Wie schwierig es ist, sich darauf zu berufen, ein zugestelltes Schriftstück nicht erhalten zu haben, zeigt jüngst wieder das Oberlandesgericht Hamm, 3 Ws 325/23. Dieses erinnert daran, dass ein Zustellungsempfänger, der ein Schriftstück nicht erhalten haben will, in der Regel Tatsachen vortragen und glaubhaft machen muss, aus denen sich ergeben kann, dass nach den konkreten Umständen ein Verlust der Sendung ohne Verschulden des Verurteilten möglich erscheint.
Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 StPO sind die Tatsachen zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags glaubhaft zu machen. Die eigene eidesstattliche Versicherung des Antragstellers ist grundsätzlich kein zulässiges Mittel der Glaubhaftmachung:
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Ein Zustellungsempfänger, der ein Schriftstück nicht erhalten haben will, muss in aller Regel Einzelheiten vortragen und glaubhaft machen, aus denen sich ergeben kann, dass aufgrund der konkreten Umstände ein Abhandenkommen der Sendung ohne Verschulden des Verurteilten möglich erscheint (OLG Hamm, Beschluss vom 6. Oktober 2009 – 3 Ss 425/09 –, juris Rn. 8 m.w.N.; OLG Frankfurt, Beschluss vom 14. Januar 2010 – 3 Ws 21/10 –, juris Rn. 13).
Der Verurteilte hat hier lediglich zusammengefasst ausgeführt, er habe bis zum 16. August 2023 keine Kenntnis vom dem Beschluss erhalten. Diesen habe er nicht in seinem Briefkasten vorgefunden. Unter der Zustelladresse befänden sich mehrere Briefkästen, die von außen zugänglich seien. Sein Briefkasten sei ordnungsgemäß beschriftet. In der Wohnung herrsche allerdings ein reger Durchlauf an Mietern. Es sei auch schon zu Diebstählen von Post und insbesondere Paketen gekommen. Damit werden allerdings keine konkreten Tatsachen behauptet und glaubhaft gemacht – zum Beispiel durch eidesstattliche Versicherung anderer Mieter –, die es ausnahmsweise zum Beispiel als denkbar erscheinen lassen, dass der Beschluss aus dem Briefkasten entwendet wurde, bevor der Verurteilte von diesem Kenntnis nehmen konnte. Die Ausführungen erschöpfen sich letztlich in angedeuteten Vermutungen ohne konkrete tatsächliche Anhaltspunkte.
Darüber hinaus sind gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 StPO die Tatsachen zur Begründung des Antrags glaubhaft zu machen. Die eigene eidesstattliche Versicherung des Antragstellers ist grundsätzlich kein zulässiges Mittel der Glaubhaftmachung (vgl. nur Cirener in: BeckOK, 48. Edition, Stand: 01.07.2023, § 45 Rn. 11 m.w.N.; OLG Hamm, Beschluss vom 6. Oktober 2009 – 3 Ss 425/09 –, juris Rn. 9). Sie ist wie eine schlichte Erklärung zu werten, die grundsätzlich zur Glaubhaftmachung nicht ausreicht (Cirener a.a.O. m.w.N.; Valerius in: Münchener Kommentar zur StPO, 2. Auflage 2023, § 45 Rn. 12 m.w.N.). Zwar kann ausnahmsweise die eigene Erklärung des Antragstellers dann genügen, wenn ihm eine anderweitige Glaubhaftmachung ohne eigenes Verschulden nicht möglich ist (vgl. hierzu Cirener a.a.O. m.w.N.). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier aber nicht vor, nachdem es bereits an konkretem Vortrag fehlt und ein solcher zum Beispiel durch eidesstattliche Versicherung anderer Mieter oder Ähnliches hätte glaubhaft gemacht werden können.
Man merkt, wie die Justiz sich hier wiedermal eine eigene Wirklichkeit konstruiert: Wenn etwas nicht zugegangen ist, kann man sich faktisch kaum dagegen wehren, wenn der Postbote es anders notiert hat. Dabei leben viele Richter in einer Traumwelt, in der es fehlerhafte Einwürfe von Postboten nicht gibt – die aber etwa bei mir privat gar nicht selten vorkommen. Alleine in den letzten 3 Jahren habe ich – bei einem Einfamilienhaus – eine Mehrzahl (!) fehlerhafter Zustellungen im gelben Umschlag bekommen für Nachbarn. In einem Fall sogar von jemandem, der nicht einmal in der Nähe wohnte. Es wird Zeit, dass sich die Justiz dieser Realität stellt und nicht von demjenigen, der nichts anderes tun kann, auch noch verlangt Fehler nachzuweisen, die außerhalb seiner Sphäre liegen.
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