Das Oberlandesgericht Köln (Az. 15 U 196/24) hat in einem Hinweisbeschluss vom 29. Juli 2024 klargestellt, dass ein Ratsmitglied sich auf das Abgeordnetenprivileg berufen kann, wenn es in Ausübung seines Mandates eine Äußerung tätigt, die in einer Ratssitzung gemacht wurde.
Dieser Hinweisbeschluss bezieht sich auf eine Klage wegen einer Äußerung, die während einer Stadtratssitzung in Dortmund fiel und anschließend über einen Livestream im Internet verbreitet wurde. Der Kläger sah sich durch diese Äußerung beleidigt und forderte Unterlassung und Schadensersatz. Das OLG Köln stellte jedoch fest, dass die Äußerung durch das Abgeordnetenprivileg gedeckt sei, welches Mandatsträger vor zivilrechtlichen Ansprüchen schützt, solange die Äußerungen nicht verleumderisch sind.
Sachverhalt
Der Beklagte, ein Mitglied des Stadtrates der Stadt Dortmund, äußerte sich in einer öffentlichen Sitzung des Stadtrats über den Kläger, wobei die Sitzung auch über YouTube gestreamt wurde. Der Kläger argumentierte, dass die gemachten Äußerungen seine Reputation schädigten und rufschädigende Tatsachenbehauptungen enthielten. Der Beklagte hingegen machte geltend, dass er die Äußerungen in seiner Funktion als Stadtratsmitglied abgegeben habe und sie daher durch das Abgeordnetenprivileg geschützt seien.
Das Landgericht Dortmund (Az. 17 O 5/24) wies die Klage des Klägers ab, woraufhin dieser Berufung einlegte. Das OLG Köln wies auch die Berufung mit der Begründung zurück, dass die Äußerung des Beklagten in Ausübung seines Mandats und damit unter dem Schutz des Abgeordnetenprivilegs erfolgt sei.
Rechtliche Analyse
- Abgeordnetenprivileg gemäß Art. 47 der NRW-Verfassung
Ein zentrales Element der Entscheidung ist das Abgeordnetenprivileg nach Art. 47 der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen (LV NRW). Dieses Privileg schützt Ratsmitglieder und Abgeordnete davor, für Äußerungen, die sie in Ausübung ihres Mandats tätigen, zivilrechtlich oder strafrechtlich belangt zu werden. Dieser Schutz gilt insbesondere für politische Debatten und Äußerungen, die in offiziellen Sitzungen getätigt werden, und schließt auch Tatsachenbehauptungen ein. Ein Mandatsträger kann also nicht aufgrund von Äußerungen im Stadtrat oder Parlament haftbar gemacht werden, es sei denn, es handelt sich um verleumderische Beleidigungen. - Streaming und Öffentlichkeit
Ein wichtiger Punkt, den das OLG Köln klarstellte, ist, dass das Abgeordnetenprivileg auch dann greift, wenn eine Ratssitzung ohne Zutun des Ratsmitglieds im Internet gestreamt wird. In diesem Fall wurde die Sitzung durch die Stadt Dortmund auf YouTube übertragen, ohne dass der Beklagte Einfluss darauf hatte. Das Gericht betonte, dass der Beklagte in Ausübung seines Mandats handelte und die Verbreitung der Sitzung über das Internet den Schutz durch das Abgeordnetenprivileg nicht einschränkt. - Kein Verlassen des geschützten Bereichs
Nach der Rechtsprechung entfällt das Abgeordnetenprivileg, wenn der Mandatsträger den Bereich der parlamentarischen Debatte verlässt, indem er sich beispielsweise direkt an die Presse wendet. In diesem Fall argumentierte der Kläger, dass die Übertragung der Ratssitzung im Internet eine solche Handlung darstelle. Das Gericht sah dies jedoch anders und entschied, dass der Beklagte weiterhin durch das Privileg geschützt sei, da die Veröffentlichung nicht auf seine Initiative erfolgte. - Verleumdung und Wahrnehmung berechtigter Interessen
Der Kläger führte weiter aus, dass die Äußerung des Beklagten verleumderisch sei, da er falsche Tatsachen über den Kläger behauptet habe. Nach Art. 47 LV NRW wäre das Abgeordnetenprivileg bei einer verleumderischen Beleidigung nicht anwendbar. Allerdings stellte das Gericht fest, dass die Äußerung des Beklagten zwar in der Tat unrichtig war, der Kläger jedoch nicht beweisen konnte, dass der Beklagte die falsche Tatsachenbehauptung wider besseres Wissen aufgestellt hatte. Es fehlte somit der erforderliche Vorsatz für eine Verleumdung gemäß § 187 StGB.
Fazit
Das OLG Köln entschied, dass die Äußerungen des Beklagten durch das Abgeordnetenprivileg geschützt sind, da sie in Ausübung seines Mandates im Stadtrat getätigt wurden. Auch die Übertragung der Ratssitzung im Internet beeinträchtigte diesen Schutz nicht, da die Veröffentlichung nicht auf Initiative des Beklagten erfolgte. Der Kläger konnte zudem nicht nachweisen, dass die Äußerungen des Beklagten verleumderisch waren. Diese Entscheidung unterstreicht die weitreichenden Schutzrechte, die Mandatsträgern durch das Abgeordnetenprivileg gewährt werden, und die Anforderungen, die erfüllt sein müssen, um diesen Schutz zu durchbrechen.
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