Kampf um die Bewährung: Es ist schlimm, wenn ein Gericht mitteilt, dass eine Bewährung widerrufen werden soll. Richtig brennt es dann auch noch, wenn das Gericht mitteilt, dass man bereits erwägt, den Bewährungswiderruf ins Auge zu fassen.
Ein Beispiel aus dem hiesigen Kampf um die Bewährung:
Ich habe diesen letzten Satz im letzten Jahr mehrmals lesen dürfen, entsprechend gering waren die Hoffnungen der Betroffenen. Tatsächlich ist in keinem einzigen Fall, in dem mir letztes Jahr dieser Satz unterkam, am Ende die Bewährung widerrufen worden.
Der Widerruf von Bewährungen und der Kampf um Bewährungen gehört zu unserem strafprozessualen Alltag – und wir sind hier sehr erfolgreich, denn: nach unserer Erfahrung steckt hier viel verborgenes Potenzial – das wegen der kurzen Beschwerdefrist oft untergeht! Gerade Amtsgerichte unterschätzen die besonderen Umstände und nehmen gerne vorschnell, etwa bei nur mangelndem Kontakt mit dem Bewährungshelfer, einen Widerrufsgrund an. Beachten Sie dazu unseren zusammenfassenden Beitrag zum Thema Bewährungswiderruf sowie den Beitrag zur mehrfachen Bewährung.
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Überraschung: mit dem Anwalt zur Anhörung
Für die Gerichte war es offenkundig jedes Mal überraschend, wenn ich meine Mandanten zum Anhörungstermin begleitet habe. Mitunter entstanden sehr angenehme Atmosphären, in denen man sich schlicht unterhalten hat; einmal meinte ein Vorsitzender in einem südlichen Gerichtsbezirk lachend zu mir, es sei ja wohl unerhört und unfair, mit Anwalt zu kommen – und dann auch noch rechtlich zu argumentieren, das sei ja wohl die Höhe. Natürlich im Scherz, aber durchaus auf den Punkt gebracht: Gerichte kennen es regelmäßig schlicht nicht, dass man sich mit Anwalt dahin setzt und der dann auch noch argumentiert und eben nicht nur hübsch aussieht.
Rechtliche Argumente gegen Selbstsicherheit
Ich kann nur vermuten, dass es dem Mangel an Anwälten in Verfahren über einen Bewährungswiderruf geschuldet ist: So selbstsicher viele Gerichte auftreten, ist dies nach meinem Eindruck der letzten Jahre vor allem ständiger Übung und nicht rechtlicher Trittfestigkeit geschuldet.
Dabei geht es um nichts Böses oder um Vorwürfe, insbesondere ist die spärliche Literatur zum Thema einfach nicht ausreichend, um sich ernsthaft einzuarbeiten. Man muss, teilweise in äußerst umfangreicher Arbeit, selber herausarbeiten, welche verfassungsgerichtlichen Entscheidungen von Bedeutung sind und die bundesweite OLG-Rechtsprechung durchackern.
Nur wenn man das recht umfangreich getan hat, was mit dem Arbeitsalltag vieler nicht spezialisierter Strafrechtler kaum vereinbar sein dürfte (ich habe in meiner eigenen Datenbank inzwischen fast 80 ausgewählte und von mir aufbereitete Entscheidungen, die aus meiner Sicht essenziell sind zum Bewährungsrecht), ist man aus meiner Sicht wirklich fit im Bewährungsrecht. Und dann merkt man auch, wo es im Alltag des Bewährungsrechts hapert.
Angriffspunkte bei Bewährungswiderruf
Oft darf ich Gerichten als Erstes erklären, dass extrem viele Mythen verbreitet sind: So ist ein Bewährungswiderruf weder zwingend, nur weil man eine weitere Straftat begangen hat, Arbeitsstunden nicht leistet, noch weil man den Kontakt zum Bewährungshelfer schleifen lässt. Letzteres begegnet mir interessanterweise überproportional oft als Widerrufsgrund, ist aber fast am wenigstens geeignet auch nur über einen Bewährungswiderruf nachzudenken (noch mehr die ebenso gerne heran gezogene Meldeauflage, die mal gar kein Argument für einen Bewährungswiderruf sind). Und da bin ich noch nicht bei den ständigen Drogenscreenings, die mindestens bei den Kosten, aber auch schon bei der Anordnung dem Grunde nach regelmäßig in meinen Augen fehlerhaft erfolgen.
Wenn man nun weiß, was man hierzu sagen muss – und vor allem auch wie – zeigt sich bei mir inzwischen eher als Regelfall, dass man gegen schon angekündigte Bewährungswiderrufe sehr sachlich und ruhig argumentieren kann. Ohne Showeffekte und Nebelkerzen.
Das Problem bleiben allein: die Mandanten. Weiterhin werde ich ständig angerufen und höre direkt Ausflüchte – oder man ruft an, wenn die Rechtsmittelfristen schon lange vorbei sind. Ich kann nur raten: Wenn das Gericht anschreibt und einen Anhörungstermin ansetzt, sofort die Beine in die Hand nehmen und einen Strafverteidiger suchen, der weiß, wie Bewährungen funktionieren. Mit dem dann arbeiten noch bevor die Anhörung stattfindet, die Chancen sind jedenfalls nach meiner Erfahrung statistisch gut, hier noch etwas zu reißen.
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