Eine Entscheidung zu den Grenzen der Werbekennzeichnungspflicht bei Influencern verdeutlicht die aktuelle Situation: Im Mittelpunkt des Falls beim Oberlandesgericht Hamburg (5 U 18/22) stand die Frage, ob eine Influencerin gegen eine vertragliche Unterlassungsverpflichtung verstoßen hat, indem sie Instagram-Posts nicht als Werbung gekennzeichnet hat.
Das Urteil bekräftigt, dass Influencer sich an strenge Kennzeichnungsregeln halten müssen, insbesondere wenn sie zuvor eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben haben. Das Gericht entschied, dass selbst unbezahlte oder aus Gefälligkeit erstellte Posts als Werbung gelten können, wenn der kommerzielle Zweck nicht unmittelbar erkennbar ist. Zudem wurden die Anforderungen an die Wirksamkeit einer solchen Unterlassungserklärung sowie die Grenzen einer nachträglichen Anfechtung wegen Täuschung präzisiert.
Sachverhalt
Die Beklagte ist ein Model und Influencerin mit rund 500.000 Followern auf Instagram. Sie hatte bereits 2019 eine Unterlassungserklärung gegenüber der Klägerin, einer Verlegerin von Print- und Online-Zeitschriften, abgegeben. Darin verpflichtete sie sich, kommerzielle Inhalte ohne hinreichende Kennzeichnung zu unterlassen.
Trotz dieser Verpflichtung veröffentlichte sie in ihren Instagram-Stories mehrere Posts über ein E-Book-Bundle („The Vegan Bundle“), die mit „Swipe-Up“-Links und Verlinkungen zu Verkaufsseiten versehen waren. Die Klägerin sah hierin einen Verstoß gegen die Unterlassungserklärung und forderte die Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 15.000 Euro. Die Beklagte argumentierte, dass sie kein Geld für die Posts erhalten habe und die Werbung nur aus Gefälligkeit für eine Freundin gemacht habe. Zudem bestritt sie die Wirksamkeit der Unterlassungserklärung und erklärte sie wegen arglistiger Täuschung für nichtig.
Das Landgericht Hamburg hatte der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Die Beklagte legte Berufung ein – mit teilweisem Erfolg: Das Oberlandesgericht Hamburg bestätigte zwar grundsätzlich die Vertragsstrafe, reduzierte aber die Höhe auf 10.002 Euro.
Rechtliche Analyse
1. Pflicht zur Werbekennzeichnung auch ohne finanzielle Gegenleistung
Das Gericht stellte klar, dass die Influencerin auch dann zur Werbekennzeichnung verpflichtet war, wenn sie keine direkte finanzielle Vergütung für den Post erhalten hat. Maßgeblich sei nicht allein die Zahlung eines Entgelts, sondern ob ein kommerzieller Zweck vorliege.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 9. September 2021 – I ZR 90/20, „Influencer III“) ist eine Kennzeichnung als Werbung erforderlich, wenn sich der kommerzielle Zweck nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt. Das OLG Hamburg stellte fest, dass die beworbenen Inhalte ein „werbetypisches Layout“ hatten, durch „reklamehafte Banner“ und „auffällige Preisangaben“ gekennzeichnet waren und über spezielle Verkaufslinks vermarktet wurden. Dies genüge, um einen kommerziellen Zweck anzunehmen.
Die Behauptung der Beklagten, dass sie lediglich einer Freundin einen Gefallen tun wollte, änderte daran nichts. Entscheidend war, dass die Follower der Beklagten keinen Hinweis darauf hatten, dass es sich nicht um eine bezahlte Kooperation handelte.
2. Geltung der Unterlassungsverpflichtung trotz Gesetzesänderung
Die Beklagte argumentierte, dass die gesetzliche Grundlage für die Kennzeichnungspflicht (§ 5a Abs. 6 UWG a.F.) mittlerweile aufgehoben worden sei. Das Gericht wies diesen Einwand zurück.
