In einem bemerkenswerten Beschluss vom 16. Mai 2024 setzte sich das OLG München (Az. 3 U 984/24e) mit der Frage auseinander, ob Teilnehmer eines hochpreisigen Coaching-Programms nachträglich Gebühren zurückfordern können, wenn das Angebot nicht den gewünschten Erfolg bringt.
Der Fall betrifft einen Coaching-Vertrag über 20.000 Euro, abgeschlossen nach einem kostenlosen Workshop und einem Kennenlern-Call. Die Entscheidung wirft wichtige Fragen im Vertragsrecht, Fernunterrichtsrecht sowie im Hinblick auf Sittenwidrigkeit und Verbraucherschutz auf.
Sachverhalt
Die Klägerin hatte nach einer Testphase ein Coaching-Programm gebucht, das sich auf den Aufbau eines eigenen Business konzentrierte. Die Beklagte, Anbieterin des Programms, stellte Leistungen wie persönliche Coachings und Leitfäden bereit. Die Klägerin verlangte später die Rückerstattung der gezahlten Gebühren und berief sich auf verschiedene rechtliche Argumente, darunter Sittenwidrigkeit, Verstöße gegen das Gesetz über Fernunterricht und den Vorwurf, die Beklagte habe unzulässige Versprechen gemacht.
Rechtliche Würdigung
1. Sittenwidrigkeit des Vertrags (§ 138 BGB)
Das OLG stellte fest, dass die bloße Höhe des Preises (20.000 Euro) und die Notwendigkeit der Finanzierung allein keine Sittenwidrigkeit begründen. Entscheidend ist vielmehr, ob ein krasses Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht oder eine unzulässige Ausnutzung der geschäftlichen Unerfahrenheit vorliegt. Beides konnte im vorliegenden Fall nicht nachgewiesen werden. Die Vereinbarung blieb daher wirksam.
2. Anwendung des Fernunterrichtsschutzgesetzes (FernUSG)
Ein zentraler Streitpunkt war, ob das FernUSG zur Anwendung kommt. Dieses Gesetz schützt Verbraucher vor unseriösen Fernunterrichtsangeboten. Das Gericht betonte jedoch, dass Programme mit starkem Fokus auf 1:1-Coachings und ohne Überwachung des Lernerfolgs nicht unter das FernUSG fallen. Es fehlte hier an einer strukturierten Fernunterrichtsform mit prüfbaren Fortschrittskontrollen, die für den Anwendungsbereich des Gesetzes erforderlich wären.
3. Irreführende Werbung und Verbrauchertäuschung
Die Klägerin argumentierte, die Beklagte habe durch Verweise auf „gesundheitsfördernde Aspekte“ des Coachings gegen das Heilmittelwerbegesetz (HWG) verstoßen. Auch dies wurde vom OLG verneint, da die werbliche Bezugnahme auf Gesundheit am Rande des Programms keine relevante Täuschung im Sinne des HWG darstellte.
Insgesamt stärkt der Beschluss die Position von Dienstleistern, die maßgeschneiderte Programme anbieten, während Verbraucher gleichzeitig zu einem verantwortungsvollen Vertragsabschluss angehalten werden. Diese Entscheidung dürfte Signalwirkung für vergleichbare Streitfälle im Bereich der Bildungs- und Coaching-Dienstleistungen entfalten.
Fazit und rechtliche Konsequenzen
Die Entscheidung des OLG München zeigt eindrücklich die Grenzen der Rückforderung von Gebühren bei Unzufriedenheit mit Dienstleistungen wie Coachings auf. Verbraucher sollten vor dem Abschluss solcher hochpreisigen Verträge sorgfältig prüfen, welche Leistungen zugesichert werden. Anbieter hingegen müssen auf klare Kommunikation und Transparenz achten, um sich rechtlichen Angriffen zu entziehen.
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