Internationale Zuständigkeit bei Urheberrechtsverletzung

Das Urteil des Landgerichts Berlin vom 28. August 2024 (Az. 15 O 260/22) behandelt die Frage der internationalen Zuständigkeit und des Schadensersatzes bei einer angeblichen Urheberrechtsverletzung im digitalen Raum. Die Klägerinnen, zwei Musikverlage, werfen der Beklagten, einer Schweizer Bank, vor, einen urheberrechtlich geschützten Musiktitel in einem Werbefilm verwendet und diesen ohne entsprechende Lizenzen öffentlich zugänglich gemacht zu haben. Der Fall beleuchtet insbesondere die Grenzen des Territorialitätsprinzips im Urheberrecht und die Voraussetzungen für die Geltendmachung von Schadensersatz.

Sachverhalt

Die Klägerinnen sind ein international tätiger Musikverlag und dessen britische Schwestergesellschaft. Sie besitzen die Rechte an einem Musikwerk des Komponisten L. E., das ohne ihre Zustimmung von der Beklagten, einer Schweizer Kantonalbank, in einem Werbefilm verwendet wurde. Der Film war zwischen 2014 und 2020 auf den Webseiten der Bank sowie auf deren -Kanal abrufbar. Diese Seiten waren auch vom deutschen Staatsgebiet aus zugänglich, jedoch argumentierte die Beklagte, dass der Anteil deutscher Nutzer minimal sei und der Film nicht explizit auf den deutschen Markt abzielte.

Die Klägerinnen forderten Schadensersatz in Höhe von 740.000 Euro sowie Auskunft über die weltweite Nutzung des Werks. Sie stützten sich dabei auf das deutsche Urheberrechtsgesetz (§ 97 Abs. 2 UrhG), das vorsieht, dass bei der Verletzung eines Urheberrechts ein Anspruch auf Schadensersatz besteht.

