Fotokopie als Urkundenfälschung

Kann eine Fotokopie eine sein: Die in §267 StGB normierte Urkundenfälschung ist auf den ersten Blick sicherlich nicht der erste Tatbestand, der einem in den Blick kommt, wenn man über das Daten-Strafrecht nachdenkt. Dennoch ist es eine Norm, die ich hier in diesem Rahmen noch einmal hervor heben möchte, vor allem aus drei Gründen:

  1. Bei vielen, gerade jungen Menschen, gilt die Urkundenfälschung immer noch als „Kavaliersdelikt“
  2. Insbesondere heute ist es durch herausragende günstige Software und Scanner sehr leicht möglich, Urkundenfälschungen zu begehen
  3. Viele Laien haben etwas von dem Unterschied „Kopie ./. “ gehört und glauben fälschlicherweise, durch das Hantieren mit Kopien garnicht erst in den Bereich strafbarer Handlungen zu geraten

Dieser Beitrag soll auf das Problem aufmerksam machen, nicht zuletzt auch Eltern, die mit Ihren Sprösslingen das Gespräch suchen sollten bevor etwas geschieht.

Urkundenfälschung

Die Urkundenfälschung sieht eine Straf-Obergrenze von 5 Jahren vor. Das alleine sollte reichen, um dem Mythos vom Kavaliersdelikt ein Ende zu bereiten. Doch auch der Blick auf andere Paragraphen des StGB zeigt die Relationen. Beim §202a StGB geht es um 3 Jahre, beim §202b StGB um 2 Jahre, ebenso beim §303a StGB. Die Urkundenfälschung ist damit im Vergleich das Delikt mit der höchsten Grenze.

Der Eindruck des Kavaliersdelikts entsteht sicherlich, weil man – speziell in einer digitalisierten Welt – schnell und relativ einfach sehr professionelle Fälschungen vornehmen kann. Und was so leicht möglich ist, das kann ja dann kein grösseres Problem sein – aber: Weit gefehlt.

Fotokopie und Urkundenfälschung?

Sehr problematisch ist bei Laien mitunter verbreitetes Halbwissen: So haben erstaunlich viele etwas davon gehört, dass eine „Fotokopie keine Urkunde sein kann“, man somit „keine Urkundenfälschung mit einer Fotokopie begehen könne“. In der Tat ist da auch etwas dran.

Aber ganz so einfach, wie viele sich das vorstellen, ist es nun doch nicht. Grundsätzlich ist der Fotokopie die Urkundsqualität zu versagen [1. Sch-Sch-Cramer/Heine §267 Rn.42a]. Doch abgesehen von dem weiterhin schwelenden Streit, ob man wirklich so pauschal die Urkundsqualität verneinen sollte [1. Sehr zugänglich dargestellt bei Sch-Sch-Cramer/Heine §267 Rn.42a, speziell das Argument, dass der Rechtsverkehr von Ablichtungen heute teilweise genauso abhängig ist wie von Originalen, lässt sich nicht ohne weiteres von der Hand weisen. Auch Böse erkennt das an in NStZ 2005, S.170, verweist aber auf das Gegenargument, dass man alleine von der Existenz einer Kopie nicht auf eine zugleich existierende originale Urkunde geschlossen werden dürfe. Beachtenswert auch das OLG Düsseldorf (OLG Düsseldorf in NJW 2001, S.167), das darauf verweist, dass die Bewertung einer Fotokopie als Urkunde unzulässige Rechtsfortbildung wäre.

Eingängiges Argument des OLG Düsseldorf: Es steht (zur Zeit) nicht unter dem Schutz des §267 StGB, wer sich mit einer Fotokopie zufrieden gibt.], darf man hier nicht leichtfertig auf eine Straflosigkeit schliessen. Sehr wohl wird heute nämlich einer tatsächlichen Fotokopie die Urkundsqualität zugesprochen, sofern diese wie eine Urkunde wirkt[1. Sch-Sch-Cramer/Heine §267 Rn.42a; SK-Hoyer, §267, Rn.22; Fischer, §267 StGB, Rn.12c]. Insofern wird darauf abgestellt, ob die Fotokopie auch „als Fotokopie erkennbar ist“[1. Sch-Sch-Cramer/Heine §267 Rn.42a]. Diese Grenze ist also dann überschritten, wenn die (technische) Fotokopie objektiv den Eindruck eines Originals erzeugt[1. Sch-Sch-Cramer/Heine §267 Rn.42b].

