Das Landgericht Köln hat mit Urteil vom 4. Oktober 2024 (Az. 14 O 145/23) eine interessante Entscheidung zur urheberrechtlichen Schutzfähigkeit von architektonischer Innenraumgestaltung getroffen. Der Rechtsstreit betraf die öffentliche Darstellung eines sanierten Hofgebäudes, insbesondere dessen Innenräume, durch eine Architekturgesellschaft. Die klagenden Architekten sahen darin eine Verletzung ihrer Urheberrechte und forderten neben Unterlassung auch Schadensersatz sowie eine öffentliche Gegendarstellung.
Die Entscheidung beleuchtet zentrale Aspekte des Urheberrechts im Bereich der Baukunst und stellt klar, unter welchen Bedingungen Innenraumgestaltungen als schutzfähige Werke anerkannt werden können. Sie gibt außerdem Aufschluss darüber, inwiefern Architekten ihre urheberrechtlichen Ansprüche durchsetzen können, wenn ihre Werke unzulässig genutzt werden.
Sachverhalt
Die Kläger, zwei Architekten, hatten ein denkmalgeschütztes Hofgebäude umfassend saniert. Ihr Entwurf betraf insbesondere die Innenräume des Gebäudes, wobei sie ein anspruchsvolles Gestaltungskonzept entwickelten, das unter anderem eine Galerie, Treppenelemente sowie eine Kombination aus Sichtbeton, Holz und traditionellen Materialien umfasste.
Nach Abschluss der Sanierungsmaßnahmen wurde das Gebäude von einer dritten Partei gekauft, deren Architekturgesellschaft es später in einer Eigenpräsentation öffentlich machte. Dabei wurden professionelle Fotografien der Innenräume auf der Unternehmenswebsite, in sozialen Netzwerken sowie in Architekturzeitschriften veröffentlicht – ohne Hinweis auf die tatsächlichen Urheber der Gestaltung. Zudem wurde das Bauprojekt bei einem renommierten Designwettbewerb eingereicht und prämiert, wobei erneut keine Erwähnung der klagenden Architekten erfolgte.
Die Kläger sahen hierin eine Verletzung ihrer Urheberrechte und forderten, dass die Beklagte die Veröffentlichungen unterlasse, die Urheberschaft korrekt benenne und für die unzulässige Nutzung Schadensersatz leiste. Außerdem verlangten sie, dass der Designpreis zurückgegeben werde, da er unrechtmäßig unter falscher Autorenschaft erlangt worden sei.
Rechtliche Würdigung
Das Landgericht Köln stellte zunächst fest, dass Innenraumgestaltungen grundsätzlich urheberrechtlichen Schutz genießen können, wenn sie eine hinreichende Gestaltungshöhe aufweisen. Die entscheidende Frage war daher, ob die Arbeiten der Kläger über eine bloß handwerkliche oder technisch bedingte Lösung hinausgingen und eine individuelle künstlerische Schöpfung darstellten.
1. Schutzfähigkeit der Innenraumgestaltung
Nach Ansicht des Gerichts erfüllte die Innenraumgestaltung des Hofgebäudes die Anforderungen des § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG. Maßgeblich war dabei die eigenständige architektonische Handschrift der Kläger, die sich nicht nur in der funktionalen Raumaufteilung, sondern auch in gestalterischen Elementen manifestierte. Die Kombination aus Galerie, Treppenanlage und Materialwahl ging über eine bloße technische Planung hinaus und zeigte eine persönliche kreative Handschrift.
Entscheidend war zudem, dass die Kläger in der Planung weitgehend freie gestalterische Entscheidungen treffen konnten. Ihre Entwürfe waren nicht lediglich die Umsetzung exakter Vorgaben der Bauherren, sondern Ausdruck eigener ästhetischer Vorstellungen. Damit war die Innenraumgestaltung als Werk der Baukunst urheberrechtlich geschützt:
Die für eine persönliche geistige Schöpfung notwendige Individualität erfordert, dass sich das Bauwerk nicht nur als das Ergebnis rein handwerklichen oder routinemäßigen Schaffens darstellt, sondern dass es aus der Masse alltäglichen Bauschaffens herausragt. Dies beurteilt sich nach dem ästhetischen Eindruck, den das Bauwerk nach dem Durchschnittsurteil des für Kunst empfänglichen und mit Kunst einigermaßen vertrauten Menschen vermittelt.
Werke der Baukunst können beispielsweise geprägt sein durch ihre Größe, ihre Proportion, Einbindung in das Gelände, die Umgebungsbebauung, Verteilung der Baumassen, konsequente Durchführung eines Motivs, Ausgestaltung und Gliederung einzelner Bauteile wie der Fassade oder des Daches sowie dadurch, dass alle einzelnen Teile des Bauwerks aufeinander bezogen sind, so dass sie zu einer Einheit verschmelzen.
Die architektonische Leistung muss über die Lösung einer fachgebundenen technischen Aufgabe durch Anwendung der einschlägigen technischen Lösungsmittel hinausgehen. Gestaltungen, die durch den Gebrauchszweck vorgegeben sind, können die Schutzfähigkeit nicht begründen; das gilt namentlich für die äußere und innere Gestaltung sowie für die Raumaufteilung. In der Verwendung allgemeinbekannter, gemeinfreier Gestaltungselemente kann aber dann eine schutzfähige Leistung liegen, wenn durch sie eine besondere eigenschöpferische Wirkung und Gestaltung erzielt wird. Zu fordern ist kein deutliches Überragen durchschnittlicher Gestaltungen, sondern lediglich eine Gestaltung, die über die technisch, sachzweckgebundenen Elemente hinaus eine individuell ästhetische Prägung erkennen lässt, weil Gestaltungsspielräume für persönliche Kreativität mit der hinreichenden Individualität ausgestaltet wurden (…).
