Wann ist das Arbeitsgericht für Arbeitnehmer zuständig?

Zuständigkeit des Arbeitsgerichts: Das ist zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses. Zu Prüfen ist also, ob ein Beteiligter iSd. § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG ist. Besonders relevant ist diese Frage insbesondere in Zusammenhang mit dem Streit um die Arbeitnehmereigenschaft eines Geschäftsführers oder Scheinselbstständigen.

Wer ist Arbeitnehmer

Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG sind Arbeitnehmer Arbeiter und Angestellte sowie die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten. Auszugehen ist dabei nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vom allgemeinen nationalen und nicht von einem unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff (BAG, 9 AZB 21/15).

Die Frage des Zugangs zu den Gerichten für Arbeitssachen und der Abgrenzung der Zuständigkeitsbereiche der nationalen Gerichte fällt nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts. Das Arbeitsgerichtsgesetz basiert nicht auf Unionsrecht und setzt dieses nicht um (so ausdrücklich Landesarbeitsgericht Köln, 9 Ta 186/19). § 5 ArbGG liegt keine unionsrechtliche Bestimmung zugrunde. Durch dieses Verständnis wird dem Dienstverpflichteten ein ggf. unionsrechtlich vermittelter Schutz nicht versagt. Der unionsrechtliche Arbeitnehmerbegriff ist in Bereichen, in denen Unionsrecht anzuwenden ist, das nicht auf den Arbeitnehmerbegriff des nationalen Rechts verweist, unabhängig davon zu beachten, ob der Rechtsstreit vor den Gerichten für Arbeitssachen oder den ordentlichen Gerichten geführt wird (BAG, 9 AZB 23/18).

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sic-non-Fall

Die Zuständigkeit eines Arbeitsgerichts lässt sich mitunter damit begründen, dass die geltend gemachten Ansprüche lediglich auf eine arbeitsrechtliche Anspruchsgrundlage gestützt werden können. Ein sog. sic-non-Fall liegt vor, wenn die nur dann begründet sein kann, wenn das Rechtsverhältnis als Arbeitsverhältnis einzuordnen ist – hier spielt die ausschliessliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts eine Rolle.

Denn: Wenn der eingeklagte Anspruch ausschließlich auf eine Anspruchsgrundlage gestützt werden kann, deren Prüfung gem. § 2 ArbGG in die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte fällt, wäre das Risiko fehlerhafter Zuständigkeit bei anderen Gerichten eröffnet. Darum sind die Arbeitsgerichte schon zuständig, wenn die Klagepartei schlüssig Tatsachen vorträgt, aus denen sich ihre Arbeitnehmereigenschaft i.S.v. § 5 ArbGG ergibt (LAG Nürnberg, 2 Ta 142/18). Ausnahmsweise reicht sogar die bloße Rechtsbehauptung der Arbeitnehmereigenschaft:

In diesem Fall eröffnet bei streitiger Tatsachengrundlage die bloße Rechtsansicht der Klagepartei, es handele sich um ein Arbeitsverhältnis, den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen (BAG, Beschluss vom 21. Januar 2019 – 9 AZB 23/18 –, Rn. 20, juris). Die entsprechenden Tatsachenbehauptungen des Klägers sind in einem solchen Fall „doppelrelevant“, nämlich sowohl für die Rechtswegzuständigkeit, als auch für die Begründetheit der Klage (grundlegend BAG, Beschluss vom 24. April 1996 – 5 AZB 25/95 -, BAGE 83, 40-52, Rn. 34). Mit der Verneinung der Zuständigkeit wäre der Rechtsstreit auch in der Sache praktisch entschieden. Würde der Rechtsstreit verwiesen, so müsste das Gericht, wenn es der Begründung folgt, die zur Verweisung geführt hat, die Klage als unbegründet abweisen (BAG, Beschluss vom 3. Dezember 2014 – 10 AZB 98/14 -, Rn. 17, juris; BAG, Beschluss vom 24. April 1996 – 5 AZB 25/95 -, BAGE 83, 40-52, Rn. 37).

Landesarbeitsgericht Köln, 9 Ta 186/19

Zuständigkeit des Arbeitsgerichts bei unerlaubter Handlung

Entsprechend § 2 Abs. 1 Nr. 3 d) ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen ausschließlich zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus unerlaubten Handlungen, soweit diese im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehen.

Der Begriff der bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten aus unerlaubter Handlung ist dabei nach allgemeiner Auffassung in Rechtsprechung und Literatur weit auszulegen. Er setzt nicht voraus, dass die betreffende Streitigkeit auf Schadensersatz gerichtet ist, sondern erfasst auch auf Unterlassung gerichtete Ansprüche; hierbei spielt es keine Rolle, aus welchen bürgerlich-rechtlichen Anspruchsgrundlagen sich diese ergeben, soweit ihnen unerlaubte Handlungen im Sinne des weiten Begriffsverständnisses von § 2 Abs. 1 Nr. 3 d) ArbGG zugrunde liegen. Die Prüfung eines auf Persönlichkeitsrechtsverletzungen gestützten Unterlassungsanspruchs aus § 823 Abs. 2 i.V.m. § 1004 BGB ist deshalb nicht den ordentlichen Gerichten vorbehalten.

