Befugnisse datenschutzrechtlicher Aufsichtsbehörde bei unzulässiger Verbreitung von Videos

Im Kontext der Verbreitung identifizierender Videos (hier: über die Videoplattform ) konnte sich das Verwaltungsgericht Bremen (4 K 1338/21) in einer Entscheidung vom 10.10.22 zu den Befugnissen einer datenschutzrechtlichen Aufsichtsbehörde äußern und klarstellen, dass eine -Behörde das Werkzeug hat, um folgende Anordnungen zu treffen:

  • Sowohl Videos als auch ein Screenshot, bereitgehalten auf einer Internetseite, sind von der Internetseite vollständig zu entfernen;
  • Untersagung, künftige Videos von inhaltlich durch Kriterien umrissenen Videokonferenzen auf (s)einer Internetseite zu veröffentlichen, soweit diese Videos die Teilnehmer*innen der Sitzungen (Beiratsmitglieder, Gäste, Öffentlichkeit) zeigen und/oder deren Stimmaufnahmen beinhalten;
  • Im Fall des Nichtbefolgens stehen Zwangsgelder im Raum. Auch hinsichtlich der zukünftigen Verpflichtung!

Der erste Aspekt ist wenig überraschend, der zweite ist durchaus interessant, denn hier wird einer Aufsichtsbehörde die Durchsetzung eines Unterlassungsanspruchs in die Hand gegeben. Dies erweitert das Tätigkeitsfeld von Aufsichtsbehörden, insbesondere entwickeln sich diese dadurch zu einem schlagkräftigen Alternativ-Werkzeug zu Abmahnungen.

Der Sachverhalt

Der Sachverhalt des Gerichts ist leider denkbar kurz, einige technische Details wären durchaus interessant gewesen:

Der Kläger ist Betreiber der Website www…de. Diese Seite veröffentlicht unter der Überschrift … Kommentare über gesellschaftliche, primär politische Themen. Auf der Website wurden unter anderem Screenshots von einer per Online-Videokonferenz abgehaltenen Sitzung des Beirats … vom … veröffentlicht. Des Weiteren wurden YouTube-Videos von derselben Sitzung mit den Titeln … und … ergänzt. Nachdem das Video … und … veröffentlicht und um einen Ankündigungstext auf YouTube-Deutschland blockiert wurde, wurde auf der Website eine Anleitung veröffentlicht, in dem die Umgehung der Blockade beschrieben wurde.

(Un-)Zulässigkeit der Veröffentlichung

Die Frage der zulässigkeit der Veröffentlichung war sicherlich für den Betroffenen das wichtigere Thema, hier steht es weniger im Fokus. Nur der Vollständigkeit halber ist zu erinnern, dass bereits Art. 6 Abs. 1 Satz 1 DSGVO für die grundsätzlich rechtswidrige Verarbeitung streitet, die (allein) dann rechtmäßig sein kann, wenn ausnahmsweise ein Legitimationstatbestand einschlägig ist.

Das Gericht prüfte hier Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. f) als Legitimationsgrundlage, der für die Veröffentlichung nicht in Betracht kam. Demzufolge ist eine Verarbeitung, die zur Wahrung berechtigter Interessen des Verantwortlichen oder eines Drittem erforderlich ist, legitim, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen. Ein berechtigtes Interesse im Sinne dieser Vorschrift vermochte das Verwaltungsgericht nicht zu erkennen, vor allem, da es als Intention des Handeln überwiegend eine Diffamierung der Beteiligten gesehen hat.

Interessant ist allemal, wie man damit umgeht, dass die hier im Raum stehende Sitzung öffentlich zugänglich war:

Im Übrigen war die Verarbeitung nicht erforderlich. Die Sitzung des Beirats war über einen öffentlichen Link zugänglich, so dass die interessierte Bevölkerung die Möglichkeit hatte, an der Sitzung teilzunehmen. Die Sitzungen der Beiräte werden protokolliert und im Internet für die Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt, so dass auch bei einer Verhinderung zum Zeitpunkt der Sitzung, eine Information über die Inhalte der Sitzung möglich ist. Die durch Video- und Tonaufnahmen erlangten Mehrinformationen haben keinen Bezug mehr zu dem Zweck der politischen Aufklärung, da dieses bereits durch die Protokolle abgedeckt ist.

