Bundesgerichtshof (6 StR 240/20) zur Strafbarkeit bei Verkauf von Cannabidiol-Hanftee mit äußerst niedrigem Wirkstoffgehalt: Das Landgericht hat die Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln jeweils zu mehrmonatigen Freiheitsstrafen verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt.
Hinweis: Die Entscheidung ist für die mitunter bestehende Grauzone des Vertriebs (vermeintlich) legaler Cannabis-Produkte von herausragender Bedeutung. Insbesondere was den Irrtum über die Legalität etwa beim Vertrieb von Hanftee oder Cannabidiol angeht.
Zum Sachverhalt
Nach den Feststellungen betrieben die Angeklagten in Braunschweig Ladenlokale, in denen sie – auch noch nach polizeilichen Durchsuchungen und Sicherstellungen – aus EU-zertifiziertem Nutzhanf gewonnene Cannabispflanzenteile mit geringen THC-Gehalten (0,08 % bis 0,33 %) als Hanftee an Endkonsumenten verkauften. Sachverständig beraten hat das Landgericht festgestellt, dass dieser zwar nicht beim Aufguss mit Wasser, jedenfalls aber nach Verarbeitung zu Gebäck einen Rausch hervorrufen kann.
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Zum Umgang mit berauschenden Mitteln
Der 6. Strafsenat hat das Urteil auf die Revision der Angeklagten aufgehoben, die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen jedoch aufrechterhalten. Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, der von den Angeklagten verkaufte Hanftee sei ein Betäubungsmittel. Diese Betäubungsmitteleigenschaft misst sich an Position „Cannabis“ in der Anlage I zu § 1 Abs. 1 Betäubungsmittelgesetz und der dort vorgesehenen Ausnahme zu Buchstabe b. Entgegen der Auffassung des Landgerichts verbietet diese Ausnahmevorschrift zwar nicht grundsätzlich den Verkauf an Endabnehmer zu Konsumzwecken. Jedoch muss ein Missbrauch des Cannabisprodukts zur Berauschung ausgeschlossen sein. Die Feststellung, dass dies bei dem von den Angeklagten vertriebenen Hanftee nicht der Fall war, wurde vom Landgericht rechtsfehlerfrei getroffen. Allerdings hat das Landgericht nicht geprüft, ob der Vorsatz der Angeklagten auch die Möglichkeit eines Missbrauchs der vertriebenen Pflanzenteile zu Rauschzwecken umfasste.
Verbotsirrtum beim Vertrieb von Hanftee oder Cannabidiol?
Bemerkenswert ist, wie der Bundesgerichtshof einen Verbotsirrtum verneint – die Ermittlungsmaßnahmen als solche sollen nämlich hier schon hinderlich sein. Die vom Landgericht noch getroffene Annahme eines (vermeidbaren) Verbotsirrtums war für den BGH nicht auf eine rechtsfehlerfreie Beweiswürdigung gestellt. Insoweit mangelte es, aus Sicht des BGH, an der gebotenen Gesamtwürdigung der maßgeblichen Gesichtspunkte, wobei insbesondere eine Hausdurchsuchung und die vage anwaltliche Einschätzung im Vorfeld kritisch zu sehen waren:
Hierbei hätte es insbesondere die Kenntnis der Angeklagten in den Blick nehmen müssen, dass vor dem Tatgeschehen (…) Durchsuchungen ihrer Geschäftsräume stattgefunden hatten, wobei zunächst Proben und sodann sämtliche Pflanzenmaterialien sichergestellt worden waren. Auch ohne Berücksichtigung der (…) erfolgten „Gefährderansprache“, bei der (…) von einem Polizeibeamten die Analyseergebnisse des Landeskriminalamts und die Rechtsauffassung der Staatsanwaltschaft mitgeteilt wurden, lag danach die Möglichkeit eines strafbaren Handelns nahe.
Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund, dass sich der Angeklagte K.
bereits nach der ersten Durchsuchung veranlasst sah, seinen Verteidiger zu konsultieren, und dieser sein Verhalten nicht für eindeutig rechtmäßig hielt, sondern auf das Fehlen einer gesicherten Rechtsprechung und die angebliche Uneindeutigkeit der Ausnahmeregelung (…) hinwies.Insbesondere die Einlassungen des Angeklagten K. zur Drogenpolitik und dem von ihm angenommenen Verstoß gegen das Willkürverbot, die Äußerungen des Angeklagten H. zu seiner „Vorreiterrolle“ bei der Legalisierung von Cannabis sowie ihre Auftritte und Veröffentlichungen im Internet deuten ebenfalls darauf hin, dass die Angeklagten ihr Verhalten zwar nicht für strafwürdig, aber für möglicherweise strafbar hielten und sie sich – wovon auch das Landgericht ausgeht – „bewusst in einem rechtlichen Graubereich bewegten“. Die danach von der Strafkammer treffend als „bloße Rechtshoffnung“ bezeichnete Vorstellung der Angeklagten vermag die Annahme eines Verbotsirrtums (…) nicht zu tragen.
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft führten unter anderem zur Aufhebung von Strafaussprüchen. Die Annahme des Landgerichts, die Angeklagten seien einem schuldmindernden (vermeidbaren) Verbotsirrtum erlegen, beruht nicht für alle Taten auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung. Denn insbesondere nach den polizeilichen Durchsuchungen und Sicherstellungen lag für die Angeklagten die Möglichkeit einer Strafbarkeit ihres Handelns nahe. (Quelle: Pressemitteilung des Gerichts)
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