Die weitere Voraussetzung des § 2 Abs. 1 Nr. 3 d) ArbGG, dass die unerlaubte Handlung im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehen muss, ist nicht schon dann ausgeschlossen, wenn die unerlaubte Handlung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses begangen worden ist. Die unerlaubte Handlung kann vielmehr auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses begangen worden sein. Voraussetzung ist lediglich, dass sie in einer inneren Beziehung zum Arbeitsverhältnis der Parteien steht!

Die notwendige innere Beziehung zwischen der unerlaubten Handlung und dem konkreten Arbeitsverhältnis ist zu bejahen, wenn die unerlaubte Handlung ihre Ursache in der besonderen Eigenart des Arbeitsverhältnisses und den ihm eigentümlichen Reibungs- und Berührungspunkten findet. Hingegen fehlt die innere Beziehung, wenn Täter und Opfer der unerlaubten Handlung nur zufällig auch über ein Arbeitsverhältnis miteinander verbunden sind, die unerlaubte Handlung aber aus einer anderen Beziehung der Parteien resultiert. Das Arbeitsverhältnis darf für die unerlaubte Handlung nicht gänzlich hinweggedacht werden können.

Zuständigkeit bei Bewertungen des Arbeitgebers nach Ende des Arbeitsverhältnisses

Der grundsätzlich zu fordernde innere Zusammenhang zwischen beanstandeten Äußerungen in Bewertungen wie Google-Rezensionen, deren Unterlassung begehrt werden, und einem vormals bestehenden Arbeitsverhältnis wird grundsätzlich zu bejahen sein, wie das OLG Düsseldorf herausgearbeitet hat:

Nach dem Vortrag des Klägers stammen die Veröffentlichungen vom Beklagten. Sie stellen sich als eine Fortsetzung seiner Eintragungen im Arbeitgeber- k… dar und gemeinsam mit diesen als eine Reaktion auf die ihm ausgesprochene Kündigung. Die Rezensionen waren in der Google-Suche sämtlich dem Architekturbüro, der vormaligen Arbeitsstätte des Beklagten, zugeordnet. Sie griffen auch auf Wissen aus dem Arbeitsverhältnis zurück, etwa indem sie die vorgebliche Art und Weise der Abdeckung der Leistungsphasen 6 bis 9 der HOAI durch das Architekturbüro thematisierten. Darüber hinaus erwähnten und bewerteten sie die Kündigung des Beklagten. Damit berührten sie zugleich die Geheimhaltungs- und Verschwiegenheitspflicht aus dem Arbeitsvertrag. Dies geschah in engem zeitlichem Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (siehe zur Bedeutung des zeitlichen Zusammenhangs auch Fischer, DB 1998, 1182, 1184 f.).

Die Veröffentlichungen spiegelten zudem die mit einem Arbeitsverhältnis typischerweise einhergehenden Reibungs- und Berührungspunkte wider. Sie standen, wenn sie, wie vom Kläger vorgetragen wird und auch wahrscheinlich ist, vom Beklagten stammten, nicht lediglich in einem zufälligen, äußeren Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis. Das Arbeitsverhältnis kann bei Betrachtung der unerlaubten Handlungen nicht gänzlich hinweggedacht werden. Ohne die Erfahrungen des Arbeitsverhältnisses und die dem Beklagten ausgesprochene, von ihm als ungerecht empfundene Kündigung und die dadurch bei ihm ausgelösten Emotionen sind die Äußerungen nicht plausibel und wären in dieser Form nicht zu erwarten gewesen. Sie stellen sich vielmehr als unmittelbare Reaktion auf die Kündigung des Arbeitsverhältnisses dar.

Dem notwendigen inneren Zusammenhang, der im Einzelfall auch lockerer sein kann und keine Kausalität verlangt, die andere Einflüsse vollständig ausschließt (vgl. Schütz, in: Ahrendt, GK-ArbGG, Werksstand: Dezember 2021, § 2 Rn. 137a), steht schließlich nicht entgegen, dass das Verhältnis zwischen den Parteien auch ungeachtet des Arbeitsverhältnisses nicht spannungsfrei gewesen sein mag. Etwaige familiäre Spannungen, für die sich in den Äußerungen durchaus Anhaltspunkte finden lassen, haben die bestehende Verbindungslinie zwischen dem Arbeitsverhältnis und seiner Entwicklung einerseits und den vom Kläger beanstandeten Äußerungen in den Veröffentlichungen andererseits weder verdrängt noch vollständig überlagert. Sie mögen einen Einfluss auf den Inhalt der Äußerungen gehabt haben, hätten aber – auf der Grundlage des bisherigen Vortrags der Parteien – für sich genommen keinen stimmigen Anlass für die konkreten Veröffentlichungen gegeben.

Oberlandesgericht Düsseldorf, 16 W 45/21
Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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