Es gibt eine Vielzahl von Aspekten, die man hier vertiefen könnte, etwa wenn das VG ausführt, dass die Veröffentlichung der Videos selbst stellt keine Meinung darstellt, da es lediglich das zur Verfügung stellen des Videos ohne ein Element der Stellungnahme ist – insoweit ist mit dem BVerfG durchaus anerkannt, dass Informationen, die als Grundlage der Meinungsbildung dienen (können) ebenfalls vom Schutzbereich des Art. 5 Abs.1 GG betroffen sein können. Insgesamt liest es sich so, dass gerade die eigentliche Aufnahme unverändert war und es die inhaltliche Auseinandersetzung ist, die kritisch aufgegriffen wird (durch die Bezugnahme auf die Videos) – das aber wäre dann ein Paradebeispiel der Anwendung der Meinungsäußerungsfreiheit. Allerdings steht dies hier hinten an, denn der folgende Aspekt ist für mich interessanter.

Unterlassungsverfügung für die Zukunft

Mit Art. 58 II f) ist es natürlich möglich, dass Behörden endgültige Verbote aussprechen und diese auch in die Zukunft hineinwirken – dies liegt in der Natur eines (endgültigen) Verbotes. Hieraus erkennt dann das Verwaltungsgericht die Zulässigkeit der Untersagungsanordnung mit Zwangsgeldandrohung für die Webseite:

Die Unterlassungsverfügung bezüglich der zukünftigen Veröffentlichung von Videos aus den Beiratssitzungen des Beirats … gemäß … des streitgegenständlichen Bescheids ist rechtmäßig. Sie beruht ebenfalls auf Art. 58 Abs. 2 lit. f) Alt. 2 DSGVO, welcher es ermöglicht, Verbote für die Zukunft auszusprechen. Bezüglich der Rechtswidrigkeit der Veröffentlichung von solchen Videos, wie denen, die in der Anordnung zukünftig untersagt wird, wird nach oben verwiesen.

Das Ergebnis ist durchaus kritisch zu würdigen: Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Webseitenbetreiber die Videos selber erstellt und/oder auf YouTube hochgeladen hat, er verweist – so verstehe ich jedenfalls die Entscheidung – von seiner Webseite schlicht darauf, wahrscheinlich war das Video auch eingebettet. Weiterhin hat er sich dann mit diesen Videos, so ist für mich die rudimentäre Entscheidung zu verstehen, auseinandergesetzt. Dies wohl auf „diffamierende“ Weise (erläutert wird nicht wie), während die Videos wohl nicht verfälscht oder bearbeitet waren.

Das Ergebnis ist, dass nach meinem Verständnis hier das rechtliche Gerüst der DSGVO genutzt wird, um persönlichkeitsrechtliche Fragen zu klären, die im Spannungsfeld gerade der Meinungsäußerungsfreiheit liegen und primär in das Zivilrecht gehören. Eine Aufsichtsbehörde steuert damit am Ende durch unmittelbare Verfügung samt Zwangsgeld die inhaltliche Auseinandersetzung durch das Datenschutzrecht.

Datenschutzrechtliche Aufsicht statt Abmahnung?

Der Vorteil für die Betroffenen liegt sicherlich darin, dass ein deutlich kostengünstigerer und effektiverer Weg im Vergleich zu einer mit nachgelagertem Zivilverfahren vorliegt. Der Nachteil liegt in einem doch recht unmittelbaren Eingriff in die Meinungsäußerungsfreiheit, die gerade bei Belangen mit öffentlichem Bezug schnell betrifft.

Insgesamt zeichnet sich hier zum einen ab, dass Webseitenbetreiber bei Bezugnahme auf öffentliche Berichterstattung mit einem scharfen datenschutzrechtlichen Schwert rechnen müssen. Zum anderen zeigt sich, dass jedenfalls mit diesem Verwaltungsgericht in die Zukunft gerichtete persönlichkeitsrechtliche Unterlassungsansprüche durch datenschutzrechtliche Aufsichtsbehörden de facto vorgenommen werden können.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften. Dabei bin ich fortgebildet in Krisenkommunikation und Compliance.

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