Trunkenheitsfahrt mit dem E-Scooter – Oberlandesgericht Hamm verschärft die Konsequenzen

Das Oberlandesgericht Hamm (Urteil vom 08. Januar 2025, Az. 1 ORs 70/24) hatte sich mit einer rechtlich brisanten Frage zu befassen: Welche Konsequenzen drohen einem Fahrer, der unter erheblichem Alkoholeinfluss einen E-Scooter benutzt?

Während das Amtsgericht Hamm zunächst nur eine Geldstrafe und ein Fahrverbot von vier Monaten verhängt hatte, verlangte die Staatsanwaltschaft eine härtere Sanktion – nämlich die Entziehung der Fahrerlaubnis. Das OLG Hamm folgte dieser Argumentation und stellte klar, dass die gesetzliche Vermutung der Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen auch für E-Scooter-Fahrer gilt, wenn eine Trunkenheitsfahrt nach § 316 StGB vorliegt.

Sachverhalt

Der Angeklagte hatte in der Nacht zum 02. Februar 2024 einen Leih-E-Scooter gemietet und war damit gemeinsam mit seiner Freundin unterwegs. Bei einer Polizeikontrolle wurde festgestellt, dass er erheblich alkoholisiert war. Eine um 03:28 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration (BAK) von 1,51 ‰ – weit über der Grenze von 1,1 ‰, ab der absolute Fahruntüchtigkeit angenommen wird.

Das Amtsgericht Hamm verurteilte den Angeklagten daraufhin wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr (§ 316 Abs. 1, Abs. 2 StGB) zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen à 10 Euro und verhängte ein viermonatiges Fahrverbot für Kraftfahrzeuge. Die Entziehung der Fahrerlaubnis hielt es jedoch für unverhältnismäßig, da ein E-Scooter nicht mit einem Pkw vergleichbar sei und das Gefährdungspotential geringer erscheine. Gegen diese Entscheidung legte die Staatsanwaltschaft Revision ein.

Rechtliche Würdigung durch das OLG Hamm

1. E-Scooter als Kraftfahrzeuge im Sinne des Strafrechts

Das OLG Hamm bestätigte zunächst, dass E-Scooter unter die Kategorie der Kraftfahrzeuge im Sinne des § 1 Abs. 1 eKFV fallen. Sie unterliegen somit denselben Regeln wie Pkw, wenn es um Trunkenheit im Straßenverkehr geht. Auch für sie gilt der Grenzwert von 1,1 ‰ für die unwiderlegbare Annahme der absoluten Fahruntüchtigkeit.

2. Gesetzliche Regelvermutung nach § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB

Gemäß § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB ist ein Täter „in der Regel“ als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen, wenn er eine Trunkenheitsfahrt begeht. Diese gesetzliche Regelvermutung bedeutet, dass eine Fahrerlaubnisentziehung grundsätzlich erfolgen muss, es sei denn, es liegen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Abweichung rechtfertigen.

Das Amtsgericht Hamm hatte angenommen, dass eine solche Ausnahme vorliege, weil es sich „nur“ um einen E-Scooter gehandelt habe und das Gefährdungspotential im Vergleich zu Pkw geringer sei. Das OLG Hamm wies diese Argumentation jedoch zurück. Es betonte, dass auch E-Scooter erhebliche Risiken für andere Verkehrsteilnehmer darstellen – etwa durch abrupte Fahrmanöver, fehlende Stabilität oder Kollisionen mit Fußgängern.

3. Keine ausreichenden Gründe für eine Ausnahme

Das OLG Hamm stellte klar, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Entziehung der Fahrerlaubnis erfüllt seien und es keine hinreichenden Gründe gebe, die Regelvermutung ausnahmsweise nicht anzuwenden. Die Tatsache, dass der Angeklagte Ersttäter war, reiche dafür nicht aus. Auch das Argument, dass zur Tatzeit wenig Verkehr herrschte, sei unerheblich.

Folgen der Entscheidung

Das OLG Hamm hob das Urteil des Amtsgerichts insoweit auf, als dass lediglich ein Fahrverbot verhängt wurde, und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung zurück. Das Amtsgericht muss nun prüfen, ob außergewöhnliche Umstände vorliegen, die es ausnahmsweise rechtfertigen würden, von einer Entziehung der Fahrerlaubnis abzusehen.

Fazit

Mit diesem Urteil setzt das OLG Hamm ein klares Signal: Wer mit einem E-Scooter betrunken fährt, muss mit denselben Konsequenzen rechnen wie ein Autofahrer. Die Annahme, dass ein geringeres Gefährdungspotential eine Ausnahme von der Regelvermutung rechtfertigen könnte, wies das Gericht entschieden zurück. Die Entscheidung dürfte damit nicht nur für juristische Fachkreise, sondern auch für die breite Öffentlichkeit von Interesse sein – insbesondere in Zeiten, in denen E-Scooter als innerstädtisches Fortbewegungsmittel immer beliebter werden.

Fachanwalt für Strafrecht & IT-Recht bei Anwaltskanzlei Ferner Alsdorf
Rechtsanwalt Jens Ferner ist Fachanwalt für Strafrecht sowie Fachanwalt für IT-Recht und widmet sich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht - mit Schwerpunkten in Cybercrime, Cybersecurity, Softwarerecht und Managerhaftung. Er ist zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht sowie zur EU-Staatsanwaltschaft. Als Softwareentwickler ist er in Python zertifiziert und hat IT-Handbücher geschrieben.

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Rechtsanwalt Jens Ferner

Von Rechtsanwalt Jens Ferner

Rechtsanwalt Jens Ferner ist Fachanwalt für Strafrecht sowie Fachanwalt für IT-Recht und widmet sich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht - mit Schwerpunkten in Cybercrime, Cybersecurity, Softwarerecht und Managerhaftung. Er ist zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht sowie zur EU-Staatsanwaltschaft. Als Softwareentwickler ist er in Python zertifiziert und hat IT-Handbücher geschrieben.

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