Ein nunmehr bekannt gewordener Fall zeigt, dass all die Diskussionen um die Einziehung von Bitcoin wertlos sind, wenn am Ende halt die dezentrale Idee hinter Kryptowährungen zuschlägt: Die rheinland-pfälzische Justiz hatte eine Bitcoinwallet mit 757 Bitcoins „beschlagnahmt“, konnte diese aber nie verwerten – denn man hatte keinen Zugriff auf die Passwortgeschützte Wallet. Ein Problem, dass die Justiz in zahlreichen Fällen plagt.
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„Beschlagnahmte“ Wallet leer geräumt
Wie nun zu lesen ist, wurde die Wallet Schritt für Schritt leer geräumt, während der eigentliche „Eigentümer“ sich in Haft befunden hat. Sonderlich schwer dürfte dies auch nicht sein, da die Nutzung eines Seed de facto Standard ist bei dem Schutz von Wallets.
Seed?
Unter einem Seed wird die Aneinanderreihung von mehreren Wörtern verstanden. Hier werden (derzeit) entweder 12 oder 24 Wörter verwendet, die willkürlich zusammengewürfelt werden. Aus diesen zusammengewürfelten Wörten können dann so genannte deterministische Wallets den benötigten Private Key ermitteln.
Wer ernsthafte Vermögenswerte in seinem Wallet liegen hat, der sorgt vor – entweder er hat seinen Seed absolut sicher auswendig gelernt oder ihn so deponiert, dass notfalls ein Dritter nach Anleitung darauf Zugriff nehmen kann. Jedenfalls bei meinen Mandanten ist die erste Variante stark verbreitet (über einen plötzlichen Todesfall und Gedanken über den Zugriff durch Erben denken die meisten seltsamer Weise ohne Hinweis nicht nach).
Verteidigung bei Geldwäsche
Beim Vorwurf Geldwäsche verteidigen unsere Strafverteidiger professionell und ruhig, vom Vorwurf bis zur Einziehung.
Strafvollzug scheitert an dezentralen Kryptowährungen
Man kann nun zwar auf dem Papier eine Wallet beschlagnahmen – das dezentrale und nicht regulierbare System interessiert das aber wenig: Wer den Schlüssel hat, hat den Zugriff. Oder kurz: Not your keys, not your coins. Und weder Haft, noch Haftbeschränkungen oder Postkontrolle sind hier als klassische Mittel der Strafverfolgung ein Weg, um ein Leerräumen zu verhindern – wer seinen Seed auswendig kann, kann diesen in normaler Briefpost codieren und der mitlesende Staatsanwalt wird es selbst mit einer Suche nicht merken.
Einfachstes Beispiel: Wenn nur mündlich besprochen ist, dass im Haftfall im dritten Brief jedes 7. Wort in umgekehrter Reihenfolge und englischer Übersetzung die Seed darstellt, wie will das jemand merken, der den Brief liest? Und das ist nur der simpelste Weg, um aufzuzeigen, dass die Justiz mit altem Denken in neuen Welten nicht weiter kommt.
Öffentlicher Dienst muss flexibler werden
Das vorliegende Beispiel zeigt, wie sich der Staat mit rückwärtsgewandtem Denken nur selber schadet: Auf Grund eines klassischen Fehlers bei der Bitcoin–Einziehung wurde wohl zu viel eingezogen – nämlich 10 Millionen, statt 1,5 Millionen (Hintergrund: Wertbemessung der Bitcoins immer mit Zeitpunkt Erlangung der Bitcoins, nicht mit Ende der Hauptverhandlung – ein Klassiker).
So oder so dürften im Wallet gut 30 Millionen aktueller Wert gebunden gewesen sein. Anstelle sich Luftschlösser denktheoretischer Einziehungen zu basteln, sollte der Staat proaktiv den Weg gehen und ein versilbern ermöglichen mit offenem/legalem Weg, aus dem Erlös sofort die eingezogene Summe zu bezahlen. Aktuell geht es nicht, weil der Dritte, der hier agiert haben wird, zumindest im Bereich (gewerblicher) Geldwäsche gehandelt hat. Denkbar wäre auch, dass der Staat eine bei ihm konkret benannte Wallet für Zweckgebundene pseudonyme Zahlungen öffnet, damit unmittelbar Rückzahlungen ohne Risiko möglich wären.
Andererseits ergeben sich für die Strafverfolger nun erhebliche Probleme: Da die Bitcoins nun unstreitig nicht mehr im Vermögen des Inhaftierten vorhanden sind und er sogar vorbringen könnte, selber beraubt worden zu sein, liegen die Voraussetzungen vor, um auf Antrag nach §459g Abs.5 StPO von der Vollstreckung abzusehen.
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