Im Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 27. März 2025 (5 StR 450/24) bezieht sich der Senat erneut ausführlich auf die Verwertbarkeit von Daten aus dem EncroChat-Kommunikationssystem – einem zentralen Beweismittel in zahlreichen Betäubungsmittelverfahren. Die Entscheidung unterstreicht die mittlerweile gefestigte Linie des 5. Strafsenats zur strafprozessualen und verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der EncroChat-Auswertungen im Lichte europarechtlicher Vorgaben und nationaler Schutzstandards.
Verwertbarkeit trotz europarechtlicher Einwände
Konkret wendet sich der BGH gegen die Rüge, wonach die EncroChat-Daten aufgrund eines Verstoßes gegen § 91g IRG (Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen) und Art. 31 der Richtlinie über die Europäische Ermittlungsanordnung (RL-EEA) unverwertbar seien. Die Verteidigung hatte geltend gemacht, dass das Bundeskriminalamt (BKA) seine Informationspflichten nicht ordnungsgemäß erfüllt habe und deshalb ein Verwertungsverbot eingetreten sei. Der Senat weist dies aus mehreren Gründen zurück.
Zum einen sei der geltend gemachte Verfahrensverstoß im Revisionsverfahren präkludiert gewesen, da in der Hauptverhandlung nur ein anderer – rechtlich nicht identischer – Verwertungswiderspruch erhoben worden war. Der neu eingeführte Einwand stütze sich auf andere behördliche Versäumnisse zu einem anderen Zeitpunkt und könne daher nicht berücksichtigt werden.
Zum anderen wäre die Rüge auch in der Sache unbegründet. Der BGH verweist auf die Rechtsprechung des EuGH (Urt. v. 30.4.2024 – C-670/22), wonach es genügt, wenn die unterrichtende Behörde im Herkunftsmitgliedstaat eine in ihren Augen geeignete deutsche Behörde kontaktiert – auch dann, wenn diese formal nicht zuständig ist. Es sei Sache der unterrichteten deutschen Stelle, die Mitteilung ggf. weiterzuleiten. Aus den konkreten Kommunikationsakten, etwa der SIENA-Nachricht des BKA, sei nicht einmal ein Hinweis darauf ersichtlich, dass eine Prüfpflicht hinsichtlich des innerstaatlichen Schutzniveaus ausgelöst worden wäre. Eine „analoge“ Anwendung von § 91g Abs. 6 IRG scheidet daher aus.
EncroChat-Daten als taugliches Beweismittel
Der Senat bekräftigt die Zulässigkeit der EncroChat-Daten als Beweismittel, auch soweit sie Taten nach dem neuen Konsumcannabisgesetz (KCanG) betreffen. Die Revision hatte ins Feld geführt, dass die Daten unter der Geltung des BtMG erlangt worden seien und daher unter dem neuen, milderen Strafregime des KCanG unbrauchbar geworden seien. Auch diesen Einwand lässt der Senat nicht gelten: Maßgeblich sei, ob die Beweise rechtmäßig erhoben worden seien – und daran bestünden, so der BGH, keine Zweifel.
Systematische Korrektur der Schuldsprüche
Der BGH nutzt das Revisionsverfahren zudem, um die rechtliche Einordnung der Taten gemäß § 2 Abs. 3 StGB an das neue Konsumcannabisgesetz anzupassen. Da dieses für die betreffenden Handlungen mildere Strafrahmen vorsieht als das zuvor angewandte § 29a BtMG, wurden die Schuldsprüche entsprechend berichtigt. Die Konsequenz: Die auf Grundlage des BtMG gebildeten Einzelstrafen müssen neu bemessen werden, was auch die Gesamtstrafe betrifft.
Ergebnis
Der BGH bestätigt mit dieser Entscheidung die grundsätzliche Verwertbarkeit von EncroChat-Daten auch unter dem Regime des KCanG. Die Verteidigung scheiterte sowohl mit verfahrensrechtlichen als auch mit materiellen Angriffen. Entscheidend bleibt nach der Rechtsprechung des 5. Strafsenats: Solange keine konkreten Anhaltspunkte für eine Verletzung des nationalen Schutzstandards bestehen und die Unterrichtungspflichten auf EU-Ebene formal gewahrt wurden, dürfen die über EncroChat gewonnenen Inhalte verwertet werden – auch wenn sie eine tiefgreifende strafprozessuale Neuverortung nach sich ziehen.
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