BGH zur Begründungspflicht bei Freisprüchen

Mit seinem Urteil vom 25. September 2024 (2 StR 223/24) hat der Bundesgerichtshof (BGH) eine bemerkenswerte Entscheidung zur Begründungspflicht bei Freisprüchen getroffen. Im Mittelpunkt stand die Frage, inwieweit ein freisprechendes Urteil Angaben zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten enthalten muss, um revisionsgerichtlicher Überprüfung standzuhalten. Der BGH hob das Urteil des Landgerichts Köln auf und stellte klar, dass auch Freisprüche eine vollständige Tatsachengrundlage erfordern.

Sachverhalt

Der Angeklagte war ursprünglich wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung angeklagt. Ihm wurde vorgeworfen, zwei Mitangeklagte beauftragt zu haben, das mutmaßliche Opfer zu überfallen, um es zur Zahlung von Geld zu zwingen. Die Mittäter sollen das Opfer in eine Wohnung gezerrt, dort geschlagen und unter Vorhalt eines Messers zur Herausgabe von Wertgegenständen gezwungen haben. Anschließend sei das Opfer in das Wettbüro des Angeklagten gebracht worden, wo dieser unter Todesdrohungen die Zahlung von 5.000 Euro gefordert haben soll.

Das Landgericht sprach den Angeklagten frei, da es keine hinreichenden Feststellungen dazu treffen konnte, ob er die Mittäter tatsächlich zur Tat angestiftet hatte. Ein Nebenkläger legte daraufhin Revision ein und rügte die Verletzung materiellen Rechts. Der BGH gab der Revision statt und verwies den Fall zur erneuten Verhandlung an eine andere Strafkammer des Landgerichts Köln.


Rechtliche Analyse

1. Anforderungen an die Begründung von Freisprüchen

Nach § 267 Abs. 5 Satz 1 StPO müssen auch freisprechende Urteile nachvollziehbar begründet werden. Dies dient nicht nur der Transparenz des Verfahrens, sondern auch der revisionsgerichtlichen Überprüfung. Der BGH betonte, dass das Fehlen von Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten die Begründung des Freispruchs unzureichend macht, wenn diese für die Bewertung der Tatvorwürfe von Bedeutung sind.

Im vorliegenden Fall sei nicht nur unklar geblieben, wie sich der Angeklagte während des Verfahrens verteidigt habe, sondern es fehlten auch Angaben dazu, ob er in der Vergangenheit durch ähnliche Taten in Erscheinung getreten war. Gerade bei schwerwiegenden Vorwürfen wie räuberischer Erpressung könne die kriminelle Vorgeschichte eines Angeklagten wichtige Rückschlüsse auf seine Tatbeteiligung ermöglichen.

2. Grenzen der richterlichen Beweiswürdigung

Die Entscheidung betont auch die Grenzen der Beweiswürdigung. Das Landgericht hatte argumentiert, dass es nicht feststellen konnte, ob der Angeklagte in das Tatgeschehen involviert war. Der BGH kritisierte jedoch, dass die Urteilsbegründung zu lückenhaft sei.

Insbesondere rügte der BGH:

  • Das Fehlen einer detaillierten Auseinandersetzung mit den Aussagen der Mittäter und des Opfers.
  • Die unzureichende Würdigung der Tatsache, dass der Angeklagte mutmaßlich wirtschaftliche Motive für die Tat hatte.
  • Die mangelnde Berücksichtigung der räumlichen Gegebenheiten zwischen dem Tatort und dem Geldautomaten, an dem das Opfer unter Zwang Geld abgehoben hatte.

Diese Aspekte hätten in die Urteilsfindung einfließen müssen, um einen tragfähigen Freispruch zu begründen.

3. Auswirkungen auf die Entscheidung zur Entschädigung für die Untersuchungshaft

Ein weiteres wichtiges Thema des Urteils war die Frage, ob der freigesprochene Angeklagte einen Anspruch auf Entschädigung für die Untersuchungshaft hat. Das Landgericht hatte ihm eine solche Entschädigung zuerkannt.

Da der BGH das Urteil insgesamt aufhob, wurde auch die Entscheidung über die Entschädigung hinfällig. Erst in einem neuen Verfahren könne beurteilt werden, ob der Freispruch Bestand hat und ob dem Angeklagten tatsächlich eine Entschädigung zusteht.

Die Entscheidung unterstreicht die Bedeutung sorgfältiger Beweiswürdigung und zeigt, dass ein Freispruch nicht allein auf der Unmöglichkeit einer Feststellung beruhen darf, sondern aktiv begründet werden muss. Dies stärkt die Transparenz und Verlässlichkeit der Strafrechtsprechung und stellt sicher, dass sowohl Angeklagte als auch Nebenkläger ihre Rechte in einem fairen Verfahren wahrnehmen können.

Fazit

Das Urteil des BGH ist eine deutliche Mahnung an die Instanzgerichte, Freisprüche nicht mit unzureichenden Feststellungen zu begründen. Auch ein Freispruch muss sich auf eine nachvollziehbare Tatsachengrundlage stützen, um revisionsfest zu sein. Ansonsten währt die Freude nur kurz.

Fachanwalt für Strafrecht & IT-Recht bei Anwaltskanzlei Ferner Alsdorf
Rechtsanwalt Jens Ferner ist erfahrener Fachanwalt für Strafrecht sowie Fachanwalt für IT-Recht mit über einem Jahrzehnt Berufspraxis und widmet sich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht - mit Schwerpunkten in Cybercrime, Cybersecurity, Softwarerecht und Managerhaftung. Er ist zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht sowie zur EU-Staatsanwaltschaft. Als Softwareentwickler ist er in Python zertifiziert und hat IT-Handbücher geschrieben.

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Rechtsanwalt Jens Ferner ist erfahrener Fachanwalt für Strafrecht sowie Fachanwalt für IT-Recht mit über einem Jahrzehnt Berufspraxis und widmet sich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht - mit Schwerpunkten in Cybercrime, Cybersecurity, Softwarerecht und Managerhaftung. Er ist zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht sowie zur EU-Staatsanwaltschaft. Als Softwareentwickler ist er in Python zertifiziert und hat IT-Handbücher geschrieben.

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