NetzDG-Bußgeldleitlinien: Bußgeld im NetzDG

Das „Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken“ (auch: Netzwerkdurchsetzungsgesetz der kurz „NetzDG“) normiert diverse bußgeldbewehrte Pflichten für soziale Netzwerke, die zu empfindlichen Kosten führen können. Hier gibt es einen Überblick über die Kernthemen sowie die NetzDG-Bußgeldleitlinien des Bundesjustizministeriums.

Pflichten mit dem NetzDG

Betroffen sind ausschließlich soziale Netzwerke, dies sind mit der Legaldefinition alle Telemediendiensteanbieter, die mit Gewinnerzielungsabsicht Plattformen im Internet betreiben, die dazu bestimmt sind, dass Nutzer beliebige Inhalte mit anderen Nutzern teilen oder der Öffentlichkeit zugänglich machen (§1 S.1 NetzDG), eine künstliche Betrachtung des Begriffes in der Auslegung verbietet sich.

Ausgenommen sind solche sozialen Netzwerke, die im Inland weniger als zwei Millionen registrierte Nutzer haben; ebenfalls Plattformen mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten, die vom Diensteanbieter selbst verantwortet werden, sowie Plattformen, die zur Individualkommunikation oder zur Verbreitung spezifischer Inhalte bestimmt sind.

Zu den wesentlichen Pflichten mit dem NetzDG gehören:

  • Die Pflicht, ab einem Schwellenwert von mehr als 100 Beschwerden über rechtswidrige Inhalte im Kalenderjahr, halbjährlich einen Bericht über den Umgang mit solchen Beschwerden zu erstellen (§ 2 NetzDG).
  • Es ein wirksames Beschwerdemanagement über rechtswidrige Inhalte vorhanden sein (§ 3 NetzDG), dies geht einher mit einer behördlichen Meldepflicht (§3a NetzDG) sowie der Notwendigkeit eines ein Gegenvorstellungsverfahrens (§ 3b NetzDG).
  • Eine abschließende, besonders bedeutsame Pflicht (weil sie den Zugriff der Behörden ermöglicht) ist die Pflicht zur Benennung eines inländischen Zustellungsbevollmächtigten (§ 5 Absatz 1 NetzDG).
  • Ergänzend muss für Auskunftsersuchen einer deutschen Strafverfolgungsbehörde eine empfangsberechtigte Person im Inland benannt sein: Diese „empfangsberechtigte Person“ ist verpflichtet, auf Auskunftsersuchen binnen 48 Stunden nach Zugang der Anfrage zu antworten. Wenn das Auskunftsersuchen nicht mit einer das Ersuchen erschöpfenden Auskunft beantwortet wird, ist dies in der Antwort zu begründen (§ 5 Absatz 2 NetzDG).

Bußgeld bei Verstoß gegen NetzDG

Das NetzDG stellt in §4 NetzDG klar, dass Verstöße gegen die Kernpflichten des NetzDG Ordnungswidrigkeiten darstellen, die (natürlich) mit Bußgeldern belegt sind. Im Grundsatz können Verstöße mit einer Geldbuße bis zu fünf Millionen Euro geahndet werden, ausgenommen sind die „Personen-Pflichten“ des Absatzes 5, bei denen „nur“ eine Geldbuße bis zu fünfhunderttausend Euro vorgesehen ist. Man beachte dabei, dass die zur Auskunft benannte Person persönlich mit einem Bußgeld bedroht ist (also nicht alleine das Unternehmen dahinter). Und, Vorsicht, durch den Verweis in §4 II NetzDG auf § 30 Absatz 2 Satz 3 OWiG geht schnell unter, dass gegenüber der juristischen Person der Bußgeldrahmen zu verzehnfachen ist!

Die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten liegt entsprechend § 4 IV NetzDG beim Bundesamt für Justiz (BfJ).

