Zahlungsweisung von Einziehungsbetrag im Rahmen der Strafaussetzung zur Bewährung zulässig?

Das Thüringer Oberlandesgericht hat in einem aktuellen Beschluss vom 6. März 2025 (Aktenzeichen: 1 Ws 80/25) wichtige Fragen zur Zulässigkeit der Weisung einer Zahlung eines Einziehungsbetrags im Rahmen einer Strafaussetzung zur Bewährung entschieden. Der Fall betraf einen Verurteilten, dessen Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen wurde, nachdem er gegen Auflagen und Weisungen verstoßen hatte. Der Beschluss des Oberlandesgerichts gibt Aufschluss über die rechtlichen Grundlagen und die Voraussetzungen für einen solchen Widerruf.

Sachverhalt

Der Verurteilte wurde mit Urteil vom 22. Juni 2021 wegen Diebstahls in Tateinheit mit versuchten Diebstahls in neun Fällen und wegen Diebstahls in acht Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Zugleich wurde die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 40.600 Euro angeordnet. Nach einer Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß § 35 BtMG setzte das Amtsgericht Gotha die Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren mit Beschluss vom 14. Dezember 2023, der am 19. Januar 2024 rechtskräftig wurde, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 BtMG für die Dauer von drei Jahren zur Bewährung aus. Der Verurteilte wurde der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers unterstellt und unter anderem angewiesen, ab dem Monat nach Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses monatlich mindestens 50 Euro zur Begleichung der im zugrundeliegenden Urteil ausgesprochenen Wertersatzeinziehung zu zahlen.

Nachdem das Landgericht Meiningen den Verurteilten am 20. August 2024 zur Kontakthaltung mit der Bewährungshelferin und zur Zahlung auf die Wertersatzweisung hin aufgefordert hatte, widerrief es die gewährte Strafaussetzung mit Beschluss vom 20. Januar 2025, nachdem der Verurteilte dem Anhörungstermin vom 14. Januar 2025 ferngeblieben war. Gegen diesen Beschluss hat der Verurteilte sofortige Beschwerde eingelegt, die das Thüringer Oberlandesgericht als unbegründet verworfen hat.

Juristische Analyse

Das Thüringer Oberlandesgericht hat in seinem Beschluss die rechtlichen Grundlagen und Voraussetzungen für den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung bei Verstößen gegen Auflagen und Weisungen ausführlich dargelegt.

Widerruf der Strafaussetzung

Das Gericht widerruft die Strafaussetzung nach §§ 36 Abs. 4 BtMG, 56f Abs. 1 Satz 1 StGB, wenn die verurteilte Person gegen Auflagen gröblich oder beharrlich verstößt oder wenn sie gegen Weisungen gröblich oder beharrlich verstößt und dadurch Anlass zu der Besorgnis gibt, dass sie erneut Straftaten begehen wird bzw. sich der Aufsicht und Leitung der Bewährungshilfe beharrlich entzieht und hierdurch Anlass zu der Besorgnis gibt, dass sie erneut Straftaten begehen wird.

Im vorliegenden Fall hat das Gericht festgestellt, dass der Verurteilte sich der Aufsicht und Leitung seiner Bewährungshelferin jedenfalls seit der Zeit nach dem 11. Juni 2024 beharrlich entzogen hat. Ein beharrliches Entziehen liegt dann vor, wenn der Verurteilte willentlich die Einflussmöglichkeiten des Bewährungshelfers durch wiederholtes oder andauerndes Verhalten ausschaltet. Nach den vom Landgericht eingeholten Auskünften der Bewährungshelferin hat der Verurteilte zwar am 2. April 2024 ein ausführliches Erstgespräch geführt, der letzte Kontakt habe jedoch am 11. Juni 2024 stattgefunden. Auf weitere Einladungen zu persönlichen Gesprächen habe der Verurteilte nicht reagiert und sei für die Bewährungshelferin auch nicht mehr telefonisch zu erreichen gewesen.

Unzulässigkeit der Zahlungsweisung

Das Gericht hat auch geprüft, ob die dem Verurteilten erteilte Zahlungsweisung zulässig war. Es hat entschieden, dass die in § 56c StGB aufgeführten Weisungen nur dann zulässig sind, wenn sie auf den Verurteilten eine über den mit der Strafanordnung verfolgten Zweck hinausgehende erzieherische Wirkung entfalten und diesen somit von der Begehung neuerlicher Straftaten abzuhalten vermögen. Demgegenüber sind Weisungen, die ausschließlich fiskalische Zwecke haben und zu denen der Verurteilte bereits anderweitig verpflichtet ist, nicht statthaft.

