Architektenstreit ums Urheberrecht

Wenn der Entwurf nicht als Werk zählt: Das Landgericht Köln (Urteil vom 27.06.2024, Az. 14 O 259/22) hatte über einen delikaten urheberrechtlichen Streitfall aus der Architekturbranche zu entscheiden: Ein ehemaliger angestellter Architekt wurde auf Zahlung von 10.000 Euro verklagt, weil er sich nach seiner Tätigkeit in einem Architekturbüro öffentlich als Urheber zweier Projekte präsentierte, die aus Sicht seines früheren Arbeitgebers im Büro entstanden seien. Die wurde vollständig abgewiesen. Die Entscheidung bietet anschauliche Einblicke in die Anforderungen an Urheberrechtsschutz für Bauwerke und die Reichweite vertraglicher Nutzungsrechtsklauseln.

Sachverhalt

Ein Architekt verklagte seinen ehemaligen Mitarbeiter auf Schadensersatz, da dieser sich öffentlich als Entwurfsverfasser zweier Projekte ausgab, an denen er während seiner Anstellung im Büro des Klägers beteiligt war. Streitpunkt war zum einen ein fehlerhaft beschriftetes Bauschild („Projekt C.“), zum anderen die Nutzung eines Einfamilienhausprojekts („Projekt Dr. L.“) auf Website und Social Media des Beklagten. Der Kläger sah hierin die Verletzung urheberrechtlicher Nutzungsrechte, die nach einer Klausel im Arbeitsvertrag vollständig beim Büro verbleiben sollten.

Rechtliche Würdigung

1. Kein Schadensersatz bei bloßer Urheberbenennung ohne Urheberschaft

Im Fall des „Projekts C.“ wurde ein Bauschild fälschlich mit dem Namen des Beklagten als Entwurfsverfasser beschriftet. Zwar könnte hierin grundsätzlich eine Verletzung des Benennungsrechts nach § 13 UrhG liegen. Doch das Gericht stellte klar: Dieses Recht steht allein dem (Mit-)Urheber zu. Der Kläger, Inhaber des Architekturbüros, konnte nicht beweisen, selbst schöpferisch tätig gewesen zu sein. Dass Mitarbeiter im Team tätig waren, reicht nicht aus – entscheidend ist, wer tatsächlich die kreative Leistung erbracht hat. Als bloßer Inhaber von Nutzungsrechten war der Kläger nicht anspruchsberechtigt.

2. Kein Werk, kein Schutz – hohe Anforderungen an die Schöpfungshöhe

Besonders aufschlussreich ist die Bewertung zum Projekt „Dr. L.“. Der Kläger warf dem Beklagten vor, mit einer übernommenen Gestaltung zu werben, die aus seiner Bürozeit stamme. Das Gericht prüfte daher, ob die Planung überhaupt urheberrechtlich als Werk der Baukunst nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG schutzfähig sei. Die Antwort: Nein. Die Planung sei eine fachmännische, aber routinemäßige Architekturleistung ohne die notwendige schöpferische Individualität. Das Gebäude war im Bauhausstil gehalten, die Raumaufteilung und Fassadengestaltung entsprachen geläufigen Standards – und ragten somit nicht aus dem Alltäglichen hervor:

Die für eine persönliche geistige Schöpfung notwendige Individualität erfordert, dass sich das Bauwerk nicht nur als das Ergebnis rein handwerklichen oder routinemäßigen Schaffens darstellt, sondern dass es aus der Masse alltäglichen Bauschaffens herausragt. Dies beurteilt sich nach dem ästhetischen Eindruck, den das Bauwerk nach dem Durchschnittsurteil des für Kunst empfänglichen und mit Kunst einigermaßen vertrauten Menschen vermittelt. Werke der Baukunst können beispielsweise geprägt sein durch ihre Größe, ihre Proportion, Einbindung in das Gelände, die Umgebungsbebauung, Verteilung der Baumassen, konsequente Durchführung eines Motivs, Ausgestaltung und Gliederung einzelner Bauteile wie der Fassade oder des Daches sowie dadurch, dass alle einzelnen Teile des Bauwerks aufeinander bezogen sind, so dass sie zu einer Einheit verschmelzen. Die architektonische Leistung muss über die Lösung einer fachgebundenen technischen Aufgabe durch Anwendung der einschlägigen technischen Lösungsmittel hinausgehen. Gestaltungen, die durch den Gebrauchszweck vorgegeben sind, können die Schutzfähigkeit nicht begründen; das gilt namentlich für die äußere und innere Gestaltung sowie für die Raumaufteilung. In der Verwendung allgemeinbekannter, gemeinfreier Gestaltungselemente kann aber dann eine schutzfähige Leistung liegen, wenn durch sie eine besondere eigenschöpferische Wirkung und Gestaltung erzielt wird. Zu fordern ist kein deutliches Überragen durchschnittlicher Gestaltungen, sondern lediglich eine Gestaltung, die über die technisch, sachzweckgebundenen Elemente hinaus eine individuell ästhetische Prägung erkennen lässt, weil Gestaltungsspielräume für persönliche Kreativität mit der hinreichenden Individualität ausgestaltet wurden (…).

