Alle Jahre ist es so weit, spätestens wenn eine Fussball-Europameisterschaft oder Weltmeisterschaft stattfindet. Traditionell ist dies dann die Gelegenheit, für Gastwirte die Stühle rauszustellen, den Fernseher anzuwerfen und darauf zu hoffen, möglichst viele Gäste anzulocken.
Leider, nicht nur anlässlich der Fußball-EM/WM, kommt es dabei auch gelegentlich zu rechtlichen Streitigkeiten. Etwa, wenn eine Abmahnung ins Haus trudelt, weil (angeblich) ohne entsprechende Nutzungslizenz das Fußball-Programm eines Pay-TV-Sender gezeigt wurde. In einem solchen Fall gilt: Vorsicht!
Abmahnung wegen Fussballspiel?
Pay TV Sender sprechen – wenig überraschend und durchaus nachvollziehbar – Abmahnungen aus, wenn festgestellt wird, dass das Programm ohne entsprechende Lizenz öffentlich ausgestrahlt wird. Der Klassiker ist die Gaststätte, in der das Bundesliga-Programm ausgestrahlt wird, während man keine entsprechende Lizenz hierzu hat. Dies ist aber nicht der einzige Grund – ein paar erklärende Worte zum Thema.
Die Abmahnung wird durch Anwaltskanzleien ausgesprochen, die dann noch eine eigene Kostennote beifügen. Üblicherweise werden Verstöße durch Kontrolleure festgestellt, die unterwegs sind und unmittelbar vor Ort prüfen (und protokollieren), was man sehen kann. Wie das in etwa aussieht, kann man weiter unten nachlesen. Dabei kommt den Feststellungen der Kontrolleure regelmäßig eine durchaus hohe Beweisqualität zu.
Durch Pay-TV-Sender wird nach meiner Erfahrung regelmäßig das Angebot gemacht, wahlweise (empfindlichen) Schadensersatz zu zahlen oder einen Lizenzvertrag zu schließen, wobei letzteres immer noch spürbar Geld kostet, aber im Vergleich zur eigentlichen Schadensersatzforderung doch häufig erheblich gesenkt ist.
Die Verteidigung gegen den Vorwurf ist aufgrund der protokollierten Aussagen regelmäßig schwierig, hier kommt es auf den Einzelfall an. Je nach Sachlage kann durchaus einiges erreicht werden, insbesondere wenn der Abgemahnte mit dem Tathergang wenig zu tun hatte – es gibt nämlich auch noch Fälle jenseits des „Klassikers“. Insbesondere bei Nutzungsverhältnissen bietet sich hier einiges an Ansatzpunkten, etwa wenn ein Mieter einer Räumlichkeit verantwortlicher Täter ist und der Vermieter abgemahnt wird. Dies ist bei vermieteten Gaststätten, Vereinsheimen oder Jugendheimen nicht nur denkbar, sondern hier bereits vorgekommen.
Wirklich speziell wird es komplexeren Sachverhalten: So muss der Vorwurf gar nicht dahingehen, dass unmittelbar ohne Lizenz Programminhalte eines konkreten Senders öffentlich ausgestrahlt wurden. Vielmehr kann der Vorwurf auch dahingehen, dass etwa ein türkischer Fernsehsender in einer Gaststätte auf einem Fernseher gezeigt wird, auf dem Inhalte zu sehen waren (Bundesliga), die durch einen anderen Sender für diese Übertragungsart hierzulande lizenziert wurden. Das Schwierige hierbei ist, dass Betroffene von sich aus kaum auf die Idee kommen werden, dass die Ausstrahlung eines frei verfügbaren Fernsehsenders eine Abmahnung provozieren kann.
Im Fazit ein schwieriges Thema, das nicht unterschätzt werden sollte. Die aus anderen urheberrechtlichen Abmahnungen verbreitete „Taktik“ nach dem Motto „modifizierte Unterlassungserklärung und dann tot stellen“ wird hier aufgrund des geschäftlichen Umfelds wohl kritisch sein. Sicherlich auch, weil hier ein Gegner agiert, der finanzstark genug für die ein oder andere Klage sein sollte.
Wie kann man sich wehren?
Die Abmahnungen stehen und fallen letztlich vor allem mit den Angeben der „Kontrolleure“, die im Streitfall üblicherweise als eidesstattliche Versicherungen abgegeben werden. Wer sich wehren will, wenn eine Abmahnung (vermeintlich) zu Unrecht erfolgte, muss sich entsprechend vorbereiten, um nicht wie beim Landgericht Bielefeld (4 O 431/10) zu enden.
