Keine Probleme mit später, abgetrennter Einziehung: Mit Beschluss vom 4. Februar 2025 (Az. 3 Ws 409/24) hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main eine praxisrelevante Entscheidung zur Einziehung von Taterträgen getroffen. Trotz erheblicher Überschreitung der sechsmonatigen Frist des § 423 Abs. 2 StPO bestätigte das Gericht die Wertersatzeinziehung in Höhe von über 100.000 Euro – und unterstrich damit die Rechtsnatur dieser Fristvorgabe: Sie ist keine starre Ausschlussfrist, sondern eine bloße Ordnungsvorschrift. Der Beschluss hat erhebliche Relevanz für Wirtschaftsstrafverfahren, insbesondere bei komplexen Vermögensabschöpfungen.
Sachverhalt
Dem Beschwerdeführer war bereits 2017 rechtskräftig zur Last gelegt worden, Beihilfe zur Steuerhinterziehung sowie zum Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt in einer Vielzahl von Fällen geleistet zu haben. Die Einziehungsentscheidung nach §§ 73 ff. StGB wurde damals abgetrennt. Erst im Juli 2024 – also mehrere Jahre später – entschied das LG Darmstadt über die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 104.014,76 Euro. Der Betroffene wehrte sich dagegen mit Verweis auf die lange Verfahrensdauer und die angebliche Verfristung der Einziehung.
Rechtliche Analyse
1. Keine Ausschlussfrist nach § 423 Abs. 2 StPO
Das OLG Frankfurt stellte klar: Die in § 423 Abs. 2 StPO genannte Frist von sechs Monaten zur Entscheidung über die Einziehung nach Rechtskraft des Urteils ist nicht zwingend. Die Norm enthält lediglich eine Soll-Vorschrift, deren Zweck es ist, eine zeitnahe Vermögensabschöpfung sicherzustellen. Ein zwingender Fristablauf würde – so das Gericht – dem Ziel der strafrechtlichen Gewinnabschöpfung entgegenstehen und allein den Justizapparat privilegieren.
2. Bindung an das Erkenntnisurteil
Gemäß § 423 Abs. 1 Satz 2 StPO ist das Einziehungsverfahren an die Feststellungen des strafrechtlichen Erkenntnisurteils gebunden. Das OLG stellte fest, dass der Verurteilte als faktischer Geschäftsführer zweier Scheinfirmen agierte, über deren Konten Gelder aus Scheinrechnungen liefen. Ein Teil der Beträge – geschätzt auf 10 % der Umsätze – floss an die Beteiligten als verdeckte Provisionen. Das Gericht akzeptierte diese Schätzung (§ 73d StGB) als zulässige Methode zur Wertermittlung, gestützt auf Buchhaltungsunterlagen und Nachermittlungen.
3. Keine Substanz des Beschwerdevorbringens
Der Beschwerdeführer hatte die Höhe des abgeschöpften Betrags pauschal bestritten, ohne substantiierte Gegendarstellung. Damit blieb sein Angriff auf die Wertersatzeinziehung erfolglos. Das OLG betonte, dass Schätzungen im Rahmen der Vermögensabschöpfung dann zulässig sind, wenn der Täter zur Aufklärung nicht beiträgt.
Diese Quintessenz ergibt sich aus der Entscheidung: Wer Taterträge vereinnahmt hat, kann sich nicht auf Verfahrensverzögerungen berufen, um der Einziehung zu entgehen. Die Frist des § 423 Abs. 2 StPO ist nicht dazu bestimmt, Vermögensabschöpfung zu verhindern, sondern deren Beschleunigung zu fördern, weswegen dort auch nur “soll” steht! Gleichzeitig macht der Beschluss deutlich, dass pauschales Bestreiten der Einziehungsgrundlage im Beschwerdeverfahren nicht ausreicht, um die Maßnahme zu kippen.
Ergebnis
Die Entscheidung des OLG Frankfurt unterstreicht die Durchsetzungskraft der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung auch bei formal verspäteten Einziehungsentscheidungen. Für die Praxis bedeutet das: Auch Jahre nach der Hauptverhandlung können erhebliche Beträge eingezogen werden – solange die Bindung an das Erkenntnisurteil gewahrt bleibt und eine nachvollziehbare Schätzung auf belastbaren Grundlagen erfolgt. Die Ausbeute für Strafverfolger ist damit klar: Zeit ist wichtig – aber keine Grenze.
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