Urteil: Fotokopie als Urkunde

Quasi als Lehrbuchexempel soll hier ein Fall des OLG Nürnberg[2. OLG Nürnberg, 30.8.2006, 2 St OLG Ss 94/06 in StV 3/2007] herhalten: Jemand legt in einer die Farbkopie eines Rezeptes vor, das er zuvor von einem Dritten erhalten hatte (und dabei billigend in Kauf genommen hat, dass die Kopie eine Fälschung des war). Der Vorwurf des OLG ging nun dahin, dass der Angeklagte die Farbkopie als original Rezept verwenden wollte.

Das OLG Nürnberg bringt nun eine griffige Formel in Bezug auf die Fotokpie bzw. den Anschein als Urkunde, den diese setzen kann:

Ein solcher Anschein besteht schon dann, wenn die Reproduktion einer Originalurkunde soweit ähnlich ist, daß die Möglichkeit einer Verwechslung nicht auszuschliessen ist. Denn dann täuscht das gefertigte Schriftstück, auch wenn es sich tatsächlich um eine Abbildung handelt, vor, es werde nicht nur wiedergeben, was in einem anderen Schriftstück verkörpert ist, sondern es enthalte eine eigene Erklärung des angeblichen Ausstellers, für die dieser Einstehen wolle.

Das deckt sich insoweit auch mit der Analyse des OLG Stuttgart[3. NJW 2006, Seite 2869; ebenso OLG Oldenburg (Ss 389/08); OLG Düsseldorf in StV 2001, 233; OLG Dresden in WISTRA 2001, 360]:

Dagegen ist eine Kopie dann als Urkunde zu behandeln, wenn der Täter eine fotografische Reproduktion als angeblich vom Aussteller herrührende Urschrift hergestellt hat und mit dieser den Anschein einer Originalurkunde erwecken wollte, an die der Rechtsverkehr das nach § 267 StGB zu schützende Vertrauen auf die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Rechtsverkehrs mit Urkunden anknüpft (BayObLG, NJW 1990, 1677 [1679]; NJW 1990, 3221; Zaczyk, NJW 1989, 2515 [2517]). Denn wenn der ursprüngliche Aussteller die Fotokopie im Einzelfall – unstreitig – zum Originalersatz bzw. zur Zweiturkunde autorisieren kann (Gribbohm, in: LK-StGB, 11. Aufl., § 267 Rdnr. 112; Cramer/Heine, in: Schönke/Schröder, StGB, 27. Aufl., § 267 Rdnr. 42b m.w. Nachw.), dann kann im Interesse des Rechtsverkehrs nichts anderes gelten, wenn der Hersteller der Kopie diese zur Täuschung im Rechtsverkehr als Originalersatz herstellt bzw. gebraucht (Zaczyk, NJW 1989, 2515).

Wesentlich dabei ist, dass die Fotokopie als Urkunde erscheinen soll, nicht kann:

„Auf die technische Qualität der Fotokopie und den Grad der Erkennbarkeit der Fälschung kommt es in dem Fall nicht an“[4. Fischer, §267 StGB, Rn.12c]

Wo hier die Grenze zu ziehen ist, versucht sodann Rengier zu beantworten:

Eine Reproduktion erlangt dann Urkundsqualität, wenn mit einer – bei durchschnittlicher Aufmerksamkeit nicht erkennbaren – Manipulation gezielt der Anschein einer Originalurkunde erweckt wird[5. Rengier BT2 33/27 mit Verweis auf Zaczyk in NJW 1989, S. 2515ff.]

Somit steht fest: Die Fotokopie ist jedenfalls dann keine Urkunde, also auch kein taugliches Tatobjekt der Urkundenfälschung, sofern sie eindeutig als Fotokopie erkennbar ist[6. BGHSt 20, 17, 18 f.; 24, 140, 141 f. m.w.N.; BGH wistra 1993, 225; 341; BGH 5 StR 488/09]

BGH zur Fotokopie als Urkunde

In einer weiteren Entscheidung befasst sich auch der BGH (5 StR 488/09) noch einmal mit der Thematik und stellt ausdrücklich fest, dass ein auf einem Computer veränderter Scan einer Urkunde durch den Ausdruck nicht automatisch eine Herstellung einer unechten Urkunde darstellt. Vorliegend ging es um einen notariellen Vertrag, der am PC verändert, ausgedruckt und gefaxt wurde. Der BGH erkannte hier weder auf eine Herstellung noch einer Verwendung einer unechten Urkunde, da „der bloße Ausdruck der Computerdatei nicht die typischen Authentizitätsmerkmale aufwies, die einen notariellen bzw. die Ausfertigung eines solchen prägen.“

Interessant dabei ist, dass sich der BGH a.a.O. ausdrücklich zu der – nicht aufgeworfenen Frage – äußert, ob die durch das Fax-Gerät aufgedruckte Absenderkennung an dieser Bewertung etwas ändert (wenn etwa der Eindruck erweckt wird, der Notar faxt selbst eine Kopie der Urkunde). Das aber lehnt der BGH richtigerweise ab, da eine solche (leicht fälschbare) Absenderkennung keine Beglaubigung ist oder dieser gleich steht. Auch die OLG-Rechtsprechung nimmt bei Faxen oder ausgedruckten Mails keine Urkunden an.

