Widerruf der Aussetzung der Jugendstrafe

Wenn eine Jugendstrafe ausgesetzt wurde, kann diese widerrufen werden – wenn einer der Widerrufsgründe des § 26 Abs. 1 JGG vor liegt. Mit dieser Vorschrift widerruft das Gericht die der Jugendstrafe, wenn der Jugendliche in der Bewährungszeit eine Straftat begeht und dadurch zeigt, dass

  • die Erwartung, die der Strafaussetzung zugrunde lag, sich nicht erfüllt hat (§ 26 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 JGG),
  • dieser sich der Aufsicht und Leitung des Bewährungshelfers beharrlich entzieht und dadurch Anlass zu der Besorgnis gibt, dass er erneut Straftaten begehen wird (§ 26 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 JGG), oder
  • wenn er gegen Auflagen gröblich oder beharrlich verstößt (§ 26 Abs. 1 S. 1 Nr. 3).

Der Widerruf von Bewährungen gehört zum strafprozessualen Alltag – allerdings ist hier nach unserer Erfahrung viel verstecktes Potenzial – das wegen der kurzen Beschwerdefrist oft untergeht! Gerade Amtsgerichte unterschätzen die besonderen Umstände und nehmen gerne vorschnell, etwa bei nur mangelndem Kontakt mit dem Bewährungshelfer, einen Widerrufsgrund an. Beachten Sie unseren zusammenfassenden Beitrag zum Thema Bewährungswiderruf.

Das Oberlandesgericht Hamm, 5 Ws 205/20, macht nun deutlich, dass es ganz so einfach aber nicht geht und die Zustimmung zu einer nach §153a StPO eben nicht ausreichend ist:

Die Voraussetzungen für einen Widerruf der Aussetzung der Jugendstrafe wegen erneuter Straffälligkeit in der Bewährungszeit (§ 26 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 JGG) liegen (derzeit) nicht vor.

Die der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Bielefeld (…) zugrundeliegende Tat kann insoweit (derzeit) nicht ohne Verstoß gegen die aus Art. 6 Abs. 2 EMRK folgende Unschuldsvermutung zur Begründung des Widerrufs herangezogen werden. Sofern die Straftat, die Anknüpfungspunkt für einen bilden soll, – wie hier – nicht rechtskräftig abgeurteilt ist, kommt ein Bewährungswiderruf zwar gleichwohl in Betracht, wenn die Tat vor einem Richter glaubhaft und unwiderrufen eingestanden ist (…).

So liegt der vorliegende Fall jedoch nicht. Die Zustimmung zur Einstellung des Verfahrens nach § 153a Abs. 2 StPO kann – worauf der Verteidiger zutreffend hinweist – nicht als Geständnis ausgelegt werden (BVerfG, 2. Kammer des Zweiten Senats, Beschluss vom 06. Dezember 1995 – 2 BvR 1732/95 = NStZ-RR 1996, 168, beck-online; Eisenberg/Kölbel a.o.a.O.). Ein etwaiges Geständnis wäre aufgrund der Begründung der sofortigen Beschwerde auch als widerrufen anzusehen, da darin ausgeführt wird, die Zustimmung zur Einstellung sei aus prozesstaktischen Erwägungen erteilt worden.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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