Kammergericht Berlin: Rechtsmittel gegen Verbandsgeldbuße bei strafrechtlicher Anknüpfungstat

In einem richtungsweisenden Beschluss (Az. 3 ORbs 249/23) vom 8. Januar 2024 hat das Kammergericht (KG) Berlin über die Zulässigkeit von Rechtsmitteln im Rahmen eines Bußgeldverfahrens gegen eine entschieden. Der Fall beleuchtet die komplexen rechtlichen Fragen zur Zuständigkeit und dem richtigen Rechtsmittel bei einer Verurteilung wegen Verstößen gegen das Spielhallengesetz und das Strafgesetzbuch (StGB).

Sachverhalt

Das Bezirksamt Marzahn-Hellersdorf von Berlin hatte gegen die betroffene GmbH Geldbußen in Höhe von 50.000 Euro und 5.000 Euro wegen Verstößen gegen das Berliner Spielhallengesetz im selbständigen Verfahren nach § 30 Abs. 4 OWiG (Gesetz über Ordnungswidrigkeiten) festgesetzt. Der Bußgeldbescheid beruhte darauf, dass die GmbH unerlaubt veranstaltet und gegen eine vollziehbare Auflage verstoßen hatte.

Das Amtsgericht Tiergarten bestätigte die Geldbußen, woraufhin die GmbH Rechtsbeschwerde einlegte. Die Generalstaatsanwaltschaft beantragte festzustellen, dass der Senat nicht zur Entscheidung berufen sei, und das Verfahren an das Landgericht zu verweisen.

Entscheidung des Kammergerichts Berlin

Rechtsmittel und Zuständigkeit

Das KG Berlin stellte klar, dass das zulässige Rechtsmittel gegen die Verurteilung im Bußgeldverfahren die Berufung ist, nicht die Rechtsbeschwerde. Gemäß § 30 Abs. 4 Satz 1 OWiG ist ein selbständiges Verfahren gegen eine juristische Person zulässig, wenn gegen einen Unternehmensmitarbeiter kein Verfahren eingeleitet wird oder dieses eingestellt wird. Das Verfahren richtet sich nach dem Verfahrensrecht, das für die Anknüpfungstat gilt, also nach der Strafprozessordnung ():

  1. Selbständiges Verfahren und Verfahrensrecht:
    Das KG stellte fest, dass das selbständige Verfahren gegen die GmbH nach den Vorschriften der StPO durchzuführen ist. Dies umfasst die Anwendung der §§ 444 Abs. 3 i.V.m. 435, 436 Abs. 1 und 2 StPO, die das selbständige Einziehungsverfahren regeln. Daher war das zulässige Rechtsmittel die Berufung.
  2. Verweisung an das Landgericht:
    Da die Berufung das umfassendere Rechtsmittel darstellt, wurde das Verfahren an das Landgericht verwiesen. Das KG betonte, dass in Fällen, in denen die Verwaltungsbehörde von einer Straftat ausgeht und ein Bußgeldverfahren einleitet, die Strafprozessordnung anzuwenden ist. Dies gilt auch, wenn die Verwaltungsbehörde das Vorliegen einer Straftat nicht erkannt hat.

Bewertung der Tat und rechtlicher Hinweis

Das Amtsgericht Tiergarten hatte die GmbH in der darüber informiert, dass eine Anknüpfungstat nach § 284 StGB (unerlaubte Veranstaltung eines Glücksspiels) in Betracht komme. Die GmbH argumentierte, dass eine Überleitung in das Strafverfahren nach § 81 OWiG erforderlich sei, was das Amtsgericht jedoch ablehnte, da eine GmbH nicht zu einer Geld- oder verurteilt werden könne. Das KG bestätigte, dass das Gericht im Bußgeldverfahren die Tat umfassend rechtlich würdigen und auch strafrechtliche Aspekte berücksichtigen muss.

Fazit

Die Entscheidung des KG Berlin verdeutlicht die rechtlichen Rahmenbedingungen für Verfahren gegen juristische Personen bei Ordnungswidrigkeiten und die Bedeutung der korrekten Anwendung der Strafprozessordnung. Die Klarstellung, dass das zulässige Rechtsmittel die Berufung ist, stellt sicher, dass die Verfahren korrekt und umfassend überprüft werden können. Diese Entscheidung hat weitreichende Implikationen für die Praxis der Bußgeldverfahren gegen Unternehmen und betont die Notwendigkeit der korrekten rechtlichen Einordnung und Verfahrensführung.

Praktische Auswirkungen

Unternehmen sollten sich der Möglichkeit bewusst sein, dass Verstöße gegen das Spielhallengesetz und ähnliche Vorschriften zu Bußgeldern führen können, die nach den Regeln der Strafprozessordnung behandelt werden. Dies bedeutet, dass eine sorgfältige rechtliche Prüfung und die Einlegung des richtigen Rechtsmittels entscheidend sind, um die Rechte des Unternehmens zu wahren. Die Entscheidung des KG Berlin stärkt die Rechtssicherheit und die korrekte Anwendung des Verfahrensrechts in Bußgeldverfahren.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften. Dabei bin ich fortgebildet in Krisenkommunikation und Compliance.

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