In dieser Entscheidung lässt sich beispielhaft hervorragend nachlesen, wie zum einen die Kontrollen ablaufen, und wie Gerichte Zeugenaussagen entsprechen würdigen. Die Entscheidungsgründe nun im Folgenden, ohne weitere Kommentierung.
Aus den Entscheidungsgründen des Landgerichts Bielefeld die (umfassende) Beweiswürdigung:
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, dass der Beklagte am 17.04.2010, ohne hierzu berechtigt zu sein, zwischen 15.55 Uhr und 16.00 Uhr eine Fernsehübertragung der deutschen Fußball-Bundesliga ausgestrahlt und öffentlich wahrnehmbar gemacht hat. Dies hat die Zeugin G. zur hinreichenden Überzeugung des Gerichts bestätigt. Ihre glaubhafte Aussage konnte auch nicht durch die Aussagen der Zeugen L. und P. erschüttert werden.
Die Zeugin G. hat im Rahmen ihrer uneidlichen Vernehmung ausgesagt, dass sie jeweils im April und Mai 2010 für die Klägerin als Kontrolleurin gearbeitet habe. Sie habe vor Beginn der Kontrollen von der Klägerin Listen bekommen, in denen je ca. 25 bis 30 Lokale mit Anschriften aufgeführt gewesen seien, in denen Kontrollen durch sie durchgeführt werden sollten. Zu diesen Anschriften sei sie mit Hilfe ihres Navigationsgeräts im Auto gezielt hingefahren.
Vor Ort habe sie die Lokalität jeweils betreten und habe sich dort in der Regel rund fünf Minuten aufgehalten, manchmal auch etwas länger. Teilweise habe sie dort ein Getränk bestellt, manchmal sei sie nach diesen fünf Minuten sofort wieder gegangen.
Weiter erklärte die Zeugin G., dass sie in jedem Fall unmittelbar im Anschluss an das Verlassen der Lokalität im Auto die von der Klägerin vorgegebenen Protokolle ausgefüllt und die entsprechenden eidesstattlichen Versicherungen unterzeichnet habe. Hierbei habe sie gemäß der Anweisung der Klägerin immer ausgefüllt, wenn das Logo auf dem entsprechenden Fernseher zu sehen war, welche Mannschaften gespielt haben und wie der jeweilige Spielstand zum Zeitpunkt der Kontrolle war. Diese drei Angaben habe sie gegebenenfalls anschließend sofort notiert. Die Originallisten seien an die Klägerin zurück gesandt worden. Diese seien wesentlich umfangreicher als die eidessstattliche Versicherung. Hierauf seien auch Skizzen von den besuchten Lokalen angefertigt worden.
Zwar gab die Zeugin G. an, sich nicht mehr konkret an den 17.04.2010 erinnern zu können, weil sie an den jeweiligen Tagen zwischen 14 Uhr und 19 Uhr sehr viele Lokale besucht habe. Sie erklärte aber, dass wenn sie in einem Formular angegeben habe, dass in der betreffenden Gaststätte das T.-Logo zu sehen gewesen sei, dies dann auch tatsächlich so gewesen sei. Wenn sie etwas nicht gut habe erkennen können, habe sie entsprechende Eintragungen nicht vorgenommen. Es sei bei circa zwei bis fünf der am Tag kontrollierten Lokalitäten das Programm der Klägerin ausgestrahlt worden. In diesen Fällen sei die Ausstrahlung für sie ohne Zweifel ersichtlich gewesen.
Die Zeugin gab weiter an, dass die Bezahlung für ihre Tätigkeit durch die Klägerin pauschal erfolgt sei. Es habe keine Prämie dafür gegeben, dass Lokale ausfindig gemacht würden, die das Programm der Klägerin ausstrahlen, sondern die Bezahlung sei danach erfolgt, wie viele Lokalitäten am Tag besucht worden seien.
Ferner gab die Zeugin G. an, dass sie weder den Beklagten, noch die Zeugen L. und P. wieder erkenne. Es sei aber so, dass sie insgesamt sehr viele Lokalitäten angesehen habe und dort zum Teil zwei, zum Teil aber auch zwanzig Gäste zu gegen gewesen seien, sodass sie keine Erinnerung mehr an einzelne Gesichter habe.
Der Zeuge L. gab im Rahmen seiner uneidlichen Vernehmung einen entgegenstehenden Sachverhalt wieder. Er erklärte, dass der E. in T. sein Stammlokal sei, in dem er sich fast täglich aufhalte. An den Wochenenden komme er in der Regel zwischen 14.30 Uhr und 15.00 Uhr im E. an und bleibe dort ein bis zwei Stunden. Diese Zeit verbringe er auf seinem Stammplatz im Gastraum, in dem sich meist nicht viele andere Gäste aufhielten, dort könne er nach dem Arbeiten gut entspannen.
