Bitcoin-Kurssteigerung führt zu Bewilligung von PKH

Das hat mit Beschluss vom 13. Januar 2025 (Az.: 2 W 21/24) einem Insolvenzverwalter Prozesskostenhilfe (PKH) bewilligt, wobei der Streitwert der beabsichtigten durch die massive Kurssteigerung von auf über 18 Millionen Euro angewachsen war. Die Entscheidung ist wegweisend für die prozessrechtliche Behandlung von Kryptowährungen, insbesondere hinsichtlich der Frage, inwieweit hohe Streitwerte einer PKH-Bewilligung entgegenstehen können.

Zentral war die Problematik, dass der Antragsteller selbst nicht über Bitcoin verfügte, sondern diese in einem Klageverfahren geltend machen wollte. Aufgrund des zwischenzeitlich stark gestiegenen Bitcoin-Kurses waren die zu erwartenden Prozesskosten enorm, sodass fraglich war, ob der Antragsteller tatsächlich als bedürftig im Sinne der Zivilprozessordnung (ZPO) angesehen werden konnte.

Sachverhalt

Der Antragsteller, ein Insolvenzverwalter, plante eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs auf 203 Bitcoin. Diese waren nicht Teil der Insolvenzmasse, sondern der Gegenstand des streitigen Verfahrens. Ursprünglich war der Streitwert der Klage auf Grundlage eines niedrigeren Bitcoin-Kurses kalkuliert worden, doch durch die Kurssteigerung auf über 90.000 Euro je Bitcoin stieg der Streitwert auf über 18,2 Millionen Euro.

Damit einhergehend wuchsen auch die Prozesskosten drastisch: Die erwarteten Gerichts- und Anwaltskosten summierten sich auf über 400.000 Euro.

Das Landgericht Bonn hatte den Antrag auf PKH mit der Begründung abgelehnt, dass der hohe Streitwert eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung des Verfahrens für den Antragsteller indiziere und die Finanzierung der Prozesskosten anderweitig erfolgen müsse. Der Insolvenzverwalter legte dagegen Beschwerde ein und argumentierte, dass er selbst nicht über die Bitcoin verfüge und die Kostenlast unzumutbar sei. Das OLG Köln gab ihm Recht und bewilligte die Prozesskostenhilfe.

Rechtliche Analyse

1. Bedürftigkeit des Insolvenzverwalters trotz hohen Streitwerts

Nach § 116 Satz 1 ZPO kann einem Insolvenzverwalter PKH bewilligt werden, wenn die Prozesskosten nicht aus der Insolvenzmasse gedeckt werden können. Maßgeblich ist dabei nicht der wirtschaftliche Wert des Rechtsstreits, sondern die tatsächliche finanzielle Lage des Antragstellers.

Das Landgericht hatte argumentiert, dass der Insolvenzverwalter aufgrund des hohen Streitwerts kein schutzwürdiges Interesse an Prozesskostenhilfe habe. Das OLG Köln stellte jedoch klar, dass nicht der Streitwert, sondern die wirtschaftlichen Möglichkeiten der Parteien entscheidend sind.

Der Antragsteller konnte glaubhaft machen, dass die Insolvenzmasse nicht ausreichte, um die Prozesskosten zu decken. Die zur Finanzierung heranziehbaren Gläubiger waren wirtschaftlich nicht leistungsfähig oder nicht mehr existent. Damit war die Finanzierung des Verfahrens aus eigenen Mitteln ausgeschlossen.

2. Kein Zugriff auf den Klagegegenstand – Bitcoin als unsicherer Vermögenswert

Ein entscheidender Aspekt war die Tatsache, dass der Insolvenzverwalter die 203 Bitcoin nicht besaß, sondern sie erst einklagen musste. Die bloße Möglichkeit eines späteren Erfolgs in der Hauptsache begründet keine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit.

Das Gericht stellte klar, dass ein potenzieller Anspruch nicht mit real vorhandenen liquiden Mitteln gleichzusetzen ist. Die Tatsache, dass im Erfolgsfall erhebliche Werte realisiert werden könnten, sei unerheblich, solange diese Werte nicht tatsächlich verfügbar seien.

Diese Argumentation entspricht der ständigen Rechtsprechung zur Prozesskostenhilfe: Ein Anspruch, dessen Bestehen erst durch das Gerichtsverfahren geklärt werden muss, kann nicht als verwertbares Vermögen betrachtet werden.

