In einem bemerkenswerten Urteil vom 12. März 2024 (Az. 12 KLs 505 Js 503/22) hat das Landgericht Nürnberg-Fürth die Höhe des Tagessatzes für einen Bürgergeldempfänger bei der Verhängung einer Geldstrafe auf 5 € festgesetzt. Trotz eines massiven Steuerhinterziehungsfalls mit einer Schadenssumme von über 700.000 € wurde dem Angeklagten eine moderate finanzielle Sanktion auferlegt – unter Verweis auf seine tatsächliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Die Entscheidung wirft ein Schlaglicht auf die sozialstaatlich geprägte Auslegung des § 40 Abs. 2 StGB und die Grenzen strafrechtlicher Sanktionierung bei mittellosen Straftätern.
Sachverhalt
Der Angeklagte, ein vormals erfolgreicher Onlinehändler, hatte über mehrere Jahre erhebliche Umsätze verschleiert und dabei Einkommen-, Körperschafts-, Gewerbe- und Umsatzsteuern in Höhe von rund 733.000 € hinterzogen. Zur Verschleierung seiner Einnahmen nutzte er unter anderem thailändische PayPal-Konten, Scheinumsätze sowie Briefkastenstrukturen. Neben einer zweijährigen Freiheitsstrafe, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, verhängte das Gericht eine Geldstrafe von 360 Tagessätzen – allerdings zu einem Satz von lediglich 5 € pro Tag. Hintergrund: Der Angeklagte war zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung vermögenslos und bezog Bürgergeld.
Rechtliche Bewertung
1. Maßstab: wirtschaftliche Leistungsfähigkeit (§ 40 Abs. 2 StGB)
Die Tagessatzhöhe bei einer Geldstrafe ist gemäß § 40 Abs. 2 Satz 2 StGB am Nettoeinkommen des Täters zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung zu bemessen. Im Fall des Angeklagten war dies faktisch nicht vorhanden: Er saß seit elf Monaten in Untersuchungshaft, hatte kein laufendes Gewerbe mehr und war hoch verschuldet. Die Kammer stellte fest, dass er realistisch nur noch mit einem Einkommen auf dem Niveau des Bürgergelds rechnen könne. Diese Beurteilung folgt einer klaren Linie der Rechtsprechung, wonach bei Bürgergeldempfängern ein Tagessatz von 5 € sachgerecht ist – unter Anschluss an eine Entscheidung des BayObLG vom 6.11.2023 (204 StRR 470/23).
2. Soziale Absicherung und Strafmaß: ein Balanceakt
Die Kammer erkannte an, dass die wirtschaftliche Existenz des Angeklagten bereits erheblich erschüttert war: Vermögensgegenstände waren gepfändet, Einziehung von über 250.000 € angeordnet, die UG insolvent. Eine realistische Rückkehr in geordnete wirtschaftliche Verhältnisse schien auf absehbare Zeit unwahrscheinlich. In dieser Lage dürfe die Geldstrafe nicht zur sozialen Entwurzelung führen – insbesondere nicht bei fehlenden Rücklagen oder Reserven. Die Entscheidung berücksichtigt somit auch generalpräventive und resozialisierende Aspekte.
3. Gesamtwürdigung: Kombinationsstrafe als angemessene Sanktion
Das Gericht entschied sich bewusst gegen eine einheitliche Gesamtfreiheitsstrafe (die dann wohl nicht mehr bewährungsfähig gewesen wäre) und bildete stattdessen getrennte Gesamtstrafen: eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren mit Bewährung sowie eine Geldstrafe von 1.800 € (360 Tagessätze à 5 €). Diese Aufteilung wurde sowohl strafzumessungsrechtlich als auch sozialpolitisch begründet: Sie wahrt den Schuldausgleich, ohne den Angeklagten zu ruinieren.
Ergebnis
Die Kernaussage dieses Urteils: Selbst bei schwerwiegenden Steuerstraftaten ist bei der Bemessung der Geldstrafe strikt auf die aktuelle Leistungsfähigkeit des Täters abzustellen. Die Festsetzung eines Tagessatzes von 5 € für einen Bürgergeldempfänger zeigt exemplarisch, wie das Strafrecht auch unter Einbeziehung sozialstaatlicher Rücksichten angewendet wird. Das Urteil bewegt sich an der Schnittstelle von Sanktionsrecht und Sozialschutz – ein prägnantes Beispiel dafür, dass Strafe nicht nur „gerecht“, sondern auch „verhältnismäßig“ sein muss.
- Die Einziehung von Taterträgen beim untauglichen Versuch - 22. Mai 2025
- Russische Cyberangriffe auf westliche Logistik- und Technologieunternehmen 2025 - 22. Mai 2025
- Keine Schweigepflicht im Maßregelvollzug - 21. Mai 2025