entfernen oder gar zu zerstören. Das Oberlandesgericht Köln (6 U 193/11) hat insoweit klarstellend ausgeführt, als subjektive Vorbehalte hier keine Rolle spielen können, da andernfalls die Schranke unterlaufen wird:
Die Schriftzuginstallation des Antragstellers befindet sich in diesem Sinne „bleibend“ im öffentlichen Raum. Für die Auslegung dieses Merkmals ist nicht allein auf die Widmung des Verfügungsberechtigten und seinen Willen abzustellen, das Werk zu einem nicht näher bestimmten Zeitpunkt wieder fortzuschaffen. In seiner grundlegenden Entscheidung „Verhüllter Reichstag“ (GRUR 2002, 605 [606 f.]) hat der Bundesgerichtshof betont, dass die die Widmung des Urhebers allein nicht maßgeblich sein kann.
Es gehe nicht an, etwa bei einem Denkmal nur deshalb das Merkmal „bleibend” zu verneinen, weil sich der Urheber eine Zerstörung des Denkmals nach Jahrzehnten vorbehalten habe; werde allein auf die subjektive Bestimmung des Berechtigten abgestellt, hätte es dieser in der Hand, sich durch eine entsprechende Absichtserklärung vor der nach § 59 UrhG privilegierten Nutzung seines Werks zu schützen. Für eine sachgerechte Abgrenzung komme es vielmehr auf den Zweck an, zu dem das geschützte Werk an dem öffentlichen Ort aufgestellt worden ist.
3. Problem: Veränderungen und die Panoramafreiheit (§59 UrhG)
Dieser Bereich ist mitunter recht abstrus – wie sieht es aus mit einem urheberrechtlich geschützten Werk, das (etwa durch Graffiti) unerlaubt verändert wurde? Auch hier gilt erst einmal die Panoramafreiheit, das Objekt darf fotografiert werden. Aber Vorsicht: Bei der Frage, wie das Foto verwertet werden kann, wird es knifflig.
Denn hier kommt auf einmal die Frage auf, ob die Veränderung des Werkes eine Entstellung nach §14 UrhG ist. Wenn dem so ist, würde der Fotograf mit einer Verwertung des Fotos die Entstellung verbreiten bzw. an der Verbreitung der Entstellung mitwirken. Dies wiederum greift in das Urheberpersönlichkeitsrecht des eigentlichen Urhebers ein, dem dann ein Unterlassungsanspruch zustehen kann (so LG Mannheim, 7 S 4/96).
4. Beweislast bei der Panoramafreiheit (§59 UrhG)
In einem Zivilprozess ist vor allem die Beweislage ein wichtiges Kriterium für das Obsiegen. Im Hinblick auf die Panoramafreiheit gilt: Wer sich auf § 59 UrhG beruft, trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Fotografie des Werkes von öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen aus angefertigt wurde. Zeigt die Fotografie eine Ansicht des Werkes, wie sie sich der Allgemeinheit von einem öffentlichen Ort aus bietet, so spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass die Fotografie von einem solchen Ort aus gemacht worden ist. Es ist dann Sache des Werknutzungsberechtigten, diese Vermutung durch den Vortrag konkreter Umstände zu erschüttern. Wer sich auf § 59 UrhG beruft, muss seine Behauptung beweisen.
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