Hostprovider-Haftung und Meinungsfreiheit

In einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt (Az. 16 U 195/22) geht es um die Haftung von Hostprovidern für rechtsverletzende Inhalte ihrer Nutzer: Der Fall, in dem der Antisemitismusbeauftragte eines Bundeslandes gegen Beiträge auf einer Social-Media-Plattform vorging, beleuchtet die Abwägung zwischen und dem Schutz des Persönlichkeitsrechts. Das Urteil klärt insbesondere die Anforderungen an die Meldung rechtsverletzender Inhalte und deren Überprüfung durch den Plattformbetreiber.

Sachverhalt

Der Kläger, ein Antisemitismusbeauftragter, meldete mehrere Beiträge eines Nutzers, die ihn diffamierten, an die Betreiberin einer Social-Media-Plattform. Die Beiträge enthielten schwerwiegende Vorwürfe, darunter eine Nähe zu Antisemitismus und Pädophilie. Die Beklagte entfernte einige Inhalte, wies andere aber zurück.

Daraufhin beantragte der Kläger im Wege der einstweiligen Verfügung, die Beklagte zur Entfernung der restlichen Beiträge und zur Unterlassung künftiger, gleichartiger Veröffentlichungen zu verpflichten. Das Landgericht gab dem Antrag teilweise statt. Die Beklagte legte Berufung ein und erreichte vor dem OLG Frankfurt eine Abweisung des Antrags.

Rechtliche Würdigung

1. Grundlagen der Hostprovider-Haftung

Das OLG Frankfurt bestätigte die bestehende Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zur mittelbaren von Hostprovidern. Ein Hostprovider haftet nicht für alle Inhalte, die Nutzer auf seiner Plattform veröffentlichen. Die Haftung setzt voraus, dass der Anbieter von einer konkreten Rechtsverletzung Kenntnis erhält. Diese Kenntnis muss so konkret sein, dass die Rechtsverletzung ohne tiefgehende Prüfung unschwer erkennbar ist.

Das Gericht stellte klar, dass eine allgemeine Überwachungspflicht der Inhalte, wie sie der Kläger faktisch verlangte, weder mit deutschem Recht noch mit dem Digital Services Act (DSA) der EU vereinbar ist. Plattformen können daher nicht verpflichtet werden, sämtliche Inhalte ihrer Nutzer proaktiv zu überprüfen.

2. Anforderungen an die Meldung von Rechtsverletzungen

Das Gericht kritisierte die vom Kläger eingereichte Meldung als unzureichend. Zwar nannte der Kläger die Beiträge und deren mutmaßliche Rechtsverstöße, er legte jedoch keine konkreten Tatsachen dar, die eine Rechtsverletzung eindeutig belegen konnten. Dies sei insbesondere bei Vorwürfen wie Antisemitismus oder Pädophilie, die sowohl Tatsachenbehauptungen als auch Meinungsäußerungen enthalten können, erforderlich.

Das Gericht betonte, dass der Hostprovider in solchen Fällen nur verpflichtet sei, auf klare und detaillierte Hinweise hin tätig zu werden. Es wies darauf hin, dass weder eine bloße Behauptung der Unwahrheit noch die generelle Berufung auf Persönlichkeitsrechte ausreichend sei, um die Prüfpflicht des Hostproviders auszulösen.

3. Meinungsfreiheit versus Persönlichkeitsrecht

Die Entscheidung unterstreicht die Bedeutung der Meinungsfreiheit bei öffentlichen Debatten. Der Kläger war als Antisemitismusbeauftragter eine Person des öffentlichen Lebens. Das Gericht hob hervor, dass Kritik an seiner Amtsführung und seinem öffentlichen Auftreten grundsätzlich zulässig sei, solange diese nicht eindeutig auf falschen Tatsachen basiere oder die Intimsphäre verletze.

Die Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und ist stets eine Einzelfallentscheidung. Hierbei spielt der Kontext der Äußerungen eine entscheidende Rolle. Das Gericht war der Ansicht, dass einige der gemeldeten Beiträge zwar scharf formuliert, aber nicht ohne weiteres als rechtswidrig zu beurteilen seien.

4. Keine Pflicht zur Ergreifung weitergehender Maßnahmen

Die Beklagte hatte den Account des betroffenen Nutzers zwischenzeitlich gesperrt, sodass die angegriffenen Beiträge nicht mehr abrufbar waren. Das Gericht sah hierin bereits eine Erfüllung der Prüfpflicht. Die spätere internationale Wiederfreischaltung des Accounts begründete keine Haftung, da sich der auf Deutschland beschränkt.

Hostprovider-Haftung und Meinungsfreiheit - Rechtsanwalt Ferner

Das Urteil des OLG Frankfurt präzisiert die Anforderungen an Hostprovider und stärkt die Meinungsfreiheit im digitalen Raum. Es bestätigt, dass Plattformen nur bei konkreten und fundierten Hinweisen auf Rechtsverletzungen verpflichtet sind, Maßnahmen zu ergreifen. Gleichzeitig betont die Entscheidung, dass öffentliche Personen wie der Kläger eine kritische Auseinandersetzung mit ihrem Handeln akzeptieren müssen, solange diese nicht auf unhaltbaren Tatsachen basiert.

Fazit

Die Entscheidung des OLG Frankfurt setzt klare Grenzen für die Haftung von Hostprovidern und bekräftigt die Grundsätze der Meinungsfreiheit. Sie zeigt jedoch auch, dass Betroffene sorgfältig und präzise vorgehen müssen, um ihre Persönlichkeitsrechte wirksam zu schützen. In einer Zeit zunehmender Polarisierung auf digitalen Plattformen bietet das Urteil wichtige Orientierung für den rechtlichen Umgang mit digitalen Meinungsäußerungen.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Ich bin zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht und zur EU-Staatsanwaltschaft. Ich bin Softwareentwickler, in Python zertifiziert und habe IT-Handbücher geschrieben.

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