Im Einklang damit formulierte der BGH kürzlich (angesichts des thematischen Bezugs, statt der nachfolgenden Urteile des BGH: NJW 2022, 782, Rn. 57 f. – Zugangsrecht des Architekten, m.w.N. aus der Rechtsprechung des EuGH): Eine persönliche geistige Schöpfung ist eine Schöpfung individueller Prägung, deren ästhetischer Gehalt einen solchen Grad erreicht hat, dass nach Auffassung der für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise von einer „künstlerischen“ Leistung gesprochen werden kann. Dabei kann die ästhetische Wirkung der Gestaltung einen Urheberrechtsschutz nur begründen, soweit sie auf einer künstlerischen Leistung beruht und diese zum Ausdruck bringt. Dabei entspricht dies dem unionsrechtlichen Begriff des urheberrechtlich geschützten Werks im Sinne RL 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft. Für eine Einstufung eines Objekts als Werk müssen demnach zwei kumulative Voraussetzungen erfüllt sein. Zum einen muss es sich bei dem betreffenden Gegenstand um ein Original in dem Sinne handeln, dass er eine eigene geistige Schöpfung seines Urhebers darstellt. Ein Gegenstand kann erst dann, aber auch bereits dann als ein Original in diesem Sinne angesehen werden, wenn er die Persönlichkeit seines Urhebers widerspiegelt, indem er dessen freie kreative Entscheidung zum Ausdruck bringt. Wurde dagegen die Schaffung eines Gegenstands durch technische Erwägungen, durch Regeln oder durch andere Zwänge bestimmt, die der Ausübung künstlerischer Freiheit keinen Raum gelassen haben, kann nicht davon ausgegangen werden, dass dieser Gegenstand die für die Einstufung als Werk erforderliche Originalität aufweist. Zum anderen ist die Einstufung als Werk Elementen vorbehalten, die eine solche Schöpfung zum Ausdruck bringen. Dafür ist ein mit hinreichender Genauigkeit und Objektivität identifizierbarer Gegenstand Voraussetzung, auch wenn diese Ausdrucksform nicht notwendig dauerhaft sein sollte.

3. Vertragsklauseln helfen nicht ohne Werkqualität

Zwar enthielt der Arbeitsvertrag eine Klausel, die dem Arbeitgeber umfassende Nutzungsrechte zusprach. Diese Regelung greift aber nur, wenn es sich bei der betroffenen Planung um ein urheberrechtlich geschütztes Werk handelt. Da dies gerade verneint wurde, blieb auch dieser Ansatz ohne Erfolg. Auch die Bewerbung des Projekts durch den Beklagten im Internet löste daher keinen Schadensersatzanspruch aus.

Konklusion

Die Essenz dieses Urteils lautet: Nicht jede architektonische Planung ist ein urheberrechtlich geschütztes Werk – auch dann nicht, wenn sie sauber gezeichnet, gut durchdacht und vom Arbeitgeber umfassend genutzt wurde. Für einen Urheberrechtsschutz braucht es eine schöpferische Leistung, die Individualität ausstrahlt und nicht bloß technischen oder funktionalen Erfordernissen folgt. Und selbst dann: Wer den Anspruch durchsetzen will, muss auch konkret belegen können, dass er selbst Urheber ist – die pauschale Berufung auf Teamarbeit genügt nicht.

Fachanwalt für Strafrecht & IT-Recht bei Anwaltskanzlei Ferner Alsdorf
Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht mit Schwerpunkt Cybersecurity & Softwarerecht. Ich bin zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht und zur EU-Staatsanwaltschaft.Als Softwareentwickler bin ich in Python zertifiziert und habe IT-Handbücher geschrieben.

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Unsere Kanzlei ist spezialisiert auf Starke Strafverteidigung, seriöses Wirtschaftsstrafrecht und anspruchsvolles IT-Recht inkl. IT-Sicherheitsrecht - ergänzt um Arbeitsrecht mit Fokus auf Managerhaftung.
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