Bundesamt für Justiz erlässt Bußgeldbescheide gegen das soziale Netzwerk Telegram

Das Bundesamt für Justiz (BfJ) hat in einer Pressemitteilung vom 17.10.22 mitgeteilt, zwei Bußgeldbescheide gegen die Telegram FZ-LLC erlassen zu haben, da das Unternehmen in den Jahren 2021 und 2022 gegen Vorgaben des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) verstoßen hat. Insgesamt hat das BfJ Bußgelder in Höhe von 5,125 Millionen Euro verhängt. In der Pressemitteilung des BfJ äußert man sich wie folgt:

Der Telegram FZ-LLC als Anbieterin des sozialen Netzwerks Telegram (im Folgenden: Telegram) werden Verstöße gegen die Pflicht zur Vorhaltung gesetzeskonformer Meldewege sowie gegen die Pflicht zur Benennung eines inländischen Zustellungsbevollmächtigten vorgeworfen. Das NetzDG verpflichtet die Anbieter sozialer Netzwerke, auf ihren Plattformen Meldewege vorzuhalten, damit Nutzerinnen und Nutzer Posts mit strafbaren Inhalten den Anbietern zur Prüfung nach den Vorgaben des NetzDG melden können. Ferner sind die Anbieter verpflichtet, eine zustellungsbevollmächtigte Person oder Einrichtung mit ladungsfähiger Anschrift in Deutschland zu benennen, damit deutsche Gerichte und Behörden den Anbietern Schriftstücke mit rechtsverbindlicher Wirkung im Inland zustellen können.

Den Verstoß gegen die Pflicht zur Bereithaltung gesetzeskonformer Meldewege hat das BfJ mit einem Bußgeld in Höhe von 4,25 Millionen Euro geahndet. Wegen der Nichtbenennung eines inländischen Zustellungsbevollmächtigten hat das BfJ ein Bußgeld in Höhe von 875 Tausend Euro verhängt.

Zuvor hatte das BfJ seit April 2021 mehrfach versucht, Anhörungsschreiben am Firmensitz von Telegram in Dubai zuzustellen. Trotz Unterstützung durch die zuständigen Behörden in den Vereinigten Arabischen Emiraten im Wege der internationalen Rechtshilfe ist das nicht gelungen. Im März 2022 veranlasste das BfJ deshalb die öffentliche Zustellung beider Anhörungsschreiben im Bundesanzeiger. Daraufhin zeigte eine deutsche Anwaltskanzlei gegenüber dem BfJ die Interessenvertretung von Telegram an und nahm zu den Anhörungsschreiben Stellung. Durch die Stellungnahme konnten die Vorwürfe nicht entkräftet werden, sodass das BfJ nunmehr die beiden Bußgeldbescheide erließ, die Telegram am 10. Oktober 2022 zugestellt wurden.

Die Bußgeldbescheide sind noch nicht rechtskräftig. Telegram kann Einspruch beim BfJ einlegen. Sollte das BfJ einem Einspruch nicht abhelfen, übersendet es die jeweiligen Akten über die Staatanwaltschaft an das zuständige Amtsgericht Bonn zur gerichtlichen Entscheidung.

Quelle: PM des BfJ

Höhe des Bußgeldes

Spannend ist die Frage, wie sich die Bußgelder im Rahmen des NetzDG bemessen lassen – wer glaubt, dass hier „gewürfelt“ wird, liegt falsch! Man muss wissen, dass das Bundesministerium der Justiz die sogenannten allgemeinen Verwaltungsgrundsätze über die Ausübung des Ermessens der Bußgeldbehörde bei der Einleitung eines Bußgeldverfahrens und bei der Bemessung der Geldbuße (NetzDG-Bußgeldleitlinien, aktueller Stand hier) erlassen hat und fortwährend pflegt.

