LG Nürnberg-Fürth zur Entschädigung bei Steuerstrafverfahren: Nicht jeder formale Verstoß gegen steuerliche Mitwirkungspflichten ist gleich ein grob fahrlässiges Verhalten im Sinne des Strafverfolgungsentschädigungsgesetzes (StrEG). Dies stellt das Landgericht Nürnberg-Fürth in einem Beschluss vom 13.03.2025 (Az. 12 Qs 62/24) klar.
In dem Verfahren ging es um die Frage, ob einer früheren Beschuldigten ein Anspruch auf Entschädigung für erlittene Durchsuchungen und Vermögensarreste zusteht, obwohl sie im Rahmen einer Außenprüfung eine zentrale Urkunde nicht vorgelegt hatte. Das Ergebnis: Ja, denn grobe Fahrlässigkeit konnte nicht festgestellt werden.
Hinweis: In StrEG-Verfahren sind wir nur tätig, wenn wir auch mit der vorherigen Strafverteidigung vollumfänglich beauftragt waren! Wir übernehmen keine singulären Mandate zur StrEG-Entschädigung.
Sachverhalt
Die Beschuldigte war Geschäftsführerin einer GmbH, die im Rahmen einer Außenprüfung mit dem Vorwurf konfrontiert wurde, verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) vorgenommen zu haben. Im Fokus standen erhebliche Barzahlungen an ihren Lebensgefährten sowie dessen Nutzung von Firmenfahrzeugen. Als Grundlage für die Zahlungen legte die Beschuldigte einen wenig konkreten Kooperationsvertrag vor. Erst im Rahmen der späteren Durchsuchungen fand die Steuerfahndung eine detaillierte Vereinbarung über eine atypisch stille Gesellschaft – ein Dokument, das geeignet gewesen wäre, die Verdachtslage zu entkräften. Das Ermittlungsverfahren wurde letztlich eingestellt.
Das Amtsgericht Nürnberg hatte eine Entschädigung wegen der unterbliebenen Urkundenvorlage abgelehnt – mit Verweis auf grob fahrlässige Verletzung der Mitwirkungspflicht (§ 200 Abs. 1 AO) und § 5 Abs. 2 StrEG. Das LG Nürnberg-Fürth hat diesen Beschluss nun aufgehoben.
Rechtliche Bewertung
1. Maßstab für grobe Fahrlässigkeit nach § 5 Abs. 2 StrEG
Die zentrale Norm des Verfahrens ist § 5 Abs. 2 Satz 1 StrEG. Danach ist eine Entschädigung ausgeschlossen, wenn der Beschuldigte die Strafverfolgungsmaßnahme vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht hat. Das LG betont, dass dieser Ausschlusstatbestand restriktiv auszulegen ist. Es bedarf eines atypischen, objektiv besonders nachlässigen Verhaltens. Dass eine Person eine steuerlich bedeutsame Urkunde nicht vorlegt, reicht dafür nicht per se aus.
2. Keine Indizwirkung der Mitwirkungspflichtverletzung
Die Verletzung der Mitwirkungspflicht aus § 200 AO ist nicht automatisch gleichzusetzen mit grober Fahrlässigkeit. Ein solches Verhalten kann auch schlicht auf einem Missverständnis oder einem einmaligen Versäumnis beruhen. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls. Das LG stellte hier insbesondere auf die berufliche Herkunft der Beschuldigten (Sozialpädagogin ohne steuerliche Vorerfahrung) sowie die unstrukturierte Kommunikation mit dem Betriebsprüfer ab. Es sei nicht ersichtlich, dass sie die steuerliche Bedeutung des fehlenden Vertrags überblickt habe.
3. Entlastendes Verhalten darf nicht gegen die Beschuldigte gewertet werden
Bemerkenswert ist die Parallele, die das Gericht zur unterlassenen Aussage im Ermittlungsverfahren zieht. Wer sich nicht äußert oder keine Unterlagen beibringt, handelt damit noch nicht grob fahrlässig. Diese Auslegung schützt das Recht auf Verteidigung und wahrt die verfassungsrechtlich gebotene Fairness des Strafverfahrens.
Das LG Nürnberg-Fürth bringt mit diesem Beschluss mehr Rechtsklarheit in die Bewertung von Mitwirkungsverstößen im Rahmen steuerstrafrechtlicher Ermittlungen. Es zeigt: Auch bei unvollständiger Kooperation besteht ein Anspruch auf Wiedergutmachung – solange kein schwerwiegendes Verschulden erkennbar ist. Die Schlussfolgerung: Der Maßstab für grobe Fahrlässigkeit im Entschädigungsrecht bleibt streng – zu Recht.
Fazit
Die Kernaussage dieser Entscheidung ist eindeutig: Die Schwelle zur groben Fahrlässigkeit ist hoch, insbesondere im Kontext steuerlicher Mitwirkungspflichten. Wer in gutem Glauben, aber ohne steuerliche Detailkenntnisse eine relevante Urkunde nicht vorlegt, verwirkt damit nicht automatisch seinen Entschädigungsanspruch nach dem StrEG. Die Entscheidung stärkt die Rechte von steuerlich unerfahrenen Beschuldigten und setzt ein klares Signal für eine differenzierte Betrachtung im Entschädigungsrecht.
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