Einziehung von Cum-Ex-Gewinnen

Die juristische Aufarbeitung der -Geschäfte schreitet weiter voran. Mit Urteil vom 27. November 2024 (Az. 1 StR 473/23) hat der (BGH) erneut die illegal erlangter Vermögenswerte in den Mittelpunkt gestellt. Im Zentrum der Entscheidung standen vier Angeklagte, die über Jahre hinweg mit Aktiengeschäften rund um den Dividendenstichtag Steuererstattungen erschlichen hatten. Die Revisionen betrafen insbesondere die Frage, in welchem Umfang die Einziehung des Wertersatzes für die unrechtmäßig erlangten Gewinne erfolgen kann.

Die Entscheidung des BGH bestätigt die strengen Maßstäbe der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung und klärt zudem eine Reihe steuerlicher Fragen. Besonders relevant ist das Urteil für Finanzmarktakteure, da es die Praxis der strafrechtlichen Einziehung weiter konkretisiert und steuerrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten einschränkt.

Sachverhalt

Die Angeklagten waren leitende Angestellte einer Investmentfirma, die über komplexe Wertpapiergeschäfte mit ausländischen Banken in den Jahren 2006 bis 2009 rechtswidrig Kapitalertragsteuern erstattet bekommen hatte. Die Geschäfte folgten dem typischen Cum-Ex-: Aktien wurden rund um den Dividendenstichtag in hoher Frequenz zwischen verschiedenen Marktteilnehmern gehandelt, sodass am Ende mehrere Parteien eine Steuererstattung für dieselbe Kapitalertragsteuer beantragten.

Das Landgericht Frankfurt am Main hatte die Hauptangeklagten zu Freiheitsstrafen zwischen zwei und vier Jahren verurteilt und Einziehungsanordnungen in Millionenhöhe getroffen. Konkret ging es um Bonuszahlungen, die die Beteiligten als Vergütung für ihre Mitwirkung an den Geschäften erhalten hatten. Das Landgericht hatte dabei von den Bonusbeträgen pauschal einen Lohnsteuersatz von 47,475 % abgezogen, bevor es die Höhe der Einziehung festlegte.

Gegen diese Berechnung legte die Generalstaatsanwaltschaft Revision ein und forderte, dass die Bruttobonuszahlungen vollständig eingezogen werden, ohne Berücksichtigung der Lohnsteuer. Der BGH gab der Staatsanwaltschaft weitgehend recht.

Rechtliche Analyse

1. Grundsatz der Vermögensabschöpfung und “Taterträge”

Der BGH bestätigt zunächst, dass die aus den Cum-Ex-Geschäften erlangten Bonuszahlungen in vollem Umfang als „Taterträge“ im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB einzuordnen sind. Maßgeblich sei, dass diese Vergütungen als unmittelbare Gegenleistung für die Beteiligung an den betrügerischen Steuererstattungen gezahlt wurden. Entscheidend ist laut BGH der „synallagmatische Charakter“: Die Zahlung war direkt an das tatbestandsmäßige Verhalten der Angeklagten gekoppelt.

2. Keine Abzugsfähigkeit der Lohnsteuer

Ein zentraler Aspekt der Entscheidung ist die Frage, ob die einbehaltene Lohnsteuer den Umfang der Einziehung mindern darf. Das Landgericht hatte argumentiert, dass die Steuer bereits beim Zufluss der Boni durch den Arbeitgeber abgeführt wurde und damit gar nicht mehr im Vermögen der Angeklagten vorhanden war.

Der BGH wies diese Argumentation zurück. Die Einziehung von Taterträgen hat sich nach der „Bruttoprinzip“-Doktrin zu richten. Eine nachträgliche steuerliche Belastung kann auf steuerrechtlicher Ebene berücksichtigt werden, darf aber nicht die strafrechtliche Einziehungsentscheidung beeinflussen. Die Einziehung soll sicherstellen, dass die Täter keine finanziellen Vorteile aus ihrer Tat behalten. Wären Steuern abziehbar, ließe sich eine Umgehung konstruieren, indem gezielt hohe Steuerverpflichtungen generiert werden.

3. Wechselwirkung zwischen Einziehung und Strafzumessung

Besonders bemerkenswert ist die Diskussion über die Wechselwirkungen zwischen Einziehung und . Der BGH stellte fest, dass eine neben der Einziehung verhängte nach § 41 StGB (zusätzliche Geldstrafe bei Vermögensvorteilen) in vielen Fällen nicht mehr notwendig ist. Hier wurde argumentiert, dass die Vermögensabschöpfung bereits eine empfindliche Sanktion darstellt und eine zusätzliche finanzielle Bestrafung zu einer Doppelbelastung führen könnte.

Dies betont einmal mehr die zunehmende Bedeutung der Einziehung als zentrales Instrument zur Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität. Die Vermögensabschöpfung dient nicht nur der Bestrafung, sondern vor allem der Wiederherstellung rechtmäßiger Verhältnisse und der Verhinderung illegaler Bereicherung.

Rechtsanwalt Ferner zur Einziehung von Cum-Ex-Gewinnen

Die Klarstellungen zur Vermögensabschöpfung verdeutlichen, dass die juristische Aufarbeitung der Cum-Ex-Skandale noch nicht abgeschlossen ist. Die Maßstäbe für die strafrechtliche Einziehung werden weiter geschärft, und die Finanzwelt muss sich darauf einstellen, dass die Gerichte zunehmend härter durchgreifen.

Fazit

Das Urteil des BGH hat weitreichende Folgen für künftige Cum-Ex-Verfahren und andere Fälle der Wirtschaftskriminalität. Es bekräftigt, dass illegal erlangte Vermögenswerte in vollem Umfang abgeschöpft werden müssen und Steuerbelastungen daran nichts ändern. Dies entspricht dem gesetzgeberischen Ziel, dass sich Wirtschaftskriminalität nicht lohnen darf.

Für Finanzmarktakteure und ihre Berater bedeutet das Urteil eine weitere Einschränkung möglicher Verteidigungsstrategien. Steuerliche Argumente haben in der strafrechtlichen Einziehungsdiskussion nur begrenzte Relevanz. Zudem zeigt die Entscheidung, dass der BGH hohe Anforderungen an die Begründung von Geldstrafen neben der Einziehung stellt.

Fachanwalt für Strafrecht & IT-Recht bei Anwaltskanzlei Ferner Alsdorf
Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht mit Schwerpunkt Cybersecurity & Softwarerecht. Ich bin zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht und zur EU-Staatsanwaltschaft.Als Softwareentwickler bin ich in Python zertifiziert und habe IT-Handbücher geschrieben.

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Unsere Kanzlei ist spezialisiert auf Starke Strafverteidigung, seriöses Wirtschaftsstrafrecht und anspruchsvolles IT-Recht inkl. IT-Sicherheitsrecht - ergänzt um Arbeitsrecht mit Fokus auf Managerhaftung.
Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht - zertifizierter Experte in Krisenkommunikation & Cybersecurity)
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