Konkurrenzrechtliche Korrektur ohne Folgen für die Strafe: Mit Beschluss vom 18. März 2025 (Az. 3 StR 482/24) hat der Bundesgerichtshof (BGH) eine prägnante Entscheidung zu den Konkurrenzverhältnissen zwischen § 308 Abs. 1 StGB (Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion) und § 40 Sprengstoffgesetz (SprengG) getroffen.
Der Fall betrifft Automatensprenger, deren Taten vielfach kombiniert mit Diebstählen erfolgten – ein Deliktskomplex, der in der Praxis zunehmend strafverfolgt wird. Die Entscheidung ist lehrreich für die rechtliche Einordnung konkurrierender Strafnormen sowie für die Frage der gesamtschuldnerischen Haftung bei Einziehungsentscheidungen.
Sachverhalt
Das Landgericht Düsseldorf hatte zwei Angeklagte – F. und M. – u. a. wegen mehrfachen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion, teils in Tateinheit mit (versuchtem) Diebstahl und Verstößen gegen das Sprengstoffgesetz, zu Gesamtfreiheitsstrafen von 10 Jahren 6 Monaten (F.) bzw. 4 Jahren 3 Monaten (M.) verurteilt. Daneben ordnete das Gericht die Einziehung des Wertes von Taterträgen an.
Der BGH hob auf die Revisionen der Angeklagten die Schuldsprüche insoweit auf, als sie tateinheitlich auch wegen eines Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz (§ 40 Abs. 1 SprengG) verurteilt worden waren. Diese rechtliche Doppelerfassung sei unzulässig, da § 40 SprengG als abstraktes Gefährdungsdelikt gegenüber § 308 StGB – einem konkreten Gefährdungsdelikt – zurücktrete.
Rechtliche Analyse
1. Konkurrenzverhältnis: Spezialität geht vor
Kern der Entscheidung ist die korrekte dogmatische Einordnung des Konkurrenzverhältnisses zwischen § 308 StGB und § 40 SprengG. Der BGH folgt dabei der gefestigten Rechtsprechung: Bei einem Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion verdrängt § 308 StGB die Strafbarkeit nach § 40 Abs. 1 SprengG wegen Spezialität.
Der Hintergrund ist folgender: § 40 SprengG schützt als abstraktes Gefährdungsdelikt die Allgemeinheit vor jeglichem unsachgemäßen Umgang mit explosionsgefährlichen Stoffen. § 308 StGB hingegen verlangt eine konkrete Gefährdung von Menschenleben oder bedeutenden Sachen. Wenn die Schwelle zur konkreten Gefahr – wie im entschiedenen Fall – überschritten ist, wird § 40 SprengG von der spezielleren Vorschrift des StGB „verbraucht“. Eine zusätzliche Ahndung nach dem Sprengstoffgesetz wäre daher rechtsfehlerhaft.
2. Keine Auswirkung auf die Strafzumessung
Trotz der Korrektur der Schuldsprüche blieb die Strafhöhe unverändert bestehen. Der BGH argumentiert hier mit dem unveränderten Schuldumfang und der fortbestehenden Tateinheit mit weiteren Delikten (Diebstahl). Nach ständiger Rechtsprechung stellt allein die Verwirklichung mehrerer Tatbestände keine zwingende Grundlage für eine höhere Strafe dar – sofern das konkrete Unrecht sich nicht ändert.
Zudem wurde betont, dass die unterschiedliche konkurrenzrechtliche Bewertung bei gleichbleibendem Sachverhalt regelmäßig keinen Einfluss auf die Strafhöhe hat. Damit bleibt das Strafmaß in seiner ursprünglichen Höhe bestehen.
3. Gesamtschuldnerische Haftung bei Einziehung
Ein weiterer Punkt betrifft die Einziehung des Wertes von Taterträgen. Die ursprünglich angeordnete Einziehung wurde durch den BGH dahin ergänzt, dass die beiden Angeklagten gesamtschuldnerisch haften. Dies ist sachgerecht, da beide nachweislich gemeinschaftlich die Geldscheine aus den gesprengten Automaten an sich genommen und darüber verfügt hatten. Eine individuelle Bezifferung der jeweils erlangten Beträge war insoweit entbehrlich – maßgeblich war allein die gemeinsame Verfügungsgewalt.
Die Entscheidung des BGH überzeugt durch ihre dogmatische Stringenz und ihre praxisnahe Korrektur. Sie zeigt exemplarisch, wie durch präzise Anwendung der Konkurrenzlehre Überverurteilungen vermieden werden können, ohne das strafrechtliche Gesamtbild zu verzerren.
Bilanz
Der Beschluss des BGH verdeutlicht: Nicht jede Tat, die mehrere Strafnormen zu erfüllen scheint, darf auch mehrfach sanktioniert werden. Die Anwendung von Spezialitätsgrundsätzen ist kein bloßes Detailwissen, sondern Voraussetzung für rechtsstaatliche Strafzumessung. Die Entscheidung ist zugleich ein Lehrstück über die Reichweite tateinheitlicher Verurteilungen, die praktische Relevanz der gesamtschuldnerischen Einziehung und die Grenzen revisionsrechtlicher Korrekturen im Strafverfahren.
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