Ein Unterlassungsvertrag sei auch dann wirksam, wenn sich die Rechtslage später ändert. Maßgeblich sei die Situation zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses. Da die Beklagte die Unterlassungserklärung freiwillig abgegeben hatte, war sie weiterhin an die Verpflichtung gebunden, auch wenn der Gesetzgeber später eine Neuregelung getroffen hat.
3. Keine erfolgreiche Anfechtung der Unterlassungserklärung wegen Täuschung
Die Beklagte versuchte, sich durch eine Anfechtung der Unterlassungserklärung nach § 123 BGB von ihrer Verpflichtung zu lösen. Sie behauptete, die Klägerin habe ihre Mitbewerbereigenschaft nur vorgetäuscht, um Abmahnkosten zu generieren.
Das Gericht sah hierfür jedoch keine Anhaltspunkte. Die Klägerin sei tatsächlich im Werbegeschäft tätig und könne daher als Mitbewerberin im Sinne des UWG gelten. Zudem sei die Beklagte anwaltlich beraten gewesen, als sie die Unterlassungserklärung abgab. Eine Täuschung könne nur angenommen werden, wenn die Klägerin vorsätzlich falsche Tatsachen vorgespiegelt hätte, was nicht der Fall gewesen sei.
4. Höhe der Vertragsstrafe – Abgrenzung zwischen einzelnen Verstößen
Ein zentraler Punkt der Berufung war die Höhe der Vertragsstrafe. Die Beklagte war der Ansicht, dass die einzelnen Instagram-Stories nicht als 16 separate Verstöße gewertet werden dürften, sondern als einheitlicher Vorgang.
Das OLG Hamburg folgte dieser Argumentation teilweise und fasste die Verstöße zu zwei „Handlungseinheiten“ zusammen. Dementsprechend reduzierte es die Vertragsstrafe von 15.000 Euro auf 10.002 Euro.
Gleichzeitig stellte das Gericht klar, dass es grundsätzlich zulässig sei, Verstöße gegen eine Unterlassungserklärung mit Vertragsstrafen zu ahnden. Das Instrument diene dazu, die Einhaltung der Verpflichtung sicherzustellen.
Folgen der Entscheidung
Das Urteil des OLG Hamburg sollte mit Blick auf die Praxis des Influencer-Marketings gelesen werden:
- Influencer müssen ihre Posts auch dann als Werbung kennzeichnen, wenn sie keine direkte Zahlung erhalten. Entscheidend ist, ob ein kommerzieller Zweck für Follower erkennbar ist.
- Unterlassungserklärungen behalten ihre Gültigkeit auch dann, wenn sich die gesetzliche Grundlage später ändert. Eine nachträgliche Anfechtung ist nur unter engen Voraussetzungen möglich.
- Vertragsstrafen für Verstöße gegen Unterlassungserklärungen sind grundsätzlich zulässig, müssen aber in ihrer Höhe angemessen und verhältnismäßig sein.
Das Urteil stärkt den Verbraucherschutz, indem es die Transparenz von Werbung in sozialen Medien betont. Gleichzeitig mahnt es Influencer, sich der rechtlichen Risiken bewusst zu sein, die mit Unterlassungserklärungen einhergehen.
Fazit
Das OLG Hamburg hat mit seiner Entscheidung einen wichtigen Beitrag zur Klarstellung der Werbekennzeichnungspflicht im Influencer-Marketing geleistet. Es bestätigt, dass eine Kennzeichnungspflicht auch ohne direkte Vergütung bestehen kann und dass Unterlassungserklärungen verbindlich sind, selbst wenn sich die Rechtslage später ändert.
Für Influencer bedeutet das eine verstärkte Sorgfaltspflicht bei der Gestaltung ihrer Inhalte. Wer gegen eine Unterlassungserklärung verstößt, muss mit erheblichen finanziellen Folgen rechnen. Die Entscheidung zeigt aber auch, dass Vertragsstrafen verhältnismäßig bemessen werden müssen – eine übermäßige Sanktionierung wird von den Gerichten nicht akzeptiert.
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