Erhöhter Kraftstoffverbrauch beim PKW kann ein Sachmangel sein – und zum Rücktritt berechtigen

Ein höherer als vereinbarter Kraftstoffverbrauch eines PKW kann einen Sachmangel darstellen – wenn der Mehrverbrauch wesentlich ist, dies bestätigen inzwischen mehrere gerichtliche Entscheidungen.

Wenn ein PKW mehr Kraftstoff verbraucht als vertraglich vereinbart, liegt ein vor. Mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist es jedoch eine nur unerhebliche – und damit nicht zum berechtigende – Pflichtverletzung, wenn der Kraftstoffverbrauch eines verkauften Neufahrzeugs um weniger als 10 % von den Herstellerangaben abweicht (BGH, VIII ZR 19/05 und VIII ZR 52/96).

Ein Überblick über einzelne Aspekte bei erhöhtem Kraftstoffverbrauch.

Benennung entsprechend PKW-EnVKV

Sofern ein Verbrauch in einem Datenblatt entsprechend der genannt wird, darf der Verbraucher aber ohnehin nur erwarten, dass es sich um Angaben handelt, die sich auf das konkrete Prüffahrzeug beziehen und die von dem konkret erworbenen Fahrzeug auch nicht zwingend erreicht werden können müssen (Oberlandesgericht Hamm, I-28 U 12/11; OLG Karlsruhe, 1 U 97/07). Wichtig ist aber, dass bei Angabe der Daten konkret Bezug genommen wird auf die entsprechende Verordnung, etwa mit der Angabe „Kraftstoffverbrauch nach 1999/100/EG“ oder mit dem üblichen Satz:

„Die angegebenen Werte wurden nach den vorgeschriebenen Messverfahren (RL 80/1268/EWG in der gegenwärtig geltenden Fassung) ermittelt. Die Angaben beziehen sich nicht auf ein einzelnes Fahrzeug und sind nicht Bestandteil des Angebots, sondern dienen allein Vergleichszwecken zwischen den verschiedenen Fahrzeugtypen.“

Anders bei benannten Verbrauchswerten, die sich auf das konkrete Fahrzeug beziehen, diese muss das Fahrzeug auch erreichen können (LG Wiesbaden, 3 O 208/09).

Sprich: Bei einem Mehrverbrauch von über 10% wird man an einen Rücktritt denken können, aber nur wenn dem Verkäufer die grundsätzliche Möglichkeit einer zweifachen Nachbesserung gewährt wurde (§440 BGB). Ansonsten kommen vielleicht Minderungsgründe in Betracht, wobei fraglich ist, wo die Spürbarkeitsschwelle des Mehrverbrauchs liegt und welcher Minderungsbetrag hier zu errechnen sein wird.

Richtlinie über den Kraftstoffverbrauch von Kraftfahrzeugen

Wiederum einen anderen Aspekt behandelt das Oberlandesgericht Hamm (2 U 163/14), wenn entsprechend der zu Grunde liegenden ein ermittelter Verbrauch benannt wird:

Weicht der Kraftstoffverbrauch eines Fahrzeugs von der Prospektabgabe ab, kann ein Fahrzeugmangel vorliegen. Verweist der Prospekt auf eine Verbrauchsermittlung nach der „Richtlinie 80/1268/EWG“ kommt es darauf an, ob der richtlinienkonform ermittelte Verbrauch von der Prospektangabe abweicht. Ein Mehrverbrauch von weniger als 10% ist eine unwesentliche Abweichung im Sinne von § 323 V 2 BGB und begründet kein Rücktrittsrecht.

Zur Vereinbarung des Kraftstoffverbrauchs über Prospekte

Vorsicht: Das Oberlandesgericht Brandenburg (5 U 70/12) demonstriert, dass es gar nicht so leicht ist, nachzuweisen, welcher Kraftstoffverbrauch überhaupt vereinbart war. Alleine der Hinweis auf Prospekte ist gerade nicht ausreichend:

