BGH zur schweren Vergewaltigung mittels Methamphetamin: In seinem Beschluss vom 8. April 2025 (5 StR 731/24) bestätigt der Bundesgerichtshof die Verurteilung eines Angeklagten wegen schwerer Vergewaltigung gemäß § 177 Abs. 7 Nr. 2 StGB. Das Urteil des Landgerichts Leipzig wurde vollumfänglich aufrechterhalten. Zentraler Prüfstein war die rechtliche Einordnung des Umstands, dass der Täter eine Dosis Methamphetamin mit sich führte, um die Nebenklägerin durch dessen Wirkung zu sexuellen Handlungen zu bewegen. Der BGH greift damit ein relevantes Thema aus der Praxis auf: die strafrechtliche Bewertung von Betäubungsmitteln als Gewaltmittel im Sinne des Sexualstrafrechts.
Tatbestandliche Einordnung des Gewaltbegriffs
Nach § 177 Abs. 7 Nr. 2 StGB liegt eine besonders schwere Vergewaltigung unter anderem dann vor, wenn der Täter bei der Tat ein Mittel bei sich führt, das geeignet ist, den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt zu verhindern oder zu überwinden. Der Begriff der Gewalt ist hier nicht auf körperliche Gewaltakte im engeren Sinne beschränkt, sondern erfasst nach gefestigter Rechtsprechung auch mittelbare körperliche Zwangswirkungen – etwa durch die Beibringung von Betäubungsmitteln, sofern diese die Fähigkeit des Opfers zur Willensbildung oder -durchsetzung ausschalten oder erheblich vermindern.
Diese Auslegung hat der BGH bereits in früheren Entscheidungen zu sogenannten „K.O.-Tropfen“ etabliert. Nun bestätigt der Senat, dass diese Wertung auch auf synthetische Drogen wie Methamphetamin zu übertragen ist – selbst wenn diese nicht primär sedierend, sondern stimulierend wirken. Entscheidend sei nicht die pharmakologische Klassifikation, sondern die konkrete körperliche Wirkung im Kontext der Tat.
Das Mittel als funktionales Gewaltäquivalent
Im konkreten Fall hatte der Angeklagte eine Konsumeinheit Methamphetamin mit sich geführt – mit dem erklärten Ziel, die Nebenklägerin zu „stimulieren und zur Vornahme sexueller Handlungen gefügig zu machen“. Nach den Feststellungen des Landgerichts verfolgte der Täter damit bewusst die Strategie, den natürlichen Widerstand der Nebenklägerin zu unterlaufen, indem er deren Körper und Psyche durch das Rauschmittel beeinflusste. Das Betäubungsmittel war also funktional ein Mittel der Gewalt: Es sollte die Fähigkeit des Opfers, sich zur Wehr zu setzen, durch künstlich erzeugte Erregung und Enthemmung verringern – eine subtile, aber nicht minder effektive Form der Überwindung ihres entgegenstehenden Willens.
Der BGH macht deutlich, dass es nicht darauf ankommt, ob die Wirkung des Mittels eher sedierend oder stimulierend ist. Beide Wirkmechanismen können geeignet sein, den freien Willen zu unterlaufen. Damit ist auch der Versuch, Methamphetamin als bloß „luststeigerndes“ Mittel ohne Zwangswirkung zu entproblematisieren, rechtlich nicht tragfähig.
Die Entscheidung hat erhebliche praktische Relevanz, insbesondere für die rechtliche Bewertung sexualisierter Gewalt im Kontext des Drogengebrauchs. Sie zeigt, dass der Einsatz von bewusstseinsverändernden Substanzen im Vorfeld sexueller Übergriffe strafschärfend wirken kann – nicht nur im Sinne einer moralischen Bewertung, sondern als tatbestandliche Qualifikation. Es handelt sich nicht um eine bloße Ausprägung manipulativer Einflussnahme, sondern um eine strafbare Form der Gewaltanwendung im weiteren Sinne, wenn die Droge gezielt eingesetzt wird, um den Widerstand eines Opfers zu unterbinden.
Schlussfolgerung
Der Beschluss des BGH markiert eine konsequente Fortentwicklung des Gewaltbegriffs im Sexualstrafrecht und verdeutlicht, dass auch der psychotrope Drogengebrauch ein funktionales Äquivalent zu physischer Gewalt darstellen kann. Die Quintessenz lautet: Wer Betäubungsmittel bewusst einsetzt, um die Selbstbestimmung eines anderen im Bereich der Sexualität zu unterlaufen, bedient sich eines Gewaltmittels im Sinne des § 177 StGB – unabhängig von der konkreten pharmakologischen Klassifikation der Substanz. Das Sexualstrafrecht reagiert damit sensibel auf subtile Formen psychophysischer Einflussnahme und stärkt zugleich den Schutz der sexuellen Selbstbestimmung.
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