Bei der Zumessung der Geldbuße geht das BfJ in einem auf vier Schritten basierenden Verfahren vor:

  1. Im ersten Schritt wird der Grundbetrag mittels tatbezogener Zumessungskriterien ermittelt (I.). Hierbei wird insbesondere das soziale Netzwerk zunächst mithilfe von vier definierten Größengruppen kategorisiert, die seiner Bedeutung für die Öffentlichkeit entsprechen. Sodann wird die Schwere des Verstoßes anhand der vorliegenden spezifischen Tatumstände und Tatfolgen des Einzelfalls bewertet. Die Kriterien werden hierzu in „außerordentlich schwer“, „sehr schwer“, „schwer“, „mittel“ oder „leicht“ eingestuft. Die „NetzDG-Bußgeldleitlinien“ halten sodann für die Kombinationen aus beiden Kriterien Grundbeträge in Tabellen vor, wobei die spezifischen Umstände anhand allgemeiner Kriterien dargelegt werden;
  2. im zweiten Schritt wird der Grundbetrag mit Hilfe von weiteren tat- und vor allem täterbezogenen Zumessungskriterien an die konkrete Schuld der oder des Betroffenen angepasst (II.);
  3. in einem dritten Schritt finden die wirtschaftlichen Verhältnisse der oder des Betroffenen Berücksichtigung (III.);
  4. In einem vierten Schritt kann das BfJ zudem den wirtschaftlichen Vorteil, den die oder der Betroffene aus der Tat erlangt hat, abschöpfen (IV.)

Kritik an den NetzDG-Bußgeldleitlinien

Auch wenn das Ansinnen der Behörden, die Bußgelder im Bereich des NetzDG Transparenz zu bemessen, sicherlich zu begrüßen ist, hinterlassen die NetzDG-Bußgeldleitlinien einen gewissen faden Beigeschmack: Es verbleibt der Eindruck, dass pauschaliert wird und der Einzelfall anhand zu kurzer Kriterien „bemessen“ wird. Diese Diskussion ist nicht neu, man kennt sie bereits von dem Versuch der Behörden, die Bußgeldrichtlinien im Rahmen der zu vereinheitlichen. Ein klügerer Weg wäre es, das gesamte Normenwerk als Obergrenze mit einem ausdrücklich nach unten offenen Bereich zu normieren. Am Ende verkommt sonst das Ordnungswidrigkeitenrecht zur automatisierten Anwendung mittels Taschenrechner.

Ein Beispiel: Wer auf Seite 35 der Leitlinien, unter Ziffer 5 „Verfahren zur Übermittlung von Anträgen auf Überprüfung einer
Entscheidung“ die „Grundbeträge für natürliche Personen“ in den Blick nimmt, sieht, dass sich der Satz eines leichten Verstoßes in der Kategorie D zum mittleren Verstoß hin verdreifacht, zur nächsten Schwelle gar vervierfacht, danach aber jeweils „nur noch“ verdoppelt. Dabei erschließt sich schon nicht, warum „leicht zu mittel“ so gravierend schlimmer sein soll, als etwa von „schwer zu außerordentlich schwer“. Das Zahlenwerk mag dem Versuch geschuldet sein, Berechenbarkeit zu schaffen – wie so oft, wenn man Sanktionen mit dem Taschenrechner auswirft, wirkt es aber schnell eher willkürlich.

Und: der Ansatz der Leitlinien insgesamt verkennt bereits, dass das OWI-Recht als das „kleine Strafrecht“ gilt, insbesondere wesentliche Elemente des Strafprozesses auch hier zu Anwendung gelangen. Eines der Kernprinzipien im modernen Rechtsstaat ist dabei – mit dem – dass es keine vergleichenden Strafen gibt, da hierüber der Einzelfall verschwindet und der einzelne ohnehin droht, zum schlichten Objekt des Verfahrens zu verkommen. Man mag sich diese Grundsätze wieder in Erinnerung rufen und entsprechend kritisch mit Bußgeldern in diesem Bereich sein.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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