Ein Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt am Main vom 26. März 2024 (Az.: 7 Ws 45/24) befasst sich mit der Frage der Notwendigkeit der Beiordnung eines Pflichtverteidigers im Kontext eines Strafverfahrens, in dem eine Angeklagte wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte verurteilt worden war.
Die Entscheidung beleuchtet insbesondere die Bedeutung von sprachlichen Verständigungsschwierigkeiten und komplexen rechtlichen Fragestellungen im Hinblick auf die Pflichtverteidigerbestellung.
Sachverhalt
Die Angeklagte, eine aus der Ukraine stammende Frau, war zunächst vom Amtsgericht Gießen wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte sowie Körperverletzung verurteilt worden. Die Angeklagte war in der ersten Instanz nicht anwaltlich vertreten und hatte nach der Verurteilung Berufung eingelegt. Ihr Verteidiger beantragte gleichzeitig die Beiordnung als Pflichtverteidiger, da die Angeklagte der deutschen Sprache nicht mächtig sei und sich aufgrund der schwierigen Sach- und Rechtslage nicht selbst verteidigen könne.
Das Landgericht Gießen lehnte den Antrag auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers ab, was zur sofortigen Beschwerde beim OLG Frankfurt führte.
Rechtliche Würdigung
Das OLG Frankfurt hob die Entscheidung des Landgerichts auf und ordnete die Beiordnung eines Pflichtverteidigers an.
Sprachbedingte Verständigungsschwierigkeiten
Das OLG betonte, dass sprachliche Barrieren, insbesondere wenn eine Angeklagte die deutsche Sprache nicht ausreichend beherrscht, die Voraussetzung für die Beiordnung eines Pflichtverteidigers gemäß § 140 Abs. 2 StPO erfüllen können. Sprachliche Verständigungsschwierigkeiten erhöhen die Komplexität der Verteidigung, insbesondere in Fällen, in denen eine angemessene Verteidigung ohne tiefes Verständnis der rechtlichen Rahmenbedingungen nicht möglich ist.
Komplexität der Rechtslage
Das Gericht stellte fest, dass die Rechtslage in diesem Fall komplex sei, da die Rechtmäßigkeit der polizeilichen Diensthandlung, die zur Anklage geführt hatte, fraglich war. Es ging um die Frage, ob das Filmen eines Polizeieinsatzes erlaubt war oder ob es unter den Straftatbestand des § 201 StGB fiel. Zudem musste geklärt werden, ob die Angeklagte sich möglicherweise in einem Verbotsirrtum befand, da sie aufgrund der Rechtslage in ihrem Heimatland davon ausgegangen sein könnte, dass sie das Recht hatte, den Polizeieinsatz zu filmen.
Pflichtverteidigerbestellung
Aufgrund dieser komplexen rechtlichen Fragen und der sprachlichen Verständigungsschwierigkeiten entschied das OLG, dass die Bestellung eines Pflichtverteidigers notwendig war, um der Angeklagten eine faire Verteidigung zu ermöglichen. Das Gericht verwies darauf, dass eine Verteidigung ohne anwaltliche Unterstützung in solchen Fällen nicht gewährleistet werden könne.
Es ist eine bis heute verbreitete Unsitte, dass Gerichte meinen, die Bestellung eines Dolmetschers reicht, um Sprachprobleme auszugleichen – ebendiese Sprachprobleme aber begründen jedenfalls bei anspruchsvolleren rechtlichen Problemen oder Sachverhalten das Bedürfnis nach einem Strafverteidiger!
Fazit
Der Beschluss des OLG Frankfurt unterstreicht die Bedeutung der Bestellung eines Pflichtverteidigers in Fällen, in denen sprachliche Barrieren und komplexe rechtliche Fragen die Verteidigung erschweren. Die Entscheidung zeigt, dass das Recht auf eine faire Verteidigung auch in Fällen, in denen die Angeklagte aus einem fremden Rechtskreis stammt und die deutsche Sprache nicht beherrscht, besonders geschützt werden muss.
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