Nach ständiger Rechtsprechung trifft dies jedenfalls auf die Verfahrenskosten zu; diese können nicht tauglicher Gegenstand einer Bewährungsweisung sein. Für in Urteilen getroffene Einziehungsanordnungen kann nichts anderes gelten, da auch diese keine über die mit ihrer Anordnung verfolgten Zwecke hinausgehende erzieherische Wirkung entfalten können. Die vorliegende Weisung enthielt lediglich ein Zugeständnis an den Verurteilten hinsichtlich des Modus der Zahlung des Einziehungsbetrages, obgleich deren Beitreibung gesetzlich geregelt ist; eine weitergehende oder gar erzieherische Wirkung kann ihr nicht entnommen werden.

Die Zahlungsweisung ist daneben auch nicht als Auflage im Sinne des § 56b StGB zulässig. Zwar dienen Auflagen neben der Verurteilung als solcher der weiteren angemessenen Genugtuung für das begangene Unrecht, sodass Zahlungsauflagen dem Grunde nach statthaft sind, jedoch wird dieser Zweck im vorliegenden Fall dadurch verfehlt, dass dem Verurteilten die Zahlung eines bereits anderweitig vollstreckbaren Einziehungsbetrages auferlegt wurde, sodass sich dies im Ergebnis ausschließlich als Druckmittel zur Leistung darstellt und eben nicht als angemessene Genugtuung.

Mildere Maßnahmen

Das Gericht hat auch geprüft, ob mildere Maßnahmen gemäß § 56 Abs. 2 StGB in Betracht kommen. Es hat entschieden, dass weitere Auflagen oder Weisungen nicht geeignet sind, auf den Verurteilten ausreichend einzuwirken. Dies folgt bereits daraus, dass sich die Kontakthaltung auch nach eindringlicher Aufforderung durch das Landgericht nicht verbessert hat. Die sozialen Verhältnisse des Verurteilten, die im Übrigen auch während der Zeit mangelnder Kontakthaltung unverändert waren, erscheinen daher vorliegend ebenfalls nicht ausreichend tragfähig.

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Fazit

Dieser Beschluss des Thüringer Oberlandesgerichts gibt spanende Aufschlüsse über die rechtlichen Grundlagen und Voraussetzungen für den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung bei Verstößen gegen Auflagen und Weisungen: Das Gericht hat betont, dass Weisungen, die ausschließlich fiskalische Zwecke haben und zu denen der Verurteilte bereits anderweitig verpflichtet ist, nicht statthaft sind. Damit war nicht zwingend in dieser Deutlichkeit zu rechnen, ich hätte es anders erwartet. Dies gilt im Übrigen insbesondere für die Weisung zur Zahlung eines Einziehungsbetrages, da diese keine über die mit ihrer Anordnung verfolgten Zwecke hinausgehende erzieherische Wirkung entfalten kann.

Fachanwalt für Strafrecht & IT-Recht bei Anwaltskanzlei Ferner Alsdorf
Rechtsanwalt Jens Ferner ist erfahrener Fachanwalt für Strafrecht sowie Fachanwalt für IT-Recht mit über einem Jahrzehnt Berufspraxis und widmet sich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht - mit Schwerpunkten in Cybercrime, Cybersecurity, Softwarerecht und Managerhaftung. Er ist zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht sowie zur EU-Staatsanwaltschaft. Als Softwareentwickler ist er in Python zertifiziert und hat IT-Handbücher geschrieben.

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Von Rechtsanwalt Jens Ferner

Rechtsanwalt Jens Ferner ist erfahrener Fachanwalt für Strafrecht sowie Fachanwalt für IT-Recht mit über einem Jahrzehnt Berufspraxis und widmet sich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht - mit Schwerpunkten in Cybercrime, Cybersecurity, Softwarerecht und Managerhaftung. Er ist zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht sowie zur EU-Staatsanwaltschaft. Als Softwareentwickler ist er in Python zertifiziert und hat IT-Handbücher geschrieben.

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