Der Zeuge L. gab an, dass er sich an den 17.04.2010 ganz genau erinnern könne, weil er am 23.04.2010 mit einem Infarkt ins Krankenhaus gekommen sei. Deshalb wisse er so genau, was er an dem Samstag vorher gemacht habe. An diesem Tag seien junge Leute in das Lokal des Beklagten herein gekommen, um Fußball zu gucken. Es sei aber kein T. gelaufen, sondern der Fernseher, den er von seinem Stammplatz aus gut habe sehen könne, sei ausgeschaltet gewesen. Die jungen Leute seien daher wieder gegangen. Er sei sich auch ganz sicher, dass er an dem betreffenden Tag noch um 16 Uhr im E. gewesen sei, weil er immer um 17 Uhr mit dem Hund herausgehen würde und 16 Uhr daher die übliche Zeit sei, zu er sich noch in der Gaststätte befinde.
Er erklärte weiter, dass er die Zeugin G. zuvor noch nie gesehen habe und es daher ausgeschlossen sei, dass sie bereits einmal in der Gaststätte des Beklagten gewesen sei, weil es sofort aufgefallen wäre, wenn eine Frau in das Lokal hereingekommen wäre.
Der Zeuge T. P., der Bruder des Beklagten, erklärte, dass er drei bis vier Tage in der Woche in dem Imbiss seines Bruders arbeite. An den 17.04.2010 könne er sich ganz genau erinnern, weil er wisse, dass an diesem Tag Schalke gespielt hat. An andere Spiele von Schalke aus dieser Saison bestünden demgegenüber keine Erinnerungen mehr. Fußball sei an diesem tag in dem Lokal seines Bruders jedoch nicht ausgestrahlt worden.
Außerdem könne er sich an den 17.04.2010 sehr gut erinnern, weil an diesem Tag „Jungs“ reinkamen, die er noch vom Fußballgucken von früher kenne und mit denen er sich damals über Fußball unterhalten habe. Diese hätten Fußball gucken wolle, seien dann aber wieder gegangen, weil dort kein Fußball gelaufen sei.
Das Gericht folgt der überzeugenden Aussage der Zeugin G.. Diese hat im Rahmen ihrer Vernehmung konstant und sachlich erklärt, wie die Kontrollen im Auftrag der Klägerin im Jahr 2010 üblicherweise abgelaufen sind, und dass die Eintragungen, die in den Listen der Klägerin sowie im Rahmen ihrer eidesstattlichen Versicherungen, immer gründlich und insbesondere unmittelbar nach den jeweiligen Besuchen erfolgt sind. Zudem hat sie glaubhaft versichert, dass sie nur dann bescheinigt hat, dass das Programm der Klägerin zu sehen gewesen sei, wenn sich diesbezüglich auch wirklich davon habe überzeugen können.
Soweit die Zeugin G. im Rahmen der mündlichen Verhandlung nicht sicher angeben konnte, ob es sich bei der von ihr unterzeichneten eidesstattlichen Versicherung tatsächlich um eine solche handelt, die sie nach dem Besuch der Gaststätte des Beklagten ausgefüllt hat, oder ob es auch möglich ist, dass sie eine andere Gaststätte mit dem Namen E. in T. besucht hat, ändert dies nichts an der Überzeugungskrafft ihrer Aussage. Der von der Zeugin abgegebenen eidesstattlichen Versicherung liegt eine ebenfalls von dieser ausgefüllte Liste zugrunde, aus der sich neben dem Namen auch die Anschrift der Gaststätte des Beklagten ergibt. Nach der Vorlage dieser Liste bestehen daher auch keine Zweifel mehr daran, dass die Zeugin am 17.04.2010 tatsächlich die Gaststätte des Beklagten aufgesucht hat.
Es bestehen auch keine ersichtlichen Motive, aufgrund derer die Zeugin G. ein Interesse an einer falschen Aussage zu Lasten des Klägers haben könnte. Sie ist inzwischen nicht mehr für die Klägerin tätig, und sie hat seinerzeit keine „erfolgsorientierte“ Vergütung erhalten, sondern wurde lediglich gemäß ihrer Effizienz im Hinblick auf die tatsächlich besuchten Lokale entlohnt. Belastungstendenzen, auch zum Selbstschutz, sind daher nicht ersichtlich.