Rechtliche Probleme und Analyse

  1. Internationale Zuständigkeit und Territorialitätsprinzip
    Ein zentrales Problem war die Frage, ob das Landgericht Berlin für die zuständig ist. Die Klägerinnen argumentierten, dass die Verletzung auch in Deutschland stattgefunden habe, da der Werbefilm hier abrufbar war. Die Beklagte hingegen hielt das deutsche Gericht für unzuständig, da der Film in der Schweiz produziert und auf Schweizer Webseiten veröffentlicht wurde. Das Gericht wendete das Territorialitätsprinzip an, wonach Urheberrechte nur in dem Land geschützt sind, in dem das Werk registriert oder geschützt ist. Gemäß Art. 5 Nr. 3 des Luganer Übereinkommens (LugÜ) sind die Gerichte des Orts zuständig, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist. Das Gericht entschied, dass für Urheberrechtsverletzungen im Internet sowohl der Ort des Uploads als auch der Ort, an dem die Website zugänglich ist, relevant sein können. Allerdings genügt die bloße Abrufbarkeit des Werks in Deutschland nicht, um eine Verletzung des deutschen Urheberrechts zu begründen.
  2. Schadensersatz und Auskunftsansprüche
    Die Klägerinnen verlangten umfangreiche Auskünfte über die weltweite Nutzung des Werks und stellten Schadensersatzforderungen, die sich auf die Nutzung außerhalb Deutschlands bezogen. Hierbei stand die Frage im Mittelpunkt, ob ein deutscher Gerichtsbeschluss weltweit gültig sein kann. Das Gericht betonte, dass es nur für Rechtsverletzungen in Deutschland zuständig sei und die Auskünfte sowie der Schadensersatz sich nur auf das deutsche Territorium beziehen dürfen. Dies stützt sich auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), der in Fällen wie „An Evening with Marlene Dietrich“ und „Pez Hejduk“ klargestellt hat, dass ein Gericht nur für Schäden im eigenen Hoheitsgebiet zuständig ist. Ein Anspruch auf weltweiten Schadensersatz wurde daher abgelehnt.
  3. Vervielfältigung und öffentliche Zugänglichmachung
    Im Kern des Falls stand die Frage, ob die Beklagte gegen das Urheberrecht verstoßen hat, indem sie den Werbefilm auf ihren Webseiten und Plattformen veröffentlichte. Das Urheberrecht schützt sowohl das Vervielfältigungsrecht (§ 16 UrhG) als auch das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 19a UrhG). Die Klägerinnen argumentierten, dass diese Rechte durch den Upload des Films verletzt wurden. Das Gericht stellte jedoch fest, dass der Upload des Films und seine Bereitstellung auf Servern in der Schweiz und Frankreich erfolgte, also außerhalb Deutschlands. Es bezog sich auf die Rechtsprechung des EuGH, wonach der Handlungsort entscheidend ist. Da der Film nicht von Deutschland aus veröffentlicht wurde und keine gezielte Ansprache des deutschen Marktes nachweisbar war, sah das Gericht keine Verletzung der deutschen Urheberrechte.
  4. Fehlende Ausrichtung auf den deutschen Markt
    Ein weiteres Argument der Klägerinnen war, dass die Webseiten der Beklagten auf den deutschen Markt abzielten, da sie auch auf Deutsch verfügbar waren. Das Gericht widersprach dem jedoch. Es führte aus, dass die Verwendung der deutschen Sprache nicht zwangsläufig auf eine gezielte Ansprache des deutschen Marktes hinweise, da Deutsch eine der Amtssprachen der Schweiz sei und die Beklagte auch in der Schweiz tätig ist. Außerdem waren die Abrufzahlen des Films aus Deutschland vernachlässigbar gering, was gegen eine gezielte Ausrichtung auf den deutschen Markt sprach.
  5. Geoblocking und Schutz vor Zugriff aus Deutschland
    Die Klägerinnen argumentierten weiter, dass die Beklagte die Abrufbarkeit des Films in Deutschland durch Geoblocking hätte unterbinden müssen. Das Gericht folgte dieser Argumentation nicht und verwies auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH). Nur wenn ein Anbieter nachweislich auf den deutschen Markt abzielt, ist er verpflichtet, technische Maßnahmen wie Geoblocking zu ergreifen, um den Zugriff zu beschränken.

Fazit

Das Landgericht Berlin wies die Klage der Klägerinnen ab, da keine ausreichende Verbindung zur Bundesrepublik Deutschland bestand und somit keine Urheberrechtsverletzung nach deutschem Recht vorlag. Der bloße Umstand, dass der Werbefilm in Deutschland abrufbar war, genügte nicht, um einen Schadensersatzanspruch zu begründen. Das Urteil verdeutlicht die Grenzen des Territorialitätsprinzips im Urheberrecht und setzt klare Maßstäbe für die internationale Zuständigkeit bei grenzüberschreitenden Urheberrechtsverletzungen im digitalen Raum.

Diese Entscheidung zeigt, wie wichtig es ist, den Inlandsbezug und die tatsächliche Marktansprache bei der Geltendmachung von Urheberrechtsverletzungen sorgfältig zu prüfen.

Fachanwalt für Strafrecht & IT-Recht bei Anwaltskanzlei Ferner Alsdorf
Rechtsanwalt Jens Ferner ist Fachanwalt für Strafrecht sowie Fachanwalt für IT-Recht und widmet sich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht mit Schwerpunkt Cybersecurity & Softwarerecht. Er ist zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht und zur EU-Staatsanwaltschaft. Als Softwareentwickler ist er in Python zertifiziert und hat IT-Handbücher geschrieben.

Erreichbarkeit: Per Mail, Rückruf, Threema oder Whatsapp.

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Rechtsanwalt Jens Ferner ist Fachanwalt für Strafrecht sowie Fachanwalt für IT-Recht und widmet sich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht mit Schwerpunkt Cybersecurity & Softwarerecht. Er ist zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht und zur EU-Staatsanwaltschaft. Als Softwareentwickler ist er in Python zertifiziert und hat IT-Handbücher geschrieben.

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