Im Einklang damit formulierte der BGH kürzlich (angesichts des thematischen Bezugs, statt der nachfolgenden Urteile des BGH: NJW 2022, 782, Rn. 57 f. – Zugangsrecht des Architekten, m.w.N. aus der Rechtsprechung des EuGH): Eine persönliche geistige Schöpfung ist eine Schöpfung individueller Prägung, deren ästhetischer Gehalt einen solchen Grad erreicht hat, dass nach Auffassung der für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise von einer „künstlerischen“ Leistung gesprochen werden kann.
Dabei kann die ästhetische Wirkung der Gestaltung einen Urheberrechtsschutz nur begründen, soweit sie auf einer künstlerischen Leistung beruht und diese zum Ausdruck bringt. Dabei entspricht dies dem unionsrechtlichen Begriff des urheberrechtlich geschützten Werks im Sinne RL 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft. Für eine Einstufung eines Objekts als Werk müssen demnach zwei kumulative Voraussetzungen erfüllt sein. Zum einen muss es sich bei dem betreffenden Gegenstand um ein Original in dem Sinne handeln, dass er eine eigene geistige Schöpfung seines Urhebers darstellt.
Ein Gegenstand kann erst dann, aber auch bereits dann als ein Original in diesem Sinne angesehen werden, wenn er die Persönlichkeit seines Urhebers widerspiegelt, indem er dessen freie kreative Entscheidung zum Ausdruck bringt. Wurde dagegen die Schaffung eines Gegenstands durch technische Erwägungen, durch Regeln oder durch andere Zwänge bestimmt, die der Ausübung künstlerischer Freiheit keinen Raum gelassen haben, kann nicht davon ausgegangen werden, dass dieser Gegenstand die für die Einstufung als Werk erforderliche Originalität aufweist. Zum anderen ist die Einstufung als Werk Elementen vorbehalten, die eine solche Schöpfung zum Ausdruck bringen. Dafür ist ein mit hinreichender Genauigkeit und Objektivität identifizierbarer Gegenstand Voraussetzung, auch wenn diese Ausdrucksform nicht notwendig dauerhaft sein sollte.
2. Außenansicht als nicht schutzfähige Baukunst
Anders beurteilte das Gericht die Außenfassade des Gebäudes. Hier war die Gestaltungsfreiheit der Architekten stark durch denkmalpflegerische Vorgaben eingeschränkt. Die vorgenommenen Änderungen beschränkten sich im Wesentlichen auf technische Lösungen wie Dachgauben und Fensteranpassungen, die keine ausreichende individuelle Schöpfungshöhe aufwiesen. Deshalb verneinte das Gericht einen urheberrechtlichen Schutz für die Fassadengestaltung.
3. Verletzung des Urheberrechts durch Veröffentlichung
Das Landgericht Köln sah in der Veröffentlichung der Innenraumfotos ohne Zustimmung der Kläger einen klaren Verstoß gegen § 19a UrhG (öffentliches Zugänglichmachen). Die Beklagte hatte die Bilder auf verschiedenen Plattformen genutzt und damit in die Verwertungsrechte der Architekten eingegriffen.
Zudem bejahte das Gericht eine Verletzung des Urheberpersönlichkeitsrechts (§ 13 UrhG), da die Beklagte die tatsächlichen Urheber nicht nannte und so den Eindruck erweckte, die Planung sei allein durch sie erfolgt.
Allerdings erkannte das Gericht kein generelles Recht auf eine Gegendarstellung an. Es stellte fest, dass eine Gegendarstellung – anders als eine korrekte Urheberbenennung – nicht geeignet sei, eine Urheberrechtsverletzung wirksam zu beseitigen.
4. Schadensersatz und Einordnung der Lizenzanalogie
Die Kläger verlangten einen Schadensersatz, den sie auf Basis der HOAI-Honorarsätze berechneten. Das Gericht stellte jedoch klar, dass die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) kein geeigneter Maßstab zur Berechnung urheberrechtlicher Ansprüche sei.
Stattdessen wendete es die Methode der Lizenzanalogie an: Dabei wird gefragt, welche Lizenzgebühr vernünftige Vertragspartner für die Nutzung des geschützten Werks vereinbart hätten. Das Gericht setzte den Lizenzbetrag für die zweijährige Nutzung der Innenraumfotos auf 5.000 Euro fest und verdoppelte diesen wegen der fehlenden Urheberbenennung auf 10.000 Euro.
Fazit
Das Urteil stärkt die Rechte von Architekten an ihren Planungen und zeigt, dass das Urheberrecht auch über die klassischen Bereiche der bildenden Kunst hinaus eine bedeutende Rolle spielt: So wird die urheberrechtliche Schutzfähigkeit von Innenraumgestaltungen bestätigt sowie die Bedeutung individueller architektonischer Schöpfungshöhe betont. Während funktional oder denkmalpflegerisch bedingte Gestaltungen keinen Schutz genießen, können kreative Raumkonzepte durchaus als Werk der Baukunst anerkannt werden.
Die Entscheidung ist zudem von praktischer Relevanz für Architekten und Bauherren: Wer bestehende Bauwerke öffentlich darstellt, muss prüfen, ob darin geschützte Werke Dritter enthalten sind. Die unbefugte Nutzung solcher Gestaltungen kann erhebliche Schadensersatzforderungen nach sich ziehen, insbesondere wenn eine korrekte Urheberbenennung unterbleibt.