Beim Oberlandesgericht Köln, 15 W 10/21, ging es um die Reichweite des §14 TMG. Dies vor speziellem Hintergrund: Ich verstehe den Sachverhalt so, dass bei einem grossen Online-Marktplatz Beschwerden hinsichtlich eingestellter Produkte existierten, die dann gelöscht wurden. Der Anbieter wollte nun in Erfahrung bringen, wer sich da – fälschlicherweise – hinsichtlich der Artikel beschwerte und begehrte Auskunft. Die Entscheidung ist ein Lehrstück zum Umgang mit dem §14 TMG im Zusammenspiel mit dem NetzDG.
Hinweis: Kleines Schmankerl ist der Vergleich von grossen Internetplattformen mit dem Marktplatz auf der im Star-Trek-Universum angesiedelten Raumstation Deep-Space-Nine.
Als erstes stellt das OLG fest, dass man, so wie der Bundesgerichtshof, davon ausgeht, dass § 14 TMG nicht nur auf Betreiber sozialer Netzwerke, sondern auf sämtlicher Diensteanbieter i.S.d. § 2 Nr. 1 TMG Anwendung findet. Also auch auf Handelsplattformen. Erfasst sind dabei auch interne Beschwerde-Systeme:
Bei dem in die Nutzerkonten der Kunden der Onlinehändler fest integrierten Beschwerde- und Kommunikationssystem mit einer festen Einbindung gerade auch in die automatisierte und dort abrufbare Auswertung der „Verkäufer-Performance“ handelt es sich um elektronische Informations- und Kommunikationsdienste, die nicht nur reine Telekommunikationsdienste i.S.d. § 3 Nr. 24 TKG – mit Diensten die ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen über Telekommunikationsnetz bestehen – sind oder die den anderen Ausnahmen in § 1 Abs. 1 S. 1 TMG unterfallen. Auch die Unentgeltlichkeit (…) ist für die Zuordnung unschädlich (§ 1 Abs. 1 S. 2 TMG).
Dabei hebt auch das OLG Köln, nach dem BGH, hervor, dass § 14 Abs. 3 – 5 TMG nicht durch den Anwendungsvorrang der DSGVO verdrängt werden.
Spannend sind auch die Ausführungen zu der jüngeren Rechtsprechung des EUGH und BGH zu §103 UrhG: Soweit der Auskunftsanspruch aus § 103 Nr. 1 UrhG jedenfalls Email-Adressen nicht erfasst, ist das mit dem OLG Köln dem dortigen enger gefassten Wortlaut und Art 8 der Richtlinie 2004/48/EG geschuldet und daher auch nicht auf das hier betroffene Auskunftsverfahren zu übertagen:
§ 14 Abs. 4 S. 1 TMG verweist auf § 14 Abs. 3 TMG und dieser wiederum auf „rechtswidrige Inhalte“, die von § 1 Abs. 3 NetzDG erfasst werden. Diese Regelung nennt wiederum „Inhalte im Sinne des Absatzes 1“, welche zugleich den Tatbestand einer der in Bezug genommenen strafrechtlichen Regelungen im konkreten Fall erfüllen. § 1 Abs. 1 NetzDG erläutert den Begriff der „Inhalte“ weiter, so dass es um „Plattformen“ geht, die dazu bestimmt sind, dass Nutzer „beliebige Inhalte“ entweder „mit anderen Nutzern teilen“ oder aber „der Öffentlichkeit zugänglich machen“; aus dem so definierten Begriff der „soziale(n) Netzwerke“ werden dann in Abs. 1 S. 2 und 3 NetzDG bestimmte Fälle ausgenommen.
Spricht schon der erste Satzteil von Abs. 1 S. 1 eher dagegen, nur allgemein im Internet der Öffentlichkeit zugänglich gemachte Inhalte (wie etwa Tatsachenbehauptungen in Kundenbewertungen) zu erfassen (sondern zumindest bei sozialen Netzwerken eben auch direkt übermittelte Nachrichten z.B. im Messengerdienst), hat jedenfalls der Bundesgerichtshof die richterliche Gestattung aus § 14 Abs. 4 TMG – vorbehaltlich fehlender Feststellungen zur Einordnung als Telemedium im damaligen Fall – ausdrücklich von dem engen Begriff der „sozialen Netzwerke“ und dem NetzDG losgelöst und ganz allgemein so etwa auch auf Fälle erstreckt, in denen private Nachrichten mit ehrverletzenden Inhalten an einzelne Nutzer verschickt worden sind, weil richtigerweise hier alle Rechtsverletzungen im Internet im Zusammenhang mit der Nutzung von Telemedien zu erfassen seien (BGH v. 24.09.2019 – VI ZB 39/18, BeckRS 2019, 28976 Rn. 53). Das ist überzeugend.
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