Das LG Frankfurt am Main (2-03 O 430/17) konnte sich zum Anwendungsbereich des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes („Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken“, NetzDG) äussern und feststellen, dass dieser unklar und somit in jedem Fall auslegungsbedürftig ist. Dabei geht es davon aus, dass Persönlichkeitsrechtsverletzungen, die unter Verwendung des „Facebook-Messengers“ nicht öffentlich zwischen nur zwei Personen erfolgt sind, nicht in den Anwendungsbereich von § 1 Abs. 1 Netz DG fallen.
Hintergrund war das Begehren einer Antragstellerin hinsichtlich eines Auskunftsanspruchs aus § 14 Abs. 3 TMG auf Daten der Beteiligten an einem Chat. Sie vertrat dabei die – durchaus in der Literatur vorhandene! – Auffassung, dass ihr ein Auskunftsanspruch aus § 14 Abs. 3 TMG zustehe, da Facebook vorliegend als soziales Netzwerk im Sinne von § 1 Abs. 1 NetzDG einzustufen ist:
„Eine Aufspaltung eines sozialen Netzwerkes in seine unterschiedlichen Funktionen widerspreche dem Sinn und Zweck des NetzDG. Der Begriff „Plattform“ sei aus Nutzersicht zu bestimmen. Für den Nutzer stelle sich das Angebot der Beteiligten als eine einheitliche Plattform und ein einheitliches soziales Netzwerk dar. Der Messenger stelle lediglich eine zusätzliche Kommunikationsfunktion innerhalb des sozialen Netzwerks der Beteiligten dar. Durch die Äußerungen seien die in § 1 Abs. 3 NetzDG genannten Straftatbestände verwirklicht.“
Das Landgericht lehnt aber das Merkmal Öffentlichkeit ab, wobei die Kammer es sich nicht leicht machte, sondern recht dezidiert Wortlaut, Systematik, Zweck und Gesetzgebungsgeschichte der Regelung prüft. Letztlich steht für das Landgericht fest, dass das NetzDG nicht öffentliche Tathandlungen vom Anwendungsbereich ausschliesst:
Dies ergibt sich zum einen (indiziell) aus dem Wortlaut, der „Plattformen, die zur Individualkommunikation bestimmt sind“, ausnehmen soll. Aus der Gesetzesbegründung des NetzDG und der Gesetzgebungshistorie ergibt sich weiter, dass nur „Kommunikation, [die sich] typischerweise an eine Mehrzahl von Adressaten richtet bzw. zwischen diesen stattfindet“ nicht in den Anwendungsbereich fallen soll.
Letztlich verbleibt es dabei bei einer Norm, die – zu Recht – viel kritisiert jeglichen Persönlichkeitsschutz ausklammert und versucht, die Gesellschaft politisch zu schützen:
Die Kammer bestätigt damit, was in der Beratung Betroffenen von anonymen Persönlichkeitsrechztsverletzungen immer wieder erklärt werden muss: Der Gesetzgeber kümmert sich nicht um die persönlichen Belange von Betroffenen, die teilweise ohnmächtig Verbalattacken hinnehmen müssen, während er sich um so intensiver um Urheberrechtsverletzungen und allgemeine Gesellschaftspolitische Ziele kümmert.
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