3. Erfolgsaussichten der Klage als weitere Voraussetzung für PKH

Neben der finanziellen Bedürftigkeit setzt die Bewilligung von PKH voraus, dass die beabsichtigte Klage hinreichende Erfolgsaussichten hat.

Das OLG Köln verwies auf einen früheren Beschluss des Gerichts vom 15. Dezember 2022 (Az.: 2 W 22/22), in dem bereits festgestellt wurde, dass die Klage nicht mutwillig oder aussichtslos sei. Da keine wesentlichen neuen Gesichtspunkte vorlagen, hielt das Gericht an dieser Einschätzung fest und bestätigte, dass der Antragsteller die Erfolgsaussichten seiner Klage hinreichend glaubhaft gemacht habe.

Folgen der Entscheidung

Die Entscheidung des OLG Köln hat Bedeutung für die prozessuale Behandlung von Kryptowerten bei vermögenslosen Klägern:

  • Sie stellt klar, dass hohe Streitwerte allein keine Verweigerung von Prozesskostenhilfe rechtfertigen. Entscheidend bleibt die tatsächliche wirtschaftliche Lage des Antragstellers.
  • Sie bestätigt, dass potenzielle Ansprüche auf Kryptowährungen nicht als verwertbares Vermögen gelten, solange sie nicht realisiert sind.
  • Sie unterstreicht, dass Insolvenzverwalter auch bei Klagen mit hohen Streitwerten nicht automatisch auf eine Finanzierung aus der Insolvenzmasse verwiesen werden können.

Besonders relevant ist die Entscheidung für Fälle, in denen Kryptowährungen Gegenstand von Gerichtsverfahren sind. Aufgrund der extremen Volatilität von Bitcoin kann sich der Streitwert während eines Verfahrens erheblich ändern. Die Argumentation des OLG Köln verhindert, dass Antragsteller allein wegen der spekulativen Wertsteigerung eines Klagegegenstands von der Prozesskostenhilfe ausgeschlossen werden.

Fazit

Das OLG Köln hat mit dieser Entscheidung eine wichtige Weichenstellung für die Praxis vorgenommen. Es schützt wirtschaftlich schwache Parteien davor, aufgrund hoher Streitwerte automatisch von der Prozesskostenhilfe ausgeschlossen zu werden. Gleichzeitig wird klargestellt, dass potenzielle Ansprüche auf Kryptowährungen nicht als verwertbares Vermögen behandelt werden dürfen.

Für Insolvenzverwalter und andere Akteure im Bereich der digitalen Assets bietet der Beschluss eine wertvolle Orientierungshilfe. Er zeigt, dass auch Klagen mit erheblichen finanziellen Dimensionen prozessual abgesichert werden können, sofern die wirtschaftliche Situation des Antragstellers eine Finanzierung aus eigenen Mitteln nicht zulässt.

Fachanwalt für Strafrecht & IT-Recht bei Anwaltskanzlei Ferner Alsdorf
Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht mit Schwerpunkt Cybersecurity & Softwarerecht. Ich bin zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht und zur EU-Staatsanwaltschaft.Als Softwareentwickler bin ich in Python zertifiziert und habe IT-Handbücher geschrieben.

Erreichbarkeit: Per Mail, Rückruf, Threema oder Whatsapp.

Unsere Kanzlei ist spezialisiert auf Starke Strafverteidigung, seriöses Wirtschaftsstrafrecht und anspruchsvolles IT-Recht inkl. IT-Sicherheitsrecht - ergänzt um Arbeitsrecht mit Fokus auf Managerhaftung.
Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht - zertifizierter Experte in Krisenkommunikation & Cybersecurity)
Letzte Artikel von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht - zertifizierter Experte in Krisenkommunikation & Cybersecurity) (Alle anzeigen)

Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht - zertifizierter Experte in Krisenkommunikation & Cybersecurity)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht mit Schwerpunkt Cybersecurity & Softwarerecht. Ich bin zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht und zur EU-Staatsanwaltschaft.Als Softwareentwickler bin ich in Python zertifiziert und habe IT-Handbücher geschrieben.

Erreichbarkeit: Per Mail, Rückruf, Threema oder Whatsapp.

Unsere Kanzlei ist spezialisiert auf Starke Strafverteidigung, seriöses Wirtschaftsstrafrecht und anspruchsvolles IT-Recht inkl. IT-Sicherheitsrecht - ergänzt um Arbeitsrecht mit Fokus auf Managerhaftung.