Das Oberlandesgericht Hamm, 5 Ws 199/23, hat entschieden, dass die Aufhebung des von der Staatsanwaltschaft angefochtenen Außervollzugsetzungsbeschlusses im Beschwerdeverfahren nicht an § 116 Abs. 4 StPO zu messen ist.
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Dass die Staatsanwaltschaft einen Außervollzugsetzungsbeschluss nur unter den einschränkenden Voraussetzungen des § 116 Abs. 4 StPO anfechten kann, wenn das Gericht nicht zugleich die Außervollzugsetzung des angefochtenen Beschlusses nach § 307 Abs. 2 StPO angeordnet hat, findet im Gesetz keine Stütze – und das OLG macht zugleich deutlich, dass kein Vertrauen gebildet werden kann, wenn die Staatsanwaltschaft klar kommuniziert gegen eine Außervollzugetzung vorzugehen:
Ferner ist § 116 Abs. 4 StPO auch nicht über seinen Wortlaut hinaus dahingehend auszulegen, dass die Aufhebung eines nicht rechtmäßigen Außervollzugsetzungsbeschlusses nur unter den einschränkenden Voraussetzungen der § 116 Abs. 4 Nr. 1 bis 3 StPO möglich ist, falls der Beschuldigte mangels Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Entscheidung nach § 307 Abs. 2 StPO zwischenzeitlich auf freien Fuß gelangt ist (OLG Bremen, Beschluss vom 01.03.2013 – Ws 5/13 – juris Rn.33; LG Bremen, Beschluss vom 14.06.2021 – 1 Qs 212/21 – Rn. 32 m.w.N.; juris; Krauß, in: Beck´scherOK Stand: 01.07.2023, § 116 StPO Rn. 20; aA KG Berlin, Beschluss vom 30.03.2010 – 4 Ws 38/10 – Rn. 4, juris; OLG Rostock, Beschluss vom 17.09.2009 – I Ws 269/09 – Rn. 17, juris; Böhm, in: MünchKomm, 2. Aufl. 2023, § 116 StPO Rn. 49). Dass die Staatsanwaltschaft eine Außervollzugsetzungsentescheidung nur unter den einschränkenden Voraussetzungen des § 116 Abs. 4 StPO angreifen kann, falls durch das Gericht nicht zugleich die Außervollzugsetzung der angefochtenen Entscheidung nach § 307 Abs. 2 StPO angeordnet hat, findet weder im Gesetz eine Stütze noch gebietet dies die grundlegende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 01.02.2006 – 2 BvR 2056/05 (so zutreffend: OLG Bremen, Beschluss vom 01.03.2013 – Ws 5/13 – juris Rn.33). Das Bundesverfassungsgericht hat den Grundsatz, dass jede neue haftrechtliche Entscheidung, die den Wegfall der Haftverschonung zur Folge hat, nur unter den einschränkenden Voraussetzungen der § 116 Abs. 4 StPO möglich ist, nur für Konstellationen aufgestellt, in denen der Haftbefehl einmal unangefochten außer Vollzug gesetzt wurde (BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 01.02.2006 – 2 BvR 2056/05 –, Rn. 26).
Im vorliegenden Fall scheidet eine entsprechende Anwendung von § 116 Abs. 4 StPO aber auch deshalb aus, weil sich ein schützenswertes Vertrauen des Beschuldigten auf die Aufrechterhaltung der Außervollzugsetzung bei Einhaltung der Auflagen nicht bilden konnte. Die Staatsanwaltschaft hat im Haftprüfungsverfahren am 30.06.2023 ausdrücklich beantragt, den Haftbefehl zu erweitern und in Vollzug zu belassen. Am Haftprüfungstermin am 05.07.2023 hat sie nicht teilgenommen. Nach Rückkehr der Akten hat sie sodann umgehend am 13.07.2023 Beschwerde eingelegt. Der Beschuldigte durfte daher auch aus diesem Grunde nicht damit rechnen, dass die Außervollzugsetzung des Haftbefehls bereits dann Bestand haben wird, wenn er die gestellten Auflagen einhält.
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