Zudem hat die Zeugin G. Gedächtnislücken eingeräumt, was das Wiedererkennen des beklagten und der beiden anderen Zeugen angeht. Auch dies steht jedoch der Überzeugungskraft ihrer Aussage nicht entgegen, sondern ist nach dem Ablauf von fast einem Jahr nachvollziehbar.
Nicht zu folgen war demgegenüber den Aussagen der Zeugen L. und P.. Beide Zeugen haben ergebnisorientiert und zielgerichtet bekundet, dass der Beklagte das Programm der Klägerin bereits seit vielen Jahren nicht mehr ausstrahle. Der Zeuge L. hat zudem ungefragt erklärt, dass dies ja auch gar nicht mehr möglich sei, weil der Kläger den Receiver und die Smartcard an die Klägerin zurückgesandt habe.
Dem Zeugen L. ist zwar zuzugestehen, dass es noch plausibel erscheint, dass er sich aufgrund des in der folgenden Woche erlittenen Infarkts an den streitgegenständlichen Samstag erinnern konnte. Nicht plausibel darlegen warum er sich so konkret erinnern könne, konnte demgegenüber der Zeuge P.. Dieser konnte seine konkreten Erinnerungen an einen fast ein Jahr zurück liegenden Vorfall nur damit begründen, dass an diesem Tag der Fußballverein Schalke 04 gespielt haben soll. Auch an das übrige in diesem Zusammenhang stehende Geschehen, wie die Zeitpunkte etwaiger Vertragsschlüsse und den Zugang von Mahnungen oder Kündigungsschreiben der Klägerin, kann sich insbesondere der Zeuge P. nicht mehr erinnern.
Ferner widersprechen sich die Aussagen dieser beiden Zeugen, soweit der Zeuge L. angibt, dass er sich alleine auf seinem Stammplatz in einer ruhigen Ecke der Lokalität aufgehalten haben will, als die Gruppe der jungen Leute hereingekommen sei. Der Zeuge P. hingegen behauptet, dass er sowohl mit dem Beklagten, als auch mit dem Zeugen L. zusammengesessen habe, als die Gruppe jugendlicher hereingekommen sei und nach Fußball gefragt habe.
Landgericht Bielefeld, 4 O 431/10
Aktuell 2019: Landgericht Frankenthal
Auch das Landgericht Frankenthal (6 O 46/19) konnte sich zu dieser Thematik äussern und feststellen, dass weder Gutgläubigkeit noch „zu hohe Lizenzgebühren“ überzeugen können:
Die insoweit vorgetragene Gutgläubigkeit befreit die Beklagte von einem Fahrlässigkeitsvorwurf nicht, da ein gutgläubiger Erwerb von urheberrechtlichen Nutzungsrechten und Leistungsschutzrechten ausscheidet. Das Risiko eines Sachverhalts- oder Rechtsirrtums trägt grundsätzlich der Verwerter (…)
Hinsichtlich der Schadenshöhe ist nach lizenzanalogem Schaden der Betrag angemessen, der in der üblichen Lizenzgebühr besteht, § 97 Abs. 2, 3 UrhG. Maßgebend ist der Betrag, der für ein ordnungsgemäß abgeschlossenes gewerbliches Abonnement zu entrichten gewesen wäre. Die zutreffende Berechnung durch die Klägerin ist durch Vorlage des Mustervertrags zur Preisgestaltung (Anlage K 1, BI. 26f. d.A.), welcher eine 12- monatige Laufzeit erkennen lässt, schlüssig dargetan. Diesem Vortrag ist die Beklagte nicht entgegengetreten. Das Gericht hat demnach bei der Berechnung der Lizenzanalogie die Preisgestaltung der Klägerin anzuwenden, welche sich standardisiert nach der Größe der konzessionierten Fläche und der Lage der Gaststätten im Postleitzahlenbereich bemisst, die deutschlandweit erfasst sind. Als Berechnungsgröße ist hierbei die Geringste aller von der Klägerin eingepreisten Flächenmaße mit 0- 35 qm anzusetzen. Damit steht zur richterlichen Überzeug fest, dass der lizenzanaloge Schaden mit 5.856,00 € ordnungsgemäß bemessen ist.
Landgericht Frankenthal, 6 O 46/19
- Justizminister wünschen allgemeine Autoschlüssel-Kopie für Ermittler - 7. Dezember 2024
- KCanG: BGH zur Zusammenrechnung von Freimengen - 5. Dezember 2024
- BVerfG zu Encrochat: Keine generellen Beweisverwertungsverbote - 5. Dezember 2024