In der Tat kann auch eine Fotokopie als Urkunde gewertet werden – sofern die Fotokopie so gestaltet ist, dass sie für ein Original gehalten werden kann. Gerade bei notariellen Schriftstücken ist daran zu denken, dass hier ja noch besondere Merkmale (etwa das Siegel) hinzukommen, die dem Ausdruck nicht beigefügt waren. Somit stellte der BGH fest:

Der bloße Ausdruck der Computerdatei wies nicht die typischen Authentizitätsmerkmale auf, die einen notariellen Kaufvertrag bzw. die Ausfertigung eines solchen prägen. Er spiegelte für den Betrachter erkennbar lediglich ein Abbild eines anderen Schriftstücks wider. Damit stand er einer bloßen Fotokopie gleich, der, sofern als Reproduktion erscheinend, mangels Beweiseignung sowie Erkennbarkeit des Ausstellers ebenfalls kein Urkundencharakter beizumessen ist

Anmerkung: Dennoch sollten Laien nicht dem Fehler verfallen, zu glauben, nur weil man mit einer Fotokopie arbeitet, kann man gleich jegliche Straflosigkeit vermeiden. Losgelöst von der Frage ob andere Tatbestände (meistens , oder ) erfüllt werden, fehlt Laien im Regelfall das Fachwissen zu entscheiden, ob man sich nun diesseits oder jenseits der Grenze zwischen „noch-Fotokopie“ oder „schon-Urkunde“ bewegt.

OLG Hamm zur Urkundenfälschung

Auch das Oberlandesgericht Hamm (1 RVs 18/16) hatte angesichts der Fälschung einer Urteilsabschrift durch einen Rechtsanwalt Gelegenheit sich zur Fotokopie zu äußern und klarzustellen, dass der Bereich der Urkundenfälschung nicht über Gebühr auszudehnen ist:

Zwar werden in der Rechtsprechung gewisse einfache Abschriften als Urkunden im Sinne des § 267 StGB angesehen, wenn sie kraft gesetzlicher Bestimmung an die Stelle der Urschrift treten oder sie als die von dem angeblichen Aussteller herrührende Urschrift ausgegeben oder unter Umständen verwendet werden, die den Anschein erwecken können und sollen, als sei die Abschrift von dem Aussteller der Urschrift oder doch wenigstens mit seiner Zustimmung zu dem Zweck hergestellt worden, im Rechtsleben als Ersatz der Urschrift zu dienen (…) Der Umstand, dass im alltäglichen Leben mittlerweile verschiedenen Arten von Schriftstücken wie z.B. Fotokopien, Telefaxschreiben oder (ausgedruckten) Emails erhebliche Bedeutung bzw. auch ein erheblicher Beweiswert beigemessen wird, begründet jedoch nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich noch nicht deren Urkundsqualität (…)

Ebenso kommt letztlich dann auch der digitalen Unterschrift auf einem digitalen Dokument, etwa auf einem Tablet unterzeichnet, keine Urkundsqualität zu.

Fazit zur Fotokopie bei der Urkundenfälschung

An diesem Punkt ist der bei Laien verbreitete Mythos, dass man sich nicht der Urkundenfälschung strafbar macht sobald man mit Fotokopien hantiert, hoffentlich eindrücklich als falsch erwiesen. Zwar gibt es in der Tat die grundsätzliche Aussage, dass eine Fotokopie keine Urkunde ist – doch verbleibt in jedem Fall die Grenze der Kopie mit dem Anschein der Urkunde. Die obigen Ausführungen haben dabei zweierlei Sinn: Wer sich als Jurist mit dem Thema beschäftigt (bzw. es tun muss), der findet hoffentlich ein paar nützliche Quellen zum arbeiten. Wer als Laie bisher meinte, eine tolle Idee gehabt zu haben, wie man aus der Strafbarkeit entrinnt, der lässt hoffentlich die Finger davon.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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