Durch Bezugnahme auf Prospekte oder andere Unterlagen ist keine Beschaffenheitsvereinbarung des Inhalts getroffen worden, dass der verkaufte Pkw außerorts einen tatsächlichen Verbrauch von 4,9 l/100 km aufweist. Die EG-Übereinstimmungsbescheinigung (K 5) kann für eine entsprechende Vereinbarung schon deshalb nicht herangezogen werden, weil sie unstreitig erst mit des Fahrzeugs übergeben wurde und nicht vorgetragen worden ist, dass in diesem Zeitpunkt noch eine nachträgliche Vereinbarung (§ 311 Abs. 1 BGB) getroffen wurde. Es ist aber unstreitig, dass die Klägerin sich bereits vor dem Verkaufsgespräch kundig gemacht hatte und die Herstellerangaben zum Verbrauch entsprechend der Übersicht K 6 („technische Daten“) und des Dacia-Prospektes Gegenstand der Erörterungen waren. Es ist deshalb davon auszugehen, dass sich die Soll-Beschaffenheit nach den – durch Bezugnahme und Erörterung mindestens konkludent einbezogenen – publizierten Herstellerangaben richten sollte. Es handelt sich insoweit jedenfalls um „öffentliche Äußerungen“ i.S.v. § 434 Abs. 1 S. 3 BGB (vgl. Reinking/Eggert, Der Autokauf, 11. Aufl. 2012, Rn 599). Diese Angaben bezogen sich lediglich auf den Verbrauch in bestimmten Messverfahren und können deshalb auch dann, wenn die Klägerin dies anders verstanden haben sollte, nur mit diesem Inhalt Vertragsgegenstand geworden sein. Der Klägerin als Erklärungsempfängerin war damit jedenfalls erkennbar, dass die Herstellerangaben auf einer verobjektivierenden Grundlage beruhten und dass sich der bei individueller Fahrweise erzielte Kraftstoffverbrauch mit den angegebenen Werten nicht decken musste (vgl. BGHZ 136, 94, juris Rn. 9). Die Klägerin konnte aufgrund dieser Beschaffenheitsvereinbarung demnach nur erwarten, dass die im Prospekt angegebenen Werte unter Testbedingungen reproduzierbar sind (vgl. OLG Hamm, Urteil v. 07.03.2013, Az. 28 U 94/12, juris Rz. 37).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Verbrauchsangaben in einem Hinweisschild enthalten waren, welches auf einer entsprechenden Verpflichtung des Verkäufers aus der Verordnung über Verbraucherinformationen zu Kraftstoffverbrauch und CO2-Emissionen und Stromverbrauch neuer Personenkraftwagen (Pkw-) beruhte; insbesondere war die Beklagte nicht zur näheren Erläuterung dieser Angaben verpflichtet. Die nach EG-Messvorschriften zu ermittelnden und nach der Pkw-EnVKV mitzuteilenden Verbrauchswerte und die bei individueller Fahrweise erreichbaren Verbrauchswerte müssen sich nicht decken. Erstere sind „Laborwerte“, letztere werden von einer Vielzahl individueller Faktoren beeinflusst. In den Anlagen 1 bis 4 zu § 3 Abs. 1 Nr. 1 Pkw-EnVKV werden die äußere Gestaltung, Form und Größe der Hinweisschilder geregelt; Verstöße werden gemäß § 7 Pkw-EnVKV als Ordnungswidrigkeiten geahndet. Unter diesen Gegebenheiten ist es im Hinblick auf die kaufvertragliche Haftung nicht zu beanstanden, wenn Händler auf eine freiwillige nähere Erläuterung ihrer Angaben zum Kraftstoffverbrauch verzichten. Die Angabe des nach der Richtlinie ermittelten Verbrauchs ist für den Verbraucher auch nicht völlig wertlos. Zwar muss er damit rechnen, dass der tatsächliche Verbrauch erheblich höher liegt, das Messverfahren ermöglicht aber den Vergleich verschiedener Fahrzeugmodelle auf objektivierter Basis (OLG Karlsruhe, NZV 2008, 414 [OLG Karlsruhe 01.02.2008 – 1 U 97/07]). Von Herstellern und Händlern wird nicht verlangt, auf den fehlenden Realitätsbezug noch deutlicher hinzuweisen, als durch die Pkw-EnVKV vorgegeben (Reinking/Eggert, a.a.O., Rn 608).

Übrigens: Sofern auch die CO2-Werte höher sind als angegeben, ist zu bedenken, dass diese kein eigenständiger Mangel sein können, da sie abhängig vom Kraftstoffverbrauch sind (ebenfalls Oberlandesgericht Hamm, I-28 U 12/11). Insofern sind obige Argumente übertragbar.

Rechtsanwalt Dieter Ferner (Fachanwalt für Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Dieter Ferner (Fachanwalt für Strafrecht)

Rechtsanwalt Dieter Ferner ist Fachanwalt für Strafrecht und Anwalt in der Anwaltskanzlei Ferner Alsdorf. Spezialgebiete von RA DF: Verkehrsstrafrecht, Kapitalstrafsachen, Drogendelikte, Sexualstrafrecht und